Interkulturalität, Integration und Mehrsprachigkeit

    von Rolf Knieling

    Im Sommer 2023 verabschiedete sich der Leiter der Deutschen Internationalen Schule Johannesburg, Thomas Bachmeier, von seinen etwa 1000 Schülerinnen und Schülern, von Vorschule bis Abschlussklasse, in der Aula der Schule. Es war eine ausgesprochen vergnügliche Veranstaltung, für die ausnahmsweise zwei Stunden Unterricht geopfert wurde, mit Beiträgen aller Schulstufen, der Prefects, des Reinigungspersonals, der Verwaltung und des Kollegiums. Abends gab es eine offizielle Verabschiedung in Anwesenheit des deutschen Botschafters, S. E. Herrn Andreas Peschke, Vertreterinnen und Vertreter der deutschen Kulturmittler und der Kirchen, der Mitglieder des Schulvorstands, langjähriger Wegbegleiter aus der Schule und ihres Umfelds sowie einiger Überraschungsgäste für Schulleiter Bachmeier, so unter anderem auch der Auslandsschulreferent des DPhV, Rolf Knieling. Seit Jahren unterhält der DPhV engere Beziehungen zu den Deutschen Schulen in Südafrika. Auch die Nachfolgerin von Thomas Bachmeier, Priska Döring, hatte die Gelegenheit, die Festgemeinde zu begrüßen.

    Ein unvergleichlicher Ausblick aus dem Büro der Schulleitung an der Deutschen Schule in Kapstadt, auf Tafelberg und Atlantik. (Foto: Rolf Knieling)

    Als Mitglied im Bund-Länder-Ausschuss für Schulische Arbeit im Ausland (BLASchA) der Kultusministerkonferenz (KMK) hatte der heutige Auslandsschulreferent des DPhV von 2017 bis 2021 das Privileg, u. a. für die Qualitätssicherung der Abschlüsse der KMK an den vier Deutschen Schulen im Südlichen Afrika verantwortlich zu sein. An allen vier Schulen legen Schülerinnen und Schüler neben den nationalen Abschlüssen auch das Deutsche Internationale Abitur, die Mittleren Schulabschlüsse und das Deutsche Sprachdiplom der Stufen I und II jeweils im Herbst eines Jahres ab. Es handelt sich um die Deutschen Internationalen Schulen Johannesburg, Kapstadt und Pretoria sowie die Deutsche Höhere Privatschule Windhoek. Seit 2009 erlaubt ein Abkommen zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Südafrika den Schülerinnen und Schüler der drei südafrikanischen Schulen, mit einer Kombination des National Senior Certificate (NSC) und des Deutschen Internationalen Abiturs (DIA) abzuschließen.

    Neben Thomas Bachmeier werden auch Kristin Eichholz (Deutsche Höhere Privatschule Windhoek) und Alexander Kirmse (Deutsche Internationale Schule Kapstadt) nach Deutschland zurückkehren. Alle drei haben neun Jahre lang mit Erfolg und großem Einsatz ihre Schulen geleitet. Das neunte Jahr der Beurlaubung war möglich, um den Übergang von Online-Unterricht und der Corona-Ausnahmesituation zum regulären Schulalltag reibungslos zu gewährleisten. Der Wechsel an der Deutschen Internationalen Schule Pretoria hat schon ein Jahr zuvor stattgefunden, sie wird nun von Manuel Haß geleitet. Nur wenige Leiterinnen und Leiter Deutscher Auslandsschulen nutzen die gesamte reguläre Vermittlungsdauer (6 plus 2 Jahre). Trotz aller grundsätzlicher Freude an der Leitung der Schule und der Arbeit mit den jungen Menschen waren während der vergangenen 9 Jahre etliche Hürden zu überwinden. Die Gründe dafür sind mannigfaltig. Man muss den scheidenden Leitungspersonen großen Respekt zollen, diese Herausforderungen erfolgreich gemeistert zu haben.

    Die symbolische Schlüsselübergabe von Schulleiter Thomas Bachmeier an seine Nachfolgerin an der Deutschen Internationalen Schule Johannesburg, Priska Döring. (Foto: Rolf Knieling)

    Die vier Deutschen Schulen im Südlichen Afrika haben eine Geschichte, die bis ins 19. Jahrhundert zurückgeht. Alle Schulen wurden von deutschen evangelischen Gemeinden gegründet und hatten zunächst eine rein deutschstämmige Klientel. Die wechselhafte Geschichte von Namibia und Südafrika ist hinlänglich bekannt. Auch viele Jahre nach dem Ende der Apartheid stellen sich die Deutschen Schulen immer wieder den Herausforderungen, die dieses Erbe mit sich bringt, selbst wenn Integration bereits vor dem Ende der Apartheid an allen Schulen Programm und eindeutige Botschaft der Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik war. Schon zu Beginn der 80er-Jahre begann die Öffnung der Schulen für Schülerinnen und Schüler jeglicher Herkunft und sozialer Stellung, sodass auch Kindern aus den Townships die Möglichkeit des Besuchs der kostenpflichtigen Deutschen Schulen im Ausland eröffnet wurde.

    In den letzten Jahren wurden die Schulen integrativer, auch in Bezug auf das Lehrpersonal. Die rein deutschsprachigen Klassen werden frühzeitiger durchmischt, um es auch den nicht-deutschmuttersprachlichen Kindern zu erleichtern, das Abitur bzw. den kombinierten Abschluss zu absolvieren. Das Deutsche Sprachdiplom bleibt aber weiterhin eine Alternative für junge Menschen, die den einheimischen Abschluss bzw. seit 2019 in Windhoek die Cambridge-Prüfungen ablegen wollen. Mittlerweile eröffnen alle Deutschen Schulen im Südlichen Afrika Kindern die Möglichkeit einer kontinuierlichen Bildungsbiografie, von Kindergarten über Vorschule, Grundschule und Sekundarstufe bis zu den Abschlussklassen, aber auch die Option des Seiteneinstiegs in der Sekundarstufe, gepaart mit intensivem Deutschunterricht. Gleichzeitig sichern sie aufgrund der vom BLASchA genehmigten KMK-konformen Curricula die schulische Bildung deutschsprachiger Kinder von Expatriates, die oft nur wenige Jahre im Land sind. Die Übergänge von deutschen Schulen im Inland an Deutsche Auslandsschulen und umgekehrt sind in der Regel aus schulischer Sicht unproblematisch. Dafür sorgt der BLASchA. Der Wechsel in ein neues Umfeld ist für die betroffenen Kinder und Jugendlichen, aber auch die Erwachsenen, insgesamt nicht immer ganz einfach. Letztendlich überwiegen aber in aller Regel die positiven Aspekte der im Ausland gewonnenen Erfahrungen.

    Das Gebäude der Deutschen Internationalen Schule Johannesburg. (Foto: Rolf Knieling)

    Alle Schulen im Südlichen Afrika sind herausragende Institutionen, die mittlerweile über Fachräume und Sportanlagen ersten Ranges verfügen, deren gepflegte großzügige Schulgelände und Schulgebäude aufgrund ihrer anderen Finanzierung den meisten Schulen in Deutschland den Rang ablaufen würden. Sie entwickeln sich in allen Bereichen kontinuierlich gezielt weiter und sie schließen entsprechende „Fördervereinbarungen“ mit der Zentralstelle für das Auslandsschulwesen im Bundesamt für Auswärtige Angelegenheiten (ZfA) ab. Die „Bund-Länder-Inspektion“ der ZfA hat allen vier Schulen den Status einer „exzellenten Deutschen Auslandschule“ bereits im zweiten Durchgang der Zertifizierung verliehen. Der dritte Durchlauf steht bevor. 2016 wurde die Deutsche Internationale Schule Johannesburg zur „Besten Deutschen Schule außerhalb Deutschlands“ gekürt.

    Johannesburg, Kapstadt, Pretoria und Windhoek liegen allesamt im Südlichen Afrika, sind aber aufgrund ihrer Geschichte, ihrer Wirtschaft, ihrer Bevölkerung, ihres sozialen Lebens und ihrer geografischen Lage sehr unterschiedliche Orte. Das prägt den Charakter der Schulen. Auch wenn ich alle Schulen gut kenne, würde ich mir nicht anmaßen ein „Ranking“ aufzustellen, es sei denn, dass der Ausblick aus dem Büro der Schulleitung das Kriterium wäre: Welcher Schulleiter, welche Schulleiterin hat einen vergleichbaren Blick wie Herr Kirmse ihn in Kapstadt hatte, nämlich auf Tafelberg und Atlantik zugleich? An welcher der vier Schulen man auch immer arbeiten darf: Es ist ein Privileg, dort neue Erfahrungen insbesondere in Bezug auf Interkulturalität, Integration und Mehrsprachigkeit zu sammeln. Bei der Rückkehr nach Deutschland wird man vieles mit anderen Augen sehen und seine Erfahrungen entsprechend nutzen können.

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