Fremdsprachen lernen international – PISA will ab 2025 Englisch testen

    Chohee Lee (28) hat auf dem Gymnasium in ihrer Heimat, dem PISA-Spitzenreiterland Südkorea, Deutsch gelernt. Englisch wurde dort als erste Fremdsprache unterrichtet. Deutsch ist aber genauso beliebt wie Französisch, Chinesisch oder Japanisch

     

    Fremdsprachen lernen international

    PISA will ab 2025 Englisch testen 

    Von VIKTORIA DÜMER 

    Berlin – Zusammenwachsen, sich austauschen und verstehen: Mit diesem Ziel wird Fremdsprachen-Unterricht an vielen Schulen weltweit besonders gefördert. Aber welches Land ist hierbei am erfolgreichsten? Genau das wollen künftige PISA-Studien herausfinden und in Zukunft auch die Englisch-Fähigkeiten der Schüler testen. 

    „Trotz aller persönlichen, ökonomischen und gesellschaftlichen Vorteile, die Fremdsprachen-Kompetenz mit sich bringt, mangelt es an internationalen Vergleichsdaten, welche Lehransätze am besten funktionieren. Genau diese Lücke will die PISA-Fremdsprachen-Studie füllen“, erklärt Studienleiterin Catalina Covacevich von der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) gegenüber PROFIL. Bislang lag der Schwerpunkt bei PISA auf den Naturwissenschaften, Lesen der Muttersprache und Mathematik. 

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    Ziel sei ab 2025 in den teilnehmenden Ländern die Bereiche Lesen, Sprechen und Hörverständnis in der englischen Sprache zu testen, so Covacevich. 

    Pilot-Test erfolgreich abgeschlossen 

    Die Vorbereitungen laufen bereits auf Hochtouren: Im Rahmen von PISA 2022 waren die Teilnehmerstaaten im Anschluss an einen Feld-Test 2021 dazu eingeladen, eine Pilottestung des Tests für Foreign Language Assessment Englisch (kurz FLA) durchzuführen.  

    „Um die Belastung der Schülerinnen und Schüler durch den PISA-Feldtest während der COVID-19 Pandemie in Deutschland zu minimieren, beteiligte sich das National Center in Deutschland mit einer hausinternen Experimentalstudie an der FLA Pilotstudie, bei der die technische Umsetzung des Tests erprobt wurde. Diese Prüfung fiel positiv aus“, berichtet Dr. Jennifer Diedrich-Rust, stellvertretende Leiterin des PISA National Center an der Technischen Universität München.  

    Auch die anderen teilnehmenden Staaten – Kolumbien, Russland, Schweiz und Spanien – hätten eine positive Bilanz gezogen, weshalb nun international die Erfassung der Fremdsprachenkompetenz in Englisch als Zusatzdomäne in PISA 2025 weiter vorbereitet werde. 

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    Studie zeigt: So unterschiedlich sind Lehrpläne 

    Über die Notwendigkeit der Erforschung von Lehrplänen sprach PROFIL auch mit Dr. Alice Gruber vom Zentrum für Studium und Lehre der Hochschule Heilbronn. Im März hat sie, gemeinsam mit ihrem britischen Kollegen Oliver Hopwood, eine vergleichende Lehrplananalyse für Französisch in Nordrhein-Westfalen und England veröffentlicht.  

    Ihre Studie zeigt, wie verschieden die Ansätze sein können und welche Folgen das haben kann: „Wir haben vor allem große Unterschiede zwischen den Lehrplänen festgestellt: England hält an einer instrumentellen und transaktionalen Tradition des Sprachenlernens fest, während der Kernlernplan in Deutschland eine ganzheitliche, humanistische Bildung mit einer weitaus differenzierteren Konzeption des interkulturellen Lernens vorsieht.“ Während in Deutschland die interkulturelle kommunikative Kompetenz im Vordergrund stünde und sich der Lehrplan ganz klar am Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen orientiere, werde in England ein strukturalistischer Ansatz verfolgt und der gemeinsame Europäische Referenzrahmen völlig ignoriert, so die Expertin.   

    „Meine vergleichende Studie von 2012 zu den schriftlichen Französischkompetenzen zeigte, dass die deutschen Schülerinnen und Schüler hinsichtlich Sprachrichtigkeit, Wortschatzumfang und Inhalt besser abschnitten als die englischen Schülerinnen und Schüler. Die englischen Schülerinnen und Schüler schnitten aber bezüglich der syntaktischen Komplexität und der Wortschatzvielfalt besser ab, weil sie im Unterricht diesbezüglich gedrillt werden, damit sie in den nationalen Abschlussprüfungen bessere Noten bekommen. Das kann dazu führen, dass sich Schülerinnen und Schüler vor allem auf auswendig gelernte Chunks konzentrieren. Authentische und spontane Kommunikation ist aber unter diesen Voraussetzungen oft nicht möglich.“ Neue Vergleichsstudien, zum Beispiel auch im Bereich Mündlichkeit, seien wünschenswert.  

    Nimmt Deutschland teil? 

    PISA steht Gruber skeptisch gegenüber, beispielsweise wegen der Art und Weise, wie die Daten interpretiert werden. Aber: „In der Vergangenheit wurde in Deutschland auf das schlechte Abschneiden reagiert, indem Bildungsstandards eingeführt wurden, was aus meiner Sicht positiv bewertet werden kann. Ein Vorteil ist meines Erachtens, dass, unabhängig von den Ergebnissen, durch PISA-Studien die Diskussion um die Verbesserung des Fremdsprachenunterrichts immer wieder angeregt wird.“ 

    Noch ist allerdings unklar, ob Deutschland ab 2025 an der Zusatzerhebung in Englisch teilnehmen wird. Darüber beraten aktuell die Kultusministerien; eine Entscheidung wird in den kommenden Monaten erwartet. 

    „Stimmen die Bundesländer zu, so werden je Schule einige Schülerinnen und Schüler zusätzlich zur normalen PISA-Stichprobe gezogen. Diese bearbeiten gleichzeitig zu ihren Mitschülerinnen und Mitschülern Aufgaben zu FLA sowie zur Lesekompetenz nicht aber zur mathematischen und naturwissenschaftlichen Kompetenz“, erklärt Jennifer Diedrich-Rust. „Zudem geben sie, ihre Schulleiterin oder ihr Schulleiter, ihre Lehrkräfte und Eltern Auskunft über das Umfeld, in dem sie Englisch lernen.“ 

    Ob eine Schülerin oder ein Schüler aus der PISA-Stichprobe Aufgaben zu FLA oder den anderen Domänen bekommt, werde automatisiert per Zufall zugeteilt. Diedrich-Rust: „Deutschland hat sein vorläufiges Interesse an der Erfassung der Fremdsprachenkompetenz in Englisch bekundet. Die nationale Projektleitung von PISA am Zentrum für Internationale Bildungsvergleichsstudien würde eine Teilnahme Deutschlands sehr begrüßen.“ 

     

     

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