In mehr als 200 aus den Schulen vorgelegten Anträgen mit bildungs- und berufspolitischen Kernforderungen haben die über 300 Delegierten des Philologentages 2023 aus den niedersächsischen Gymnasien, Gesamtschulen, Oberschulen und Studienseminaren am 29. und 30. November in Goslar ihre Forderungen an die Politik und die Landesregierung bekräftigt, endlich den vielen Arbeitsgruppen und Absichtsbekundungen Handlungen folgen zu lassen.
Verbandsvorsitzender, Dr. Christoph Rabbow, stellte in seiner Rede fest: „In den letzten Jahrzehnten ist bildungspolitisch zu wenig geschehen, um substanziell etwas zu verändern. Bis heute gibt es keine echten Konzepte, die das Kernproblem Lehrkräftemangel beseitigen. Man kommt sich vor wie in einem Achtsamkeitsseminar: Jedes Bundesland sucht nach seinem eigenen heilsamen Weg. Sei es eine Werbung in den Lehrberuf für Seiteneinsteiger am Stuttgarter Flughafen, die Rückholaktion pensionierter Lehrkräfte in Schleswig-Holstein, dem Abwerben von Lehrkräften durch finanzstarke Bundesländer wie Bayern, der Einstellung von Bachelorabsolventen als Bildungsamtmänner und -frauen in Brandenburg, eine zusätzlich verordnete Stunde Mehrarbeit in Sachsen-Anhalt, Kürzungen in der Stundentafel oder dem geplanten Zusammenlegen von Unterrichtsfächern in Niedersachsen. Das ist alles mehr gewollt als gekonnt. Es ist weder gut gemacht noch gut gedacht, weil es das Kernproblem, gut qualifizierte Lehrkräfte zu gewinnen und langjährig im Beruf zu halten, völlig verfehlt.“
Die Schwerpunkte der Beratungen bildeten vier Resolutionen, die die aktuellsten Themen und drängendsten Probleme an den Schulen abbilden. „Wir haben Beschlüsse zu den wichtigen Themen Gesunde Schule für alle, Künstliche Intelligenz, Besoldung sowie Einheitsschule, Einheitslehrer, Leistungsabsenkung, gefasst. Wir erwarten von unserer Kultusministerin, dass sie diese Konzepte nicht nur mit in Gesprächskreise mitnimmt, sondern diese auch endlich umsetzt und so deutliche Verbesserungen für Schulen, Lehrkräfte und Lernende schafft“, so Rabbow.
Entlastung und Wertschätzung seien die Voraussetzungen für eine gesunde Schule. An die Adresse der Ministerin richtete Rabbow den Appell: „Die Anerkennung unserer Arbeit durch Ihre Briefe, Frau Ministerin Hamburg, ist nett gemeint und wir nehmen Ihnen die Ernsthaftigkeit ab, allerdings kann man sich am Ende des Monats nichts davon kaufen. Wertschätzung kommt von Wert und da erwarten wir ganz konkrete Vorschläge. Außerdem muss es möglich sein, die von uns erwarteten Aufgaben auch leisten zu können und es dürfen nicht ständig neue Aufgaben von immer weniger Schultern getragen werden. Lehrergesundheit ist Bildungsgerechtigkeit.“
Kultusministerin Julia Willie Hamburg betonte in ihrem Grußwort an den Philologentag, dass die inhaltlichen Impulse des Philologenverbandes im Ministerium der Landesregierung immer Gehör fänden und bot erneut an, die dicken Bretter der Bildungspolitik gemeinsam zu bohren.
Die inhaltlichen Diskussionen und Appelle machten deutlich, dass insbesondere die Bestrebungen der Landesregierung die Schulstruktur langfristig zu verändern auf klare Ablehnung stoßen.
Der Philologenverband sieht die Köpfe der Kinder und Jugendlichen als die Ressourcen des Landes Niedersachsen und lehnt eine Schul- und Bildungspolitik ab, die sich dem Primat der Vereinheitlichung von Struktur, Lehre und Inhalten unterwirft. Um Bildungsgerechtigkeit zu schaffen, bedarf es eines differenzierten Bildungssystems, in dem das Gymnasium mit seinen kennzeichnenden Ansprüchen und seinem spezifischen Niveau bewahrt bleibt. Nur so kann man der Heterogenität und Vielfalt von Kindern und Jugendlichen gerecht werden.
Als Impulsgeber von außen begeisterten Dr. Alexander Jatzko, Chefarzt am Klinikum Stillachhaus Oberstdorf, mit einem Vortrag zu Thema ,Digitale Welt – Analoges Gehirn: Auswirkungen auf die Schule und Gesellschaft. Was können wir tun?‘ sowie Andrej Priboschek vom Onlineportal News4teachers zum Thema ,Nur Stress und Frust? Wie die Bildungspolitik für ein gesünderes Schulsystem sorgen könnte‘, die Delegierten.
„Das System Schule steht unter erheblichem Druck und muss heute mehr denn je enormen Belastungen standhalten. Zu hoher Druck auf ein System ist ungesund. Wir haben auf diesem Vertretertag Lösungen gesucht und gefunden. Die politisch Verantwortlichen sind am Zug, es ist Zeit zum Handeln. Die niedersächsische Landesregierung und besonders Frau Hamburg sollten unsere Konzepte und Vorschläge direkt umsetzen, um Niedersachsens Schulen wieder zukunftsfähig zu machen“, so Rabbow abschließend.
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