PhV NRW: Immer mehr Lehrkräfte nutzen ChatGPT & Co. im Unterricht

    • KI-Nutzung hat sich innerhalb eines Jahres mehr als verdoppelt
    • PhV-Umfrage belegt Skepsis und Offenheit gleichermaßen
    • Landesregierung muss rechtliche Vorgaben zur Nutzung liefern

    Düsseldorf, 25. Januar 2024. Fast die Hälfte aller Lehrerinnen und Lehrer an Gymnasien und Gesamtschulen in Nordrhein-Westfalen nutzt mittlerweile generative KI-Systeme wie ChatGPT für ihre Arbeit. Das belegt eine aktuelle Umfrage unter Lehrkräften des nordrhein-westfälischen Philologenverbandes (PhV NRW). 48 Prozent der Befragten gibt demnach an, KI-Systeme zu verwenden. Bei einer entsprechenden PhV-Umfrage im vorigen Jahr war die Skepsis noch deutlich größer. Seinerzeit nutzten 22% der Lehrkräfte entsprechende Anwendungen regelmäßig für ihren Unterricht; 33 Prozent lehnten die Nutzung ab oder nutzten die Programme „noch nicht“ (45%).

    Die Bedenken gegenüber dem Einsatz sind zwar kleiner geworden, dennoch gaben 52% der Befragten an, KI nicht zu nutzen. 853 Lehrerinnen und Lehrer haben sich an der Online-Befragung beteiligt. Der PhV ist der erste Lehrerverband, der seine Mitglieder systematisch zu KI-Systemen in Schule und Unterricht befragt hat. „Unsere Umfrage zeigt, dass viele Kolleginnen und Kollegen neuen Technologien aufgeschlossen gegenüberstehen“, sagt Sabine Mistler, Landesvorsitzende des PhV NRW. „Klar ist aber auch, dass Lehrerinnen und Lehrer immer im Mittelpunkt des pädagogischen und fachlichen Handelns stehen. Eine KI kann sie niemals ersetzen.“

    Das Lebensalter spielt bei Nutzung und Akzeptanz von Künstlicher Intelligenz offenbar eine große Rolle, denn mit zunehmenden Jahren sinkt die Verwendungsbereitschaft. Von der Gruppe der bis 35-Jährigen geben 66 Prozent an, dass sie KI-Systeme für ihre Tätigkeit als Lehrkraft nutzen. Bei den 55-Jährigen und Älteren sind es 28 Prozent (bis 45 Jahre: 51%; bis 55 Jahre: 48%). Auffällig, aber kaum überraschend ist, dass bei den Jüngeren bis 35 Jahren die Akzeptanz deutlich angestiegen ist: 2023 nutzten nur 29% der Befragten KI-Systeme, ein Anstieg um 37 Prozentpunkte; bei den über 55-Jährigen ist der Wert im gleichen Zeitraum nur um sechs Prozentpunkte angestiegen.

    Wenn KI-Systeme von Lehrkräften genutzt werden, dann vor allem für Textarbeit, Texterstellung oder Textvergleiche. Häufig wird mit der vergleichsweisen jungen Technologie Aufgaben für Unterricht und Klausuren, aber auch sogenannte Erwartungshorizonte erstellt. Zur Bild- und/oder Videoproduktion wird KI verwendet, ebenso für die Korrespondenz mit Eltern oder anderen. Stand das Ausprobieren mit Schülerinnen und Schülern bei der vorigen Umfrage noch an zweiter Stelle der Nutzungen, scheint diese Zeit vorüber zu sein. Offen experimentiert wird mit KI selten.

    Nur ein kleiner Teil der Lehrkräfte (9%) gestattet seinen Schülerinnen und Schülern grundsätzlich die Nutzung von KI-Systemen, ein Prozentpunkt mehr als 2023. Grundsätzliche KI-Verbote sprechen in ihrem Unterricht nur 23% der Befragten aus, vor einem Jahr lag der Anteil noch bei 35 Prozent. Die wichtigste Voraussetzung für viele Lehrerinnen und Lehrer (41%) ist die transparente Kenntlichmachung der Nutzung, fast ein Drittel (28%) erlaubt der Schülerschaft die Arbeit mit KI, wenn sie pädagogisch-didaktisch sinnvoll ist.

    Nur jede zehnte Lehrkraft hält KI für eine Entlastung

    Fast die Hälfte der Befragten vermittelt ihren Schülerinnen und Schülern den Umgang mit KI in ihrem Fachunterricht. Wobei es kaum Vorgaben seitens der Schulen dazu gibt – lediglich an 14 Prozent der Schulen ist das der Fall (2023: 13%). 69% sagen, dass es keine Vorgaben gebe, weiteren 17% sind zumindest keine bekannt.

    Dass KI-Systeme das Leben eines Lehrers oder einer Lehrerin automatisch leichter machen, ist zumindest bisher ein Fehlschluss, wie die PhV-Umfrage deutlich belegt. Nicht einmal jede zehnte Lehrkraft (9%) empfindet die Nutzung von Künstlicher Intelligenz als Entlastung, 28% fühlen sich immerhin „eher entlastet“. Die Mehrheit (45%) hält ChatGPT & Co. eher für eine Mehrbelastung oder klar für eine Mehrbelastung (18%). Dazu passt, dass viele Befragten in ihrem Berufsalltag Zeit und Freiheit vermissen, neue Technologien ergebnisoffen auszuprobieren.

    Dennoch wird Künstliche Intelligenz nicht verteufelt, wie die Antwort auf folgende Frage zeigt. „Soll die Landesregierung Lehrkräften die Nutzung von KI-Systemen ermöglichen?“, wollte der PhV wissen. 81 Prozent antworten mit ja. Gewünscht werden vor allem kostenfreie Zugänge zu den Anwendungen über landeseigene Lizenzen, wie sie beispielsweise Mecklenburg-Vorpommern für seine Lehrerinnen und Lehrer bereitstellt. „Die Ständige Wissenschaftliche Kommission der Kultusministerkonferenz empfiehlt in ihrem jüngsten Impulspapier die systematische Erprobung von KI in Schule und Unterricht. Kostenfreie Zugänge für Schülerinnen und Schüler sowie für Lehrkräfte sind dafür eine wichtige Voraussetzung“, sagt Sabine Mistler.

    Generell vermissen die NRW-Pädagoginnen und -Pädagogen Vorgaben zur rechtskonformen Nutzung, konkrete Anwendungen für den eigenen Unterricht und Hilfe beim Erkennen von KI generierten (Schüler-)Texten. Themenbezogene Fortbildungen stehen ebenfalls bei vielen auf dem Wunschzettel. Im Wesentlichen bestätigt die aktuelle Umfrage in diesem Zusammenhang damit die Ergebnisse aus dem Vorjahr.

    Ob die neue Technologie den Beruf des Lehrers oder der Lehrerin verändern würden, wollte der PhV im vorigen Jahr von den Befragten wissen. Damals wie heute finden es viele für eine abschließende Antwort zu früh, klar ist aber, dass der Technologie ein hohes Veränderungspotenzial zugesprochen wird. Nur 7% Prozent der Befragten sagen, dass durch ChatGPT alles beim Alten geblieben sei. Mehr als ein Fünftel (21%) ist der Ansicht, der Beruf habe sich durch oder mit KI verschlechtert. Lediglich 9% sagen, mit ihr sei er besser geworden.

    Zur Umfrage: Die Umfrage lief in der Zeit vom 5. bis 21. Januar 2024, 853 Personen haben sich daran beteiligt. 87 Prozent der Befragten arbeiten an Gymnasien, 11 Prozent an Gesamtschulen, an Weiterbildungskollegs und anderen Schulformen jeweils ein Prozent. 18 Prozent der teilnehmenden Lehrerinnen und Lehrer sind jünger als 35 Jahre, 36 Prozent jünger als 45 und 33 Prozent jünger als 55 Jahre. 14 Prozent sind älter als 55 Jahre.

    Olaf Steinacker
    Pressereferent

    Philologenverband Nordrhein‑Westfalen
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