Ministerialrat Rolf Knieling: Was ist ein Abitur aus dem Ausland wert, Herr Knieling?

    Von Viktoria Dümer 

    Ministerialrat Rolf Knieling ist zuständig für das Abitur im Ausland, Credit: privat

    Er ist der Mann, der das Abitur im Ausland steuert. Seit 2006 ist Ministerialrat Rolf Knieling hessischer Beauftragter der Kultusministerkonferenz (KMK) für die schulische Arbeit im Ausland. Außerdem ist er Bevollmächtigter der KMK für die deutschsprachige Option internationale du baccalauréat in Frankreich und KMK-Beauftragter für den deutsch-französischen Doppelabschluss Abibac. Zwischen 1989 und 1995 war Knieling selbst als Auslandslehrkraft im Einsatz, damals an der Deutschen Evangelischen Oberschule Kairo.  

    PROFIL: Wie wird das deutsche Abitur im Ausland organisiert und umgesetzt?  

    Rolf Knieling: „Die Deutschen Auslandsschulen (DAS), die einer Region angehören, arbeiten eng zusammen, um rechtzeitig die Schwerpunkte des Unterrichts in der Qualifikationsphase abzustimmen, damit ein „Regionalabitur“ zentral für jede Region erstellt werden kann. Die Aufgabenvorschläge werden den jeweilig zuständigen Beauftragten der Kultusministerkonferenz (KMK) vorgelegt. Fachexperten in den Ländern begutachten die Vorschläge und überprüfen die Einhaltung der Vorgaben, die durch die Ordnung der Deutschen Internationalen Abiturprüfung, die dazugehörigen Richtlinien, die fachspezifischen Hinweise und die Einheitlichen Prüfungsanforderungen der KMK geregelt sind. Damit folgt das Auslandsschulwesen einer „mittleren Linie“ der 16 Länder in der Bundesrepublik Deutschland.“ 

    Welche Herausforderungen gibt es dabei? 

    Knieling: „Eine der Herausforderungen ist sicherlich die relativ hohe Fluktuation der Auslandsdienstlehrkräfte, die, neu angekommen, noch ihre länderspezifischen Regelungen im Kopf haben und sich auf die bereits erwähnte „mittlere Linie“ der KMK einstellen müssen. Diese Herausforderung ist meiner Meinung nach jedoch ein Plus, da die Erfahrungen, die aus den verschiedenen Ländern einfließen, durchaus einen sehr konstruktiven Austausch bewirken.“ 

    Wie viele und welche Regionen schreiben gemeinsam Zentralabitur? 

    Knieling: „Die Deutschen Auslandsschulen sind in 16 geographische Regionen aufgeteilt, für die jeweils ein Bundesland zuständig ist. Es gab bisher 15 Regionalabiture, wobei die Regionen Ost-Asien und Süd-Ost-Asien bereits ein gemeinsames Regionalabitur organisiert hatten. Dies wird nun auch für den Rest der Welt angestrebt. Entsprechende Übergangszeiten zur Harmonisierung der Schulcurricula sind eingeplant. Gegebenenfalls werden auch mehr als zwei Regionen kooperieren können. Nur die derzeitige Region „Subsahara-Afrika“ wird als einzige Region ohne „Partner“ bleiben, da das Abitur dort im Oktober stattfindet und aufgrund der Zeitverschiebung und anderer landesspezifischer Vorgaben nicht mit den Regionen in Lateinamerika kooperieren kann, die ebenfalls im Herbst das Abitur vergeben.“ 

    Inwieweit wird auf weitere regionale Besonderheiten und Unterschiede bei den Abiturprüfungen eingegangen? 

    Knieling: „Die schriftlichen Prüfungen basieren auf den Kerncurricula, die der Bund-Länder-Ausschuss für Schulische Arbeit im Ausland (BLASchA) auf der Grundlage der Bildungsstandards der KMK erstellt hat. Die Kerncurricula sind die Grundlage für die Schulcurricula, die zusätzlich zu den vorgeschriebenen Kompetenzen und Inhalten noch landesspezifische Inhalte aufnehmen können. Diese können dann z. B. auch in die mündlichen Prüfungen des Abiturs einfließen. Ich freue mich immer wieder darüber, wie geschickt die Regionen z. B. in den Fächern Chemie und Biologie oder den gesellschaftswissenschaftlichen Fächern die geforderten Kompetenzen auf der Grundlage durchaus regionalspezifischer Themen und Inhalte evaluieren.“ 

    Trifft das auch auf den Bereich Fremdsprachen zu, der an vielen Auslandsschulen nicht unerheblich ist? 

    Knieling: „Ja. Ist Englisch oder Spanisch beispielsweise die Landessprache, so wird diese nach den Vorgaben des BLASchA für die Landessprache unterrichtet und evaluiert, sodass die Schülerinnen und Schüler nicht nur im Fach Deutsch, sondern auch in der Landessprache, die in Deutschland eine Erste oder Zweite Fremdsprache wäre, ein muttersprachliches Niveau erreichen können. 

    In aller Regel haben Absolventinnen und Absolventen der DAS sehr hohe Kompetenzen in mindestens drei Sprachen. Junge Menschen, die als Seiteneinsteigerinnen oder -einsteiger an die DAS mit landessprachigem Unterricht kommen, erhalten binnendifferenziert Unterricht, der dem Fremdsprachenunterricht in Deutschland entspricht, bis sie in den landessprachigen Unterricht integriert werden können. Die Selbstverständlichkeit des multiplen Spracheinsatzes der meisten Schülerinnen und Schüler der DAS ist eine hervorragende Grundlage für die berufliche Zukunft und die Kommunikation in unserer globalisierten Welt.“ 

    Zwischen 1989 und 1995 war Knieling selbst als Auslandslehrkraft in Kairo im Einsatz, Credit: privat

    Die schriftlichen Abiturprüfungen werden auch nach Deutschland geschickt – wie genau läuft das ab? 

    Knieling: „Es handelt sich hierbei um eine Dritt-Durchsicht in Deutschland. Eine Dritt-Korrektur erfolgt nur, wenn es offensichtliche Mängel bei der Erstellung der Gutachten und der Bewertung gibt, wenn diese z. B. nicht kongruent sind. Eine Dritt-Korrektur wird auch vorgenommen, wenn die Erst- und Zweitkorrektur nicht zu einer einheitlichen Punktzahl gelangen konnte.  

    Die Klausuren werden eingescannt und datensicher über die mittlerweile flächendeckend genutzte IT-Plattform, die das Land Mecklenburg-Vorpommern den Ländern bereitstellt, übermittelt. Die Zugriffe sind gezielt regierbar, sodass die Fachberatung in den Ländern nur Zugriff auf „ihr“ Fach hat. Die KMK-Beauftragten legen die Noten der Abiturklausuren endgültig fest.  

    Je nach Größe der Abschlussklassen werden entweder alle Klausuren oder nur eine Auswahl von sehr guten, durchschnittlichen und schwächeren Abiturarbeiten übermittelt. Alle „kritischen” Fälle sowie die Klausuren der Kinder von Botschaftspersonal, Schulpersonal oder der Lehrkräfte sind ebenfalls dabei. All dies ist in den o. g. Richtlinien geregelt. 

    Die KMK-Beauftragten stellen zu Beginn des Schuljahres einen Terminplan auf, der mit den Schulen abgesprochen wird. Dank der Nutzung der IT-Plattform hat sich der „Zeitdruck“ durchaus entspannt, denn noch vor wenigen Jahren mussten die photokopierten Klausuren per Post bzw. UPS oder DHL teuer – und nicht immer 100% zuverlässig – versendet werden. Aber auch der Austausch per UPS hat letztendlich immer funktioniert, ob mit Saint-Germain-en-Laye, Quito, Jerusalem, Lima, Kairo oder Kapstadt.“ 

    Ist ein deutsches Abitur im Ausland ebenso viel „wert” wie eines, das in Deutschland absolviert wurde? Wie wird die Qualität gewährleistet? 

    Knieling: „Wie bereits oben erwähnt, sichert der BLASchA vergleichbare pädagogische Qualitätsstandards weltweit, die einer mittleren Linie der KMK entsprechen. So müssen alle Schulcurricula, alle Stundentafeln und alle zusätzlichen Fächer aller DAS durch Beschlüsse des BLASchA ,abgesegnet´ werden. Sicher bin ich als Fan der DAS befangen, aber ich meine, dass ein Abitur, dass an einer DAS erworben wurde, Erfahrungen einschließt, die neben den vermittelten fachspezifischen Inhalten und Kompetenzen in hohem Maße Mehrsprachigkeit und interkulturelle Kompetenzen vermitteln, die wirklich ein unschätzbares „Nebenprodukt“ der Auslandserfahrung sind. 

    Die regelmäßig bald in ihrem dritten Durchgang durchgeführte „Bund-Länder-Inspektion“ der Schulen evaluiert auch die pädagogische Qualität des Unterrichts und die Abschlüsse an den DAS. Der „Orientierungsrahmen Qualität“ ist die Grundlage für die Schulentwicklung aller DAS. Damit ist ein weltweites System der Qualitätssicherung an den DAS vorhanden, das nur in wenigen Ländern der Bundesrepublik Deutschland in dieser Konsequenz vorgehalten wird.“ 

    Wo wünschen Sie sich mehr Unterstützung oder Änderungen durch die KMK? 

    Knieling: „Das Auslandsschulreferat im Sekretariat der KMK ist die geschäftsführende Instanz des BLASchA. So hat das Sekretariat der KMK z. B. die pandemiebedingten Entscheidungen des BLASchA mit den weiteren Gremien der KMK abgestimmt, um auch weltweit das Abitur in dieser Ausnahmesituation gewährleisten zu können. Die bisher 15 Corona-Schreiben der KMK an die DAS haben, wie man den Rückmeldungen vieler Schulleitungen entnehmen kann, wirklich Sicherheit gegeben, um in dieser schwierigen Zeit flexibel reagieren und die Abschlüsse der KMK (Deutsches Sprachdiplom, die Abschlüsse der Sekundarstufe 1 und das Abitur) vergeben zu können. 

    Jetzt die aktuelle Ausgabe von PROFIL mit dem Schwerpunktthema Auslandsschulen lesen

    Meiner Meinung wird das Sekretariat der KMK und insbesondere das Auslandsschulreferat finanziell und damit personell von den Ländern nicht immer ausreichend unterstützt. Ich würde mir wünschen, dass die Geschäftsstelle des BLASchA mit mehr Personal die wirklich umfangreichen Aufgaben des de facto Kultusministeriums für das Auslandsschulwesen mit noch mehr Woman- bzw. Manpower angehen kann. Die Erstellung z. B. einer Datenbank aller BLASchA-Beschlüsse, die ich mir persönlich wünsche, ist ausgesprochen arbeitsintensiv und daher derzeit unrealistisch. 

    Auf jeden Fall möchte ich betonen, dass der BLASchA dank der Arbeit des Sekretariats der KMK justiziabel und qualitativ den Anforderungen der KMK entsprechend die Welt des Auslandsschulwesens pädagogisch hervorragend betreut.“ 

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