Motivation für “MINT”-Muffel 

    Braunschweiger Gymnasium wird für MINT-Projekt ausgezeichnet  

    Von Karolina Pajdak 

    Braunschweig – Es gibt ein Dorf, in dem Mathematikunterricht viel Freude macht. Ein Dorf, in dem selbst die größten “MINT-Muffel” Lust auf Chemie, Physik, Biologie und Informatik bekommen. Wo das liegt? Direkt im Braunschweiger Gymnasium Gaußschule. Das Dorf heißt Harzheim und ist der virtuelle Ort, in dem Dr. Lars Menrath (35) sein Projekt „Game Based Learning“ angesiedelt hat. In diesem selbstprogrammierten Computerspiel lässt der Mathematik- und Informatiklehrer seine Schülerinnen und Schüler MINT-Aufgaben der Jahrgänge 5 bis 10 sowie 11 in Informatik lösen, die Bestandteil des Curriculums sind. Dafür wurden Menrath und sein Team am 8. Mai in Berlin mit dem Deutschen Lehrkräftepreis in der Kategorie „Unterricht innovativ“ ausgezeichnet. 

    So können Mathe-Hausaufgaben auch aussehen! Die richtige Richtung für das weitere Vorankommen erfährt man erst, wenn man den Graphen der richtigen Gleichung zuordnen kann. (Foto: privat)

    Informatik ist Schülern näher als Mathe? 

    „Ich habe als Schüler früher das Spiel “Rayman Lesen und Rechnen” gespielt. Das wurde auch mithilfe von Wissenschaftlern und Lehrkräften entwickelt. Das fand ich als Zehnjähriger cool und hatte immer die Idee, so etwas mit aktuellen Mitteln weiterzuentwickeln“, erklärt der promovierte Mathematiker. Als er sich nach seinem Studium dazu entschlossen hatte, nicht weiter an der Uni zu arbeiten, sondern den Quereinstieg ins Lehramt zu wagen, saßen ihm plötzlich Schülerinnen und Schüler gegenüber, die wenig Interesse an Mathematik zeigten. „Es gibt eine krasse Diskrepanz zwischen der Lust der Schülerinnen und Schüler am Informatik-Unterricht und der am Mathe-Unterricht“, meint Menrath. „Selbst wenn es in Informatik mal viel mehr um reine Mathematik geht, ist ihnen das doch näher als der Mathe-Unterricht.“  

    Dr. Morten Wesche (li.) und Dr. Lars Menrath (re.) gemeinsam mit Anna Molnar, Rhiana Ryback und Daniel Pulch aus dem Seminarfach “Game Based Learning” (Foto: privat)

    Während seines Referendariats und der zeitgleichen Beendigung seiner Dissertation in Mathematischer Physik spann Menrath die Idee des Computerlernspiels immer weiter. Konkret wurde es dann, als der Distanzunterricht in der Corona-Phase den Kontakt zu den Schülerinnen und Schülern erschwerte. Schulleiter Stefan Lüttenberg hatte damals die Idee, „nicht nur die Begeisterung für MINT-Fächer zu stärken, sondern auch dem 11. Jahrgang Unterstützung bei der Wahl der Oberstufenkurse zu bieten“, so Menrath. 

    Schullandheim wird Game-Base 

    Das Projekt wurde mit sogenannter „Agiler Software-Entwicklung“ umgesetzt. Von der Startwelt Harzheim, die eine digitale Form des Schullandheims der Gaußschule darstellt, gehen fünf weitere Welten ab – für jedes MINT-Fach eine. Inzwischen umfasst das interaktive Spiel in seiner Spieldauer je MINT-Fach eine Doppelstunde, bei Mathematik sogar drei Stunden. Für jede Fach-Spiel-Welt gibt es einen Code, den die Fachlehrkräfte den Schülerinnen und Schülern zu Beginn der Durchführung des Projektes im Jahrgang 11 austeilen. Hausaufgabe eine Stunde Computerspielen? Ja, auch das sei möglich, erklärt Menrath. Allerdings nicht in Biologie und Chemie, da die Lehrkräfte dafür zum Beispiel Bodenproben zur Verfügung stellen müssen.  

    Ein Teil des „Game Based Learning“-Teams: Schulleiter Stefan Lüttenberg, Dr. Lars Menrath, Ferdinand Döring, Karen Günther, Ralf Sommer, Hamzeh Alchaar, Fillip Giffhorn, Nikolas Pieloth, Cedric Danielzik, Jago Friedrich, Johannes Algermissen, Kaan Kamil Solak, Lasse Wittkämper, Marcel Pieloth, Johanna Kiewnick (v.l.n.r.) (Foto: privat)

    Mehr als 1500 Arbeitsstunden haben Lars Menrath und sein Team bisher schon in das interaktive Lernspiel gesteckt. „Hier verschwimmen die Grenzen zwischen Arbeit und Hobby“, sagt der Lehrer, der Mitglied im Niedersächsischen Philologenverband ist. Unterstützt wird Menrath auch von seinem Kollegen Dr. Morten Wesche, der wie Menrath selbst den Quereinstieg von der Uni Braunschweig ins Mathe- und Physik-Lehramt gewagt hat. Computer-Algebra-Experte Wesche: „Es ist enorm zu sehen, mit wieviel Elan die Schülerinnen und Schüler in dem Projekt aufgehen. Sie schauen eigenverantwortlich viele Tutorials und lesen Anleitungen.“ Dabei lernen sie weit mehr als Mathematik oder Chemie. „Die Schülerinnen und Schüler erleben auch, wie wichtig das Einhalten von Abgabefristen ist, weil sie erkennen, dass ohne die Teilprojekte das Gesamtprojekt nicht funktionieren kann. Sie lernen somit auch selbstständig zu sein“, erklärt Wesche.  

    Computerspiel-Riese gesucht 

    Der Lehrkräftepreis 2022 – es ist die Belohnung für viel, viel Arbeit und viele Ideen. Und wie soll es nun weitergehen in Harzheim? „Mein Traum wäre es, wenn ein Computerspielunternehmen sich meldet und daraus etwas richtig Großes für alle Schülerinnen und Schüler macht, die zwar gern Computer spielen, aber nicht so MINT-affin sind“, sagt Menrath. Inzwischen arbeitet die Gaußschule auch mit dem Georg-Eckert-Institut zusammen, hat für die Weiterentwicklung des Spiels eine AG gegründet. Das Ziel: Virtual Reality und Schülerinnen und Schüler, die sich in der ersten Person durch Harzheim rechnen und experimentieren. Denn Harzheim – das ist das Dorf, in dem MINT-Fächer richtig spannend sind. Und bald – da sind sich Lars Menrath und sein Team sicher – kann aus dem kleinen Dorf eine richtig große Stadt werden. 

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