Plädoyer für das Gymnasium – 150 Jahre Hessischer Philologenverband

    von Dr. Iris Schröder-Maiwald

    Am 3. Juni 1873, am damaligen Königlichen Gymnasium zu Kassel, dem „Lyceum Fridericianum“, gegründet, begeht der Hessische Philologenverband (hphv) im Jahr 2023 sein 150. Jubiläum. Mit einer Jubiläumsfeier in kleinem Rahmen, organisiert von dem Kasseler Bezirksvorsitzenden Boris Krüger, begannen die Feierlichkeiten am Gründungsort. Das alte Gebäude des Gymnasiums wurde im Zweiten Weltkrieg komplett zerstört. An seiner Stelle befindet sich heute der „Lyceumsplatz“.

    In einer kleinen historischen Tour schilderte Herr Krüger die Entstehungsgeschichte und die Entwicklung des Verbandes. Die Ziele des neu gegründeten Vereins gehen aus den Satzungen von 1873 und 1874 hervor: „Die Förderung der wissenschaftlichen und Standesbestrebungen, die Amtsgenossen in Hessen und Nassau, in Frankfurt und Waldeck einander freundschaftlich nahe zu bringen“ – „Heute würde man in diesem Zusammenhang von Vernetzung sprechen“, so Boris Krüger, „im Übrigen ein heute noch sehr wichtiger Aspekt der verbandlichen Arbeit.“

    Der ausführliche Bericht über die Entstehung und Entwicklung ist nachzulesen in der Ausgabe 3/2023 der Verbandszeitschrift „Blickpunkt Schule“, in der auch Herbert Grimme, Ehrenmitglied des hphv, eine Übersicht des geschäftsführenden Vorstandes der Jahre 1947 bis 2023 zusammengestellt hat, und die Vorsitzenden der letzten Jahrzehnte von den wichtigsten Geschehnissen während ihrer Amtszeit berichten (zum Blättermagazin).

    Am 21. September dann wurde das Jubiläum in einem festlichen Rahmen in Wiesbaden mit Mitgliedern des Landesvorstands, Ehrenvorsitzenden, Ehrenmitgliedern, Gästen aus dem Hessischen Kultusministerium, aus Politik und Wirtschaft sowie Vorsitzenden von Philologenverbänden aus anderen Bundesländern gefeiert. Mit einem eindeutigen Plädoyer für ein mehrgliedriges und leistungsfähiges Schulsystem begrüßte Reinhard Schwab, Landesvorsitzender des Hessischen Philologenverbandes bis Oktober 2023, die Gäste und stellte in seiner Rede die Position des Verbandes hervor: „Wir sehen keinen Anlass – gerade auch vor dem Hintergrund wissenschaftlicher Studien und den üblichen Praxiserfahrungen –, die Verheißungen des längeren gemeinsamen Lernens zu goutieren.“

     

    Heinz-Peter Meidinger, Reinhard Schwab, Prof. Dr. Susanne Lin-Klitzing, Prof. Dr. Ralph A. Lorz, Boris Krüger (Foto: hphv)

    In seiner Festrede sprach sich Schwab sehr deutlich gegen Überlegungen aus, Noten abzuschaffen oder Schülerinnen und Schüler trotz mangelhafter Leistungen zu versetzen: „Unser Interesse gilt einem leistungsfähigen Bildungssystem, das dem Einzelnen die Möglichkeit zur Entfaltung seiner Begabungen gibt sowie eine starke und solidarische Gesellschaft konstituieren hilft.“

    Verhaltensauffälligkeiten bei Schülerinnen und Schülern hätten stark zugenommen und der steigende Förderbedarf, die Inklusion, Diversität und Migration stellten hohe Herausforderungen dar. Daher sei der Philologenverband gefragt wie nie, auch um den Kompass für die gymnasiale Bildung zu liefern. Dafür brauche es Kraft und Zuversicht und die Solidarität innerhalb des Verbandes, so Schwab.

    Heinz-Peter Meidinger, der ehemalige Präsident des Deutschen Lehrerverbandes (DL) und immer ein gern gesehener Gast im hphv, hob in seiner Rede besonders das Engagement des Hessischen Philologenverbandes und sein kontinuierliches und in vielen Bereichen sehr erfolgreiches Eintreten für die Interessen der Gymnasiallehrkräfte und den Erhalt und die Fortentwicklung des Gymnasiums hervor.

    „Dieses Engagement war dabei von Beginn an keine bloß landesspezifische Angelegenheit“, betonte Meidinger: „Die hessischen Philologinnen und Philologen setzten auch national und bundesweit immer wieder wichtige Impulse. Ich habe meine Verbandsfreunde aus Hessen immer – und das meine ich absolut positiv – als besonders kämpferisch, besonders kritisch und aufmerksam-sensibel gegenüber alten und neuen Bedrohungen des Gymnasiums, der Interessen seiner Lehrkräfte und des Leistungsprinzips generell wahrgenommen. Durchaus konstruktiv, aber wenn es notwendig war und ist, eben auch glasklar und kompromisslos.“

    Der hessische Kultusminister, Prof. Dr. Ralph A. Lorz, ebenfalls Gastredner und direkt aus einer Sitzung im Landtag zur Feier gekommen, betonte, dass das Gymnasium die erfolgreichste Schulform sei. Er verband die Wurzeln des humanistischen Denkens mit der gymnasialen Idee. Die immer wieder gestellte Frage von Schülerinnen und Schülern: „Wozu brauche ich das später überhaupt?“, beantwortet Lorz mit einem Beispiel seiner altsprachlichen Bildungserfahrung. Er habe zwar in seinem Leben nie einen praktischen Nutzwert aus seinem Altgriechisch ziehen können: „Ich bin trotzdem unglaublich froh, dass ich es gelernt habe. Ich hatte dadurch das Vergnügen, Platon im Original zu lesen.“

    Konstruktiv-kritisch und immer engagiert für das Gymnasium, so erlebe er den Hessischen Philologenverband. Einig sei man sich bei der Bedeutung von gymnasialer Bildung mit dem Abschluss Abitur, die eine vertiefte Allgemeinbildung, die Wissenschaftspropädeutik und die Studierfähigkeit umfasst. Nicht immer einig sei man sich jedoch über die geeigneten Maßnahmen und deren Umsetzung, eben genau diese gymnasiale Bildung zu sichern. Er betonte in seiner Ansprache, dass er sich in jedem Fall auf weitere Gespräche und eine gute Zusammenarbeit freue.

    Die Vorsitzende des Deutschen Philologenverbandes (DPhV) Prof. Dr. Susanne Lin-Klitzing, seit Jahrzehnten ein aktives Mitglied bei den hessischen Philologen, betonte in ihrem Grußwort die Bedeutung des Hessischen Philologenverbandes bei der „Erfolgsgeschichte des Gymnasiums“ und dem „Primat der Bildung“. Wir bedanken uns ganz besonders herzlich für diese sehr besondere Rede.

    Auch die jährliche Vertreterversammlung des Hessischen Philologenverbandes im Oktober fand dieses Jahr als „Jubiläums-VV“ unter dem Motto „Zurück zum Unterricht!“ statt. Im Rahmen eines feierlichen Sektempfanges mit exzellenter musikalischer Begleitung von Sophie Lutzi (Geige) und Andrew Connor (Piano) hielt der Kasseler Bezirksvorsitzende Boris Krüger eine Ansprache zur Historie des hphv.

    Bei der Vertreterversammlung wurde auch neu gewählt und es gab einen Wechsel an der Spitze des Verbandes. Volker Weigand ist der neue Vorsitzende, Thorsten Rohde stellvertretender Vorsitzender, Annabel Fee stellvertretende Vorsitzende, Carsten Franz neuer Schatzmeister und Boris Krüger wurde als verantwortlicher Redakteur von „Blickpunkt Schule“ gewählt. Die rund 100 Delegierten legten die verbandspolitischen Ziele fest und beschäftigten sich mit zahlreichen aktuellen Themen wie Digitalisierung, KI, Unterrichtsversorgung, Lehrkräftebildung, Besoldung, Lehrerzuweisung, Vergleichbarkeit des Abiturs und der Gefahr seiner Entwertung.

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