Zur Kritik an der Unterrichtsversorgung in Flächenkreisen, die die Landräte aus Stade und Cuxhaven in ihrem Brandbrief an Frau Hamburg adressiert haben, pflichtet der Vorsitzende des Philologenverbandes Niedersachsen, Dr. Christoph Rabbow, bei und verschärft diese:
„Die Lage, die die beiden Landräte in ihrem Brandbrief an Ministerin Julia Willie Hamburg schildern, ist in Wahrheit noch viel dramatischer. An vielen Schulen unterschreitet die Unterrichtsversorgung die 90 Prozentmarke deutlich und führt zu massiven Ausfällen. Seit Jahren wurde diese Entwicklung verschlafen, es wurden keine Maßnahmen ergriffen. Frau Hamburg tut es ihren Vorgängerinnen und Vorgängern gleich und sitzt das Problem aus, statt den Flächenbrand in unserer Bildungslandschaft endlich zu löschen. Wir benötigen dringend fundiert ausgebildete Lehrkräfte und zwar flächendeckend! Was nützt Stader oder Cuxhavener Schülerinnen und Schülern eine bessere Unterrichtsversorgung in Hannover, Osnabrück oder Braunschweig?
Niedersachsen ist ein Flächenland und die schlechte Unterrichtsversorgung in den ländlichen Regionen muss sich Frau Hamburg schon ankreiden lassen. Wenn das Ministerium erklärt, dass kein Zwang ausgeübt werden könne, weil die freie Wahl der Ausbildungsstätte gelte und es zudem als Anreiz Umzugsprämien für schlechter versorgte Regionen gäbe, die allerdings keine Akzeptanz finden, dann ist das eine Kapitulation vor der eigentlichen Problematik, nämlich genügend Lehrkräfte für das gesamte Land – von Cuxhaven bis Göttingen und von Neuenhaus bis Dannenberg – zu generieren.
Um junge Menschen für den Lehrberuf zu gewinnen, müsste man zuallererst die Rahmenbedingungen verbessern. Dazu gehören neben gut ausgestatteten Schulen auch noch leistbare Arbeitsbedingungen und keine Placebos wie Umzugsprämien oder Dialogforen zu Freiraumprozessen. Nicht nur die Landkreise Stade und Cuxhaven zeigen, wir brauchen jetzt Verbesserungen vor Ort, damit unsere Schülerinnen und Schüler nicht die Leidtragenden sind.
Es bräuchte endlich ein klares Konzept, um den auf dem Tisch liegenden Fakten des hausgemachten Lehrermangels zu begegnen. Der von den rot-grünen Fraktionen beabsichtigte Entschließungsantrag zur Einführung des Einheitslehramts, der demnächst im Landtag eingereicht werden soll, wird die Problematik mittelfristig verstetigen und langfristig verschärfen. Und auch der von Frau Ministerin im Januar verkündete „Weg der 1000 Schritte“, der die Unterrichtsversorgung um lediglich 0,6 Prozent innerhalb eines Schuljahres erhöhen konnte, scheint ungeeignet, um mit größeren Schritten voranzukommen. Wenn das Ministerium in diesem Tempo weitermacht, brauchen wir keine weiteren Gedanken auf zukünftige Ergebnisse bei Leistungsstudien wie PISA oder IGLU zu verschwenden. Man muss Leistung aber auch wollen und dafür muss man was tun. Die Uhr tickt, uns läuft die Zeit davon: Frau Hamburg, handeln Sie endlich!“