von Karolina Pajdak
Freiburg/Berlin – Sie sind in vielen Städten zu sehen, sie bringen zum Nachdenken, machen aufmerksam auf die Schicksale von tausenden Verfolgten während der NS-Zeit. Auch in St. Blasien, einer kleinen Stadt im Landkreis Waldshut (Baden-Württemberg), gibt es seit vergangenem Jahr Stolpersteine mit den Namen von Menschen, die während der Nazidiktatur ihre Heimatstadt verlassen mussten. Initiiert haben diese Gedenksteine Schülerinnen und Schüler des Kollegs St. Blasien. Im Rahmen eines Seminarkurses in Klassenstufe 11 hatten die Gymnasiallehrkräfte Alena Bauer (31, Englisch und katholische Religion) und Johannes Heitmann (32, Geschichte und Deutsch) die Idee, sich intensiv mit Erinnerungskultur zu beschäftigen. »Stolpersteine gibt es in Freiburg viele, aber in St. Blasien gab es keine«, erklärt Heitmann. »Also wollten wir gemeinsam mit den Schülerinnen und Schülern herausfinden, welche Personen in St. Blasien verfolgt wurden.«
Anstoß kam aus den USA
Anstoß zu dem Projekt hatte die Tochter einer jüdischen Familie, die St. Blasien während der Nazi-Herrschaft verlassen musste, gegeben. Aus den USA war sie in den Südschwarzwald gereist, um zu sehen, wo ihre Angehörigen früher gelebt hatten. Und sie musste feststellen: Nichts erinnerte an sie. »Wir sind mit den Schülerinnen und Schülern dann in verschiedene Archive gegangen, sie haben viele Gespräche mit den Leuten vor Ort geführt und so nach und nach Puzzleteile zusammengesetzt und Personen ausfindig gemacht, die fliehen mussten«, erklärt Alena Bauer. Die Leitfrage der Lehrkräfte dabei: Wie funktioniert gelungenes Erinnern? Dafür haben die Schülerinnen und Schüler sogar eigene Kriterien aufgestellt, zum Beispiel: Der Fokus soll immer auf denen liegen, an die erinnert werden soll. Der Wille der Angehörigen ist entscheidend. Erinnerung muss vielfältig und digital sein.
Antisemitismus entlarven
Auch mit dem Thema Antisemitismus hat sich der Seminarkurs auseinandergesetzt. Sätze wie »Die sind nicht geflohen, die hatten aber so viel Geld, dass sie es sich leisten konnten, woanders hinzuziehen«, wissen die Schülerinnen und Schüler nun einzuordnen und vor allem zu kontern.
Monatelang haben die Schülerinnen und Schüler also recherchiert, haben mit Angehörigen in den USA, in England oder Kanada gesprochen. »Für mich als Englischlehrerin war es wunderbar zu sehen, wie die Schülerinnen und Schüler auf Englisch ihre Interviews geführt haben«, erinnert sich Alena Bauer stolz. Das Ende des Seminars: Weit mehr als eine Hausarbeit und ein Referat. Es folgte nicht nur die Stolpersteinverlegung, sondern auch eine Ausstellung, ein digitales Gedenkbuch sowie eine sehr intensive Zusammenarbeit mit der Lokalpresse. »Was bleibt für die Schülerinnen und Schüler, ist das Gefühl, ihren Schulort mitgestaltet und verändert zu haben«, erklärt Johannes Heitmann. »Sie haben Rechercheleistungen erbracht, wie man sie auch an der Universität erbringt. Sie haben sich intensiv mit Erinnerungskultur auseinandergesetzt und sehr individuell ihre Talente eingesetzt.«