PhV BW zum Thema G9: Fehlende Weitsicht im Kultusministerium

    Sparmodus bei den Überlegungen zu einem neuen G9-Gymnasium? Sowohl die Bürgerinitiative „G9 jetzt!“ als auch das Bürgerforum zeigen: Nicht nur Eltern warten auf die Einführung eines in die Zukunft gewandten G9. Die Planungen im baden-württembergischen Kultusministerium (KM) scheinen dazu aber nur im Schneckentempo voranzukommen. Das überrascht den Verband der gymnasialen Lehrkräfte, nicht zuletzt, weil der Philologenverband Baden-Württemberg (PhV BW) dem KM längst ein durchdachtes InNOVAtionsgymnasium G9 vorgestellt hat!

    Martina Scherer, stellvertretende Vorsitzende des PhV BW, erläutert: „Natürlich kann es nicht einfach um die Einführung eines um ein Jahr gedehnten G8 gehen. Das Ziel, den Jugendlichen die besten Startchancen für Studium und Beruf mitzugeben, erfordert heute die Qualifikationen des 21. Jahrhunderts, dazu gehören die „4 K“ (Kommunikation, Kollaboration, Kreativität und Kritisches Denken). Diese Kompetenzen kann aber nicht erwerben, wer keine breite und vertiefte Allgemeinbildung hat.“

    Heranwachsende für ihren Lebensweg gut aufzustellen hat aus Sicht des PhV BW folgende Dinge als Voraussetzung:
    – Fachlichkeit in einem ausgeglichenen Fächerkanon,
    – Wissenschaftsorientierung,
    – gezielte Digitalisierung sowie
    – interkulturelle, historische und politische Bildung.
    – Außerunterrichtliche Angebote und eine gute Klassengemeinschaft sollen soziale Fähigkeiten entwickeln helfen. Auch dafür müssen die durch G9 gewonnenen Freiräume Möglichkeiten vorsehen.

    „Deshalb sieht unser Konzept vor, die Stundenzahl im Vergleich zu G8 wieder zu erhöhen, damit neun Schuljahre auch gymnasial gefüllt werden. Entsprechend der kindlichen Belastungsfähigkeit wird eine sinnvolle Progression in der Anhebung der Wochenstundenzahl im Lauf der Schuljahre angestrebt. Kein Fach soll weniger Stunden haben als im bisherigen G8-Konzept“, macht Karin Fetzner, stellvertretende Vorsitzende des PhV BW, deutlich.

    Professioneller Fachunterricht muss in allen Schuljahren das Herzstück gymnasialer Bildung sein. Dies bedeutet, in der Unterstufe zunächst einen Fokus auf die Kernfächer zu legen. Aber auch methodische Fähigkeiten wie „Lernen lernen“ schaffen eine wichtige Grundlage für die folgenden Jahre und für einen breiten Fächerkanon.

    Ein Zurück zu einem reinen Halbtagsgymnasium wird nicht angestrebt, da Kinder und Jugendliche neben dem Fachunterricht weitere Angebote benötigen, damit unterschiedliche Elternhäuser und Fördermöglichkeiten privater Natur sich weniger bemerkbar machen. Bildungsgerechtigkeit braucht Bildung!

    Arbeitsgemeinschaften müssen weiterhin das schulische Angebot bereichern und sind Teil eines ganzheitlichen Bildungsansatzes. Klassenstufenübergreifend werden Schulsanitäterinnen, Schauspieler, Sportlerinnen und Musiker qualifiziert sowie viele Talente entdeckt und gefördert.
    Innovatives Denken kann in aktives Handeln münden. Engagement trifft auf Anerkennung. Dies ist eine wichtige zivilgesellschaftliche Erfahrung, die Schule als Mikrokosmos der Gesellschaft ermöglichen muss.

    Der Vorschlag des PhV BW für eine G9-Stundentafel sieht vor, die Kernfächer mit mehr Stunden auszustatten. Kernfächer, z. B. Deutsch und Mathematik, können so die Grundlagen für andere Fächer legen. Dadurch können Förderstunden („Poolstunden“) entfallen – ebenso wie für Eltern teure Nachhilfemaßnahmen. Grundlegend dafür ist eine verbindlichere Grundschulempfehlung als bislang.

    Klassenlehrerstunden für soziales Lernen, Persönlichkeitsentwicklung und „Lernen lernen“ helfen, von Anfang an eine angstfreie Atmosphäre zu etablieren, in der Lernen für alle möglich ist. Dies sind auch die einzigen „Poolstunden“, die in die Stundentafel aufgenommen wurden. Das bedeutet, dass diese Stundentafel auch den tatsächlichen Bedarf deutlich macht.

    Künstliche Fachverbünde wie „Biologie, Naturphänomene und Technik“ (BNT) sollen aufgelöst werden, da im Fachunterricht die beste Wissensvermittlung möglich ist.

    Gesellschaftswissenschaften sollen nicht zuletzt mit Blick auf unsere Demokratie und das in Baden-Württemberg neu etablierte Wahlrecht ab 16 Jahren gestärkt werden. Informatik soll in den Fächerkanon integriert werden.

    Die Bildungslandschaft in Baden-Württemberg braucht ein allgemeinbildendes Gymnasium, das viele Anforderungen zugleich erfüllen kann. G9 ist ein zentraler Baustein. Zentral ist aber die gute Umsetzung von G9: Bildungsgerechtigkeit braucht Ressourcen, ist aber zugleich selbst Ressource für unser Land. Das sollte auch bei der Aufstellung des Staatshaushalts berücksichtigt werden. Eine G9-Sparversion würde zeigen, dass die Politik das Land der Tüftler und Denker aufgegeben hat.

    Weitere Informationen und die Stundentafel siehe:

    Konzept des PhV BW für ein InNOVAtionsgymnasium G9
    PhV-G9-Vorschlag mit Informatik

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