So kompliziert ist der Bundeslandwechsel für Lehrkräfte wirklich

    Von Karolina Pajdak

    München/Kiel – Für Christiane Vetter (35) war das vergangene Jahr das Jahr der großen Wechsel – sie wechselte ihren Namen (und heißt jetzt Borchert), sie wechselte die Schule, an der sie unterrichtet hat und sie wechselte schließlich auch das Bundesland. Der Grund dafür? Im Sommer 2023 hat die ehemalige kommissarische Vorsitzende der Jungen Philologen in Schleswig-Holstein den Vorsitzenden der Jungen Philologen in Bayern, Quirin Borchert (29), geheiratet. Erst standesamtlich im Norden, dann kirchlich im Süden. Gefunkt hatte es zwischen den beiden auf der Frühjahrstagung der Jungen Philologen in Leipzig 2022. Stundenlang tauschten sie sich dort über Verbandspositionen und Verbandsprojekte aus. Schnell war klar, dass sie mehr verband als die Liebe zu den Philologen.

    Christiane Borchert (Foto: Marlene Gawrisch)

    „Wir teilen die gleichen Werte und haben ziemlich ähnliche Vorstellungen davon, wie wir leben wollen, aber auch, wie guter Unterricht funktionieren soll”, erzählt Christiane Borchert. Und genauso schnell war klar: Die Lehrerin aus Kiel, die an einem Gymnasium in Norderstedt Deutsch und Wirtschaft & Politik unterrichtet, will den Wechsel nach Bayern wagen, wo Quirin Borchert Deutsch und Religion unterrichtet. Ihr erster Weg: das Ländertauschverfahren. Doch dafür kam ziemlich schnell eine Absage. „Das hatten wir tatsächlich auch so erwartet, weil wir zu dem Zeitpunkt noch gar keine Sozialfaktoren vorweisen konnten”, erinnert sich Christiane Borchert.

    Am Freitag in Schleswig-Holstein, am Montag in Bayern

    In Schleswig-Holstein war Borchert auf Lebenszeit verbeamtet. „Natürlich wollte ich wissen, was mit meinen Bezügen passiert, und natürlich wäre ich nicht umgezogen, wenn ich in Bayern keine adäquate Arbeit gefunden hätte”, erinnert sie sich. Nach der Absage aus dem Ländertauschverfahren nahm sie an dem Verfahren „Freie Bewerbungen” teil, reichte ihre Unterlagen mit der Angabe von Wunschorten direkt beim Freistaat Bayern ein. „Dieses Verfahren ist von Bundesland zu Bundesland sehr verschieden. Ich habe im Vorfeld ziemlich viel recherchiert”, erklärt Borchert. Als sie kurz vor Schuljahresende schon dachte, dass der Wechsel nicht klappen würde, kam doch eine Zusage. Christiane Borchert: „Die schriftliche Bestätigung, dass ich wirklich versetzt werde, habe ich eine Woche vor Schuljahresbeginn in Bayern bekommen. Ich habe am Freitag noch in Norderstedt unterrichtet und am Montag in Bayern angefangen.”

    Keine Behörden-Unterstützung

    „Kompliziert”, so beurteilt auch der Ralph Hartung vom Hessischen Philologenverband (hphv) den Bundeslandwechsel von verbeamteten Lehrkräften. Der Grund dafür: Die Schulbehörden haben kaum Interesse daran, beim Bundeslandwechsel zu unterstützen. „Bei dem aktuell herrschenden Lehrkräftemangel ist natürlich jedes Bundesland froh über die Lehrkräfte, die es zur Verfügung hat, und möchte keine verlieren.” Schwierig, so Hartung, sei es auch, erst einmal einen Überblick zu bekommen, wie die Strukturen in den anderen Bundesländern überhaupt funktionieren. „In Hessen gibt es 15 Schulämter, die aufnehmen, in Bayern nur eines”, erklärt er die Problematik beispielhaft. Hartung, selbst Schulleiter an einem Gymnasium in Hessen, empfiehlt Lehrkräften, die das Bundesland wechseln wollen, unbedingt selbst aktiv zu werden. Hartung: „Wer wechseln will, der kommt nicht darum herum, in dem gewünschten Bundesland die Türklinken zu putzen. Hat man erst einmal einen Schulleiter oder eine Schulleiterin gefunden, die aufnehmen würden, ist schon alles sehr viel einfacher.”

    Dr. Thomas Knoblauch, Vorsitzender des berufspolitischen Ausschusses des DPhV, warnt außerdem davor, zu viel Hoffnungen in das Ländertauschverfahren zu setzen, an dem inzwischen gar nicht mehr alle Bundesländer teilnehmen. „Das Tauschverfahren ist für die Länder auch ein finanzielles Problem, denn nicht nur die Lehrkraft muss übernommen werden, sondern auch ihre Pensionsansprüche. Es rechnet sich also gar nicht, einen 55-Jährigen zu übernehmen, der noch zehn Jahre arbeitet und dann für vielleicht 20 Jahre Pension bezieht”, erklärt er. Auch seien die Gründe, warum eine Lehrkraft in ein anderes Bundesland wechseln möchte, nicht gegeneinander abzuwägen. Knoblauch: „Familienzusammenführung reicht längst nicht aus, um einen Platz im Tauschverfahren zu bekommen.”

    DPhV will Lehrerberuf attraktiv gestalten

    Die Bundesvorsitzende des Deutschen Philologenverbandes, Prof. Dr. Susanne Lin-Klitzing, ist sich sicher, dass ein vereinfachter Bundeslandwechsel für Lehrkräfte ein wichtiges Thema sein wird. „Wir müssen dafür sorgen, dass der Beruf der Lehrerin und des Lehrers attraktiv bleibt. Wir werden es schwer haben, Nachwuchs zu finden, wenn wir den jungen Leuten, die alle mobil sein wollen, vermitteln: Wenn du dich in Brandenburg verbeamten lässt, kommst du dort nicht mehr weg.”

    Für Christiane Borchert und ihren Ehemann Quirin ist auf den letzten Drücker noch alles gut gegangen. „Ich habe nicht nur das Bundesland gewechselt, sondern eine komplette schulische Welt”, fasst sie das Erlebte zusammen. „In Bayern werden Leistungsnachweise in vielen Punkten grundlegend anders erbracht als in Schleswig-Holstein, wo beispielsweise das Mündliche etwas stärker gewichtet wird als das Schriftliche.” Eins aber ist für die gebürtige Kielerin auch im Großraum München gleichgeblieben: „Die Schülerinnen und Schüler sind genauso lieb und genauso frech wie überall.”

    +++

    Julius Jung: So hat der Bundeslandwechsel bei mir geklappt

    Hamburg – Jetzt ist er stellvertretender Schulleiter am Hamburger Gymnasium “Christianeum”, doch angefangen hat der Vize-Vorsitzende der Hamburger Lehrergewerkschaften in einem ganz anderen Bundesland. PROFIL wollte wissen: Wie hat der Wechsel bei Ihnen geklappt, Julius Jung?

    Julius Jung (40) wechselte aus Rheinland-Pfalz nach Hamburg (Foto: Marlene Gawrisch)

    Profil: Wo haben Sie unterrichtet, bevor Sie nach Hamburg gekommen sind?

    Julius Jung: Am Hannah-Arendt-Gymnasium in Haßloch (Rheinland-Pfalz).

    Profil: Wie haben Sie den Wechsel vorbereitet?

    Julius Jung: Ich habe das langfristig geplant und am Ländertauschverfahren teilgenommen. Ich habe aber nicht nur auf das Verfahren gesetzt, sondern alle Freigaben (für Ländertausch, für Wechsel im Bundesland, für Wechsel innerhalb des Aufsichtsbezirkes) beim Schulleiter bzw. der Schulaufsicht beantragt und genehmigt bekommen. Ich habe auch den Wechselantrag in mehrere Bundesländer (diese sind im Antrag zu hierarchisieren) ins Auge gefasst, weil das die Wahrscheinlichkeit eines erfolgreichen Wechsels erhöht, konkret hatte ich einen Wechsel nach Hamburg oder Hessen beantragt.

    Profil: Und wie hat der Bundeslandwechsel am Ende geklappt?

    Julius Jung: Ich habe mehr als 50 Initiativbewerbungen an Gymnasien geschrieben und so gab es gleich beim ersten Versuch im Ländertauschverfahren in jedem Bundesland eine Schulleitung, die Interesse hatte und dies auch an die zuständige Behörde weitergegeben hat.

    +++

    3 Tipps zum Bundeslandwechsel

    Werden Sie aktiv! Sprechen Sie Schulleitungen in dem Bundesland, in das Sie wechseln möchten, konkret an. Haben Sie vielleicht eine eher seltene Fächerkombination? Wenn Sie einen Schulleiter oder eine Schulleiterin finden, die diese dann bei der Behörde auch anfordert, stehen Ihre Chancen gut, dass Sie diese Stelle bekommen!

    Wenden Sie sich an Ihren Philologenverband! Sprechen Sie Vorstand und Mitglieder in dem neuen Landesverband an. Sicher werden Sie dort jemanden finden, der weiterhelfen kann! Wenden Sie sich auch an Ihren Philologenverbandsvertreter im Personalrat und schildern Sie Ihr Anliegen!

    Scheuen Sie nicht vor Bewerbungen auf ein höheres Amt zurück! Der Aufstieg darf Ihnen nicht verwehrt werden. Hier ist keine Freigabe durch den Dienstherrn notwendig.

    Nach oben