PHVN Resolution: Künstliche Intelligenz in der Schule

    Künstliche Intelligenz in Form von ChatBots (textbasierten Dialogsystemen) finden seit etwa einem Jahr zunehmend stärkere Verbreitung in unserer Lebens- und Arbeitswelt. Innerhalb des Bildungssystems sind Fragen nach Sinn und Zweck, Nutzen und Notwendigkeit des Einsatzes von künstlicher Intelligenz in der Schule zu beantworten. Lehr- und Lernprozesse werden umgestaltet werden müssen.

    Für die Schulen ergeben sich drei Problemfelder:

    1. Wann wird endlich ein klarer und verlässlicher Rahmen für den Einsatz und die Nutzung von KI im Unterricht geschaffen?
    2. Wie geht die Schule damit um, dass Schülerinnen und Schüler zunehmend eigeninitiativ mit KI arbeiten? (Schummel-Möglichkeiten bei Hausaufgaben, Facharbeiten oder Erarbeitungen im Unterricht sowie bei Prüfungen)
    3. Und für unsere Arbeit als Lehrkräfte stellen sich zwei Fragen:
    a) Wie kann KI unterrichtlich sinnvoll eingesetzt werden? (Medienkompetenz, kritischer Umgang mit KI, sinnvolle Hilfe bei Korrekturen von Texten, Übersetzungen mit DeepL, usw). Einige Schulbuchverlage bieten bereits KI-basierte Software für Lehrwerke an (z.B. Klett studylife).
    b) Wie kann KI effektiv für die Unterrichtsvorbereitungen und das Erstellen von Klausuren u.a. genutzt werden?

    Wie bei allen technischen Fortschritten ergeben sich Chancen und Risiken. So bietet KI schon jetzt große Möglichkeiten für individualisiertes Lernen und neue Lernformate. Es muss aber auch berücksichtigt werden, dass Kinder aus bildungsfernen Schichten größere Unterstützung (finanziell, Anleitung) erfahren müssen, damit die Kluft zu den Schülerinnen und Schülern aus bildungsnahen Schichten nicht noch größer wird.
    Es ergeben sich angesichts der rasanten Weiterentwicklung dringende Fragen an die Lehrkräfte und die Schulen und damit an erster Stelle an das Kultusministerium. Leider sehen sich die niedersächsischen Lehrkräfte bisher mit den auftretenden Herausforderungen ein weiteres Mal weitestgehend allein gelassen. Anders als in vielen anderen Bundesländern gibt es in Niedersachsen keine Handreichungen.
    In unserem Bundesland gab es lediglich Hinweise unter www.bildungsportal-niedersachsen.de (Stand Oktober 2023). Unter dem Titel „Sprachmodelle gestützt durch künstliche Intelligenz – Was machen ChatBots mit und in unseren Schulen?“ findet man ca. 3 Seiten, auf denen beschrieben wird, dass:

    – eine personalisierte Nutzung des Dienstes ChatGPT in Schulen nicht erlaubt ist (Nutzer-Account, privates mobiles Endgerät);
    – die Benutzung von ChatGPT erst Kindern ab 13 Jahren mit der Einwilligung der Eltern erlaubt ist und
    – ein eigener Account ab 18 Jahren zulässig ist;
    – Schulen keine Möglichkeit haben, einen (rechtskonformen) Vertrag zur Auftragsdatenverarbeitung zu schließen.
    Auch das NLQ weist auf diese Punkte hin und bietet als Lösung an, dass Lehrkräfte einen privaten Account in eigener Verantwortung erstellen können. „Eine unterrichtliche Nutzung ist durchaus vorstellbar, wenn die Lehrkraft eigene Eingabeaufforderungen (sog. Prompts) oder solche von Schülerinnen und Schülern dort selbst eingibt.“

    Aus diesen Ausführungen ergeben sich jedoch mehr Fragen und Zweifel als Lösungsmöglichkeiten.

    Nun sind kürzlich im Nichtamtlichen Teil des Schulverwaltungsblattes 11/2023 mehrere Artikel zum Thema des Monats: „Künstliche Intelligenz – Möglichkeiten und Grenzen von Chatbots im Kontext Schulen“ erschienen. Diese wollen „Orientierung geben“. Dabei werden die bisher allseits bekannten Fakten zu Einsatzmöglichkeiten angeführt und mit Beispielen von drei Lehrkräften veranschaulicht. Die auftretenden Probleme z.B. mit dem Datenschutz und der Prüfungskultur werden zwar benannt, es werden aber keine Lösungen für einen rechtskonformen Umgang mit KI im Unterricht aufgezeigt. Im Gegenteil wird sogar ausdrücklich darauf verwiesen, dass die datenschutzrechtlichen Probleme “zurzeit noch nicht abschließend bewertet werden” können. Ein Einsatz in der Schule mit privaten Endgeräten der Schülerinnen und Schüler wird nicht empfohlen (s.o.). Damit können die in den Artikeln angeführten Beispiele nur über einen Privataccount der Lehrkräfte angewendet werden. Lösungen zur Prüfungsproblematik in Bezug auf (unerlaubten) KI-Einsatz lassen die Artikel ebenfalls weitestgehend vermissen. Stattdessen wird ausschließlich auf die Möglichkeit der Gestattung eines (erlaubten) Einsatzes von KI in diesem Zusammenhang hingewiesen. Die genannten rechtlichen Probleme bleiben dabei jedoch völlig außer Acht. Zuletzt gibt es dann zumindest einen Hinweis auf die Handreichungen aus Nordrhein-Westfalen.

    Wir Lehrkräfte sehen die Chancen und die Notwendigkeit, den Transformationsprozess zu gestalten, die neuen digitalen Möglichkeiten im Unterricht einzusetzen, und möchten die KI-basierten Dienste auch im Sinne einer erweiterten Medienkompetenz in der Schule anwenden.
    Der Philologentag fordert das Niedersächsische Kultusministerium auf:

    • umgehend Handreichungen zum Thema KI und ChatBots in der Schule herauszugeben, damit ein rechtskonformer Einsatz in den Schulen möglich wird und die drängenden datenschutzrechtlichen Probleme geklärt werden. Absolut dringender Handlungsbedarf besteht bei Facharbeiten und Präsentationsprüfungen;
    • Accounts für Schulen zur Verfügung zu stellen (z.B. über fobizz), die über das Land finanziert werden;
    • Dienstzugänge zu schaffen, damit sich nicht jede Lehrkraft auf eigene Verantwortung bei KI-Diensten anmelden muss;
    • die Kerncurricula zeitnah unter Beibehaltung des wissenschaftspropädeutischen Ansatzes anzupassen (Inhalte, Aufgabenstellungen), wobei das Erlernen eines ethischen und kritischen Umgangs mit KI und ChatBots berücksichtigt werden muss;
    • über einen sofortigen Digitalpakt 2.0 einerseits für Bildungsgerechtigkeit sowohl regional als auch für die unterschiedliche Klientel der Schülerinnen und Schüler, anderseits für echte Dienstgeräte für Lehrkräfte zu sorgen;
    • ein Finanzierungskonzept zusammen mit den Schulträgern zur Versorgung der Schülerinnen und Schüler mit digitalen Endgeräten als datenschutzkonforme Alternative zu dem aktuell praktizierten BYOD (Bring your own device) zu installieren;
    • einen Support der IT-Administration an jeder Schule sicherzustellen;
    • die Lehrkräfteausbildung im Vorbereitungsdienst auf 21 Monate auszudehnen, damit die digitalen Aspekte des Unterrichts umfangreich erlernt und geübt werden können.

    Goslar, 29. November 2023

    Philologenverband Niedersachsen e.V.
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