Pressemitteilung des Bremer Philologenverbandes

    Die Ständige Wissenschaftliche Kommission (SWK) der Kultusministerkonferenz geht davon aus, dass das Problem des Lehrkräftemangels aller Voraussicht nach in den kommenden 20 Jahren bestehen bleibt. Der Mangel bedroht die Sicherstellung der Unterrichtsversorgung (insbesondere natürlich Mangelfächer, wie zum Beispiel Mathematik, Chemie, Physik und Informationstechnik) und beeinträchtigt auch die Qualität des Unterrichts.

    Ende Januar 2023 hat die Ständige Wissenschaftliche Kommission (SWK) der Kultusministerkonferenz eine Stellungnahme mit Empfehlungen zum Umgang mit dem Lehrkräftemangel abgegeben.

    Zu den Maßnahmen zählen insbesondere die Reduzierung von Teilzeit und die Erhöhung der Unterrichtsstunden sowie die Erhöhung der Klassenfrequenz.

    Das Problem des Lehrkräftemangels verschärft sich auch dadurch, dass viele Lehrkräfte angesichts der Folgen beruflicher Belastung und Beanspruchung ihre Arbeitszeit reduzieren bzw. vorzeitig in Pension gehen. Die repräsentative Schulbarometer-Umfrage der Robert Bosch Stiftung von 2022 weist auf eine starke Arbeitsbelastung unter Lehrkräften hin, auch mit beeinträchtigenden Folgen. Fast zwei Drittel der Befragten berichten von körperlicher, knapp die Hälfte von mentaler Erschöpfung. Die Situation hat sich während der Hochphase der Corona-Pandemie und mit den daher neuen Aufgaben des digitalen Unterrichts verschärft. In der Befragung der Bosch Stiftung (2022) zeigte sich auch, dass über 10 Prozent der befragten Lehrkräfte für das Schuljahr 2022/23 planten, ihre Stundenzahl (weiter) zu reduzieren. Zudem gibt es eine hohe Zahl von vorzeitigen Pensionierungen (vor Vollendung des 67. Lebensjahrs).

    Die Lösung des Problems liegt, wie die SWK richtig erkennt, in der Entlastung der Lehrkräfte von Organisations- und Verwaltungsaufgaben (zum Beispiel Ausstattung, Beratung und Betreuung der IT). Für diese Aufgaben erhalten Schulen zum Teil Anrechnungsstunden. Eine angemessene Ausstattung mit Verwaltungspersonal und weiterem nicht pädagogischem Personal kann Lehrkräfte deutlich entlasten und Ressourcen für die unterrichtlichen Kernaufgaben freisetzen. Als konkreter Vorschlag ist die Idee einer Korrekturassistenz auf den ersten Blick ganz nett, um eine Entlastung der Lehrkräfte zu erreichen. Hier verkennt man allerdings, dass die Qualifizierung der beteiligten Personen (zum Beispiel Studenten) und die damit verbundenen Kommunikationsprozesse sehr viele ungelöste Fragen aufwerfen werden.

    Die Erhöhung der Unterrichtsstunden oder die Erhöhung der Klassenfrequenz (Unterrichtsdeputat) würde auf Grund der weiteren enormen Arbeitsbelastung zu einer drastischen Senkung der Motivation bei den Lehrkräften führen. Dies würde höchstwahrscheinlich zu einer höheren Krankheitsquote führen, und die Qualität des Unterrichts würde darunter leiden. Der Lehrerberuf sollte unseres Erachtens nicht weiter an Attraktivität verlieren, weil sonst weniger junge Menschen sich für ein Lehramtsstudium entscheiden werden. Der Lehrermangel würde dann nur noch größer werden.

    Drei weitere Maßnahmen (Hybridunterricht und Selbstlernzeiten sowie Nachqualifikation für Mangelfächer) der SWK möchten wir noch erörtern. Die Erhöhung der Selbstlernzeiten erfordert ein anspruchsvolles Lernsetting und ist damit nicht für alle Schulformen geeignet. Selbstlernzeiten sollten nicht mit Distanzunterricht verwechselt werden. Selbstlernzeiten führen nicht automatisch zu einer Einsparung von Lehrkräftestunden, da viele Schüler und Schülerinnen die Lehrkräfte auch in diesen Phasen als Ansprechpartner benötigen. Deshalb ist diese Maßnahme nur bedingt geeignet, den Lehrkräftemangel zu reduzieren.

    Der Hybridunterricht kann zum Beispiel eingesetzt werden, wenn in der gymnasialen Oberstufe Mindestgrößen für Leistungskurse nicht erreicht werden. Die Schüler und Schülerinnen des so nicht zustande gekommenen Leistungskurses könnten dann virtuell am Leistungskurs des Nachbargymnasiums teilnehmen. Die damit befassten Lehrkräfte würden dann in Präsenz mal an dem einen, mal an dem anderen Gymnasium unterrichten, sodass Schüler und Schülerinnen beider Schulen Erfahrungen mit Hybridlernen machen könnten. Diese Maßnahme würde sinnvoll erscheinen, allerdings gibt es bisher kaum Erfahrungswerte dazu (zum Beispiel könnten notwendige Pendelzeiten wiederum zu einem erhöhten Lehrerbedarf führen).

    Die Nachqualifizierung von aktiven Lehrkräften für Mangelfächer könnte als geeignetes Instrument der Karriereentwicklung genutzt werden, um eine Lehrbefähigung in einem Erweiterungsfach zu erlangen. Dazu bedarf es allerdings gewisser Anreize, wie zum Beispiel eine höhere Besoldungsstufe als Motivationfaktor.

    Die Lösungsansätze der SWK für das Problem des Lehrkräftemangels liegen nur auf dem Fokus der Lehrkräfte und sind somit sehr einseitig. Grundsätzlich müssten die Universitäten (zum Beispiel praxisnahe Studienordnungen) und die Bildungsbehörden (zum Beispiel Reduzierung der Stoffverteilungspläne) mit einbezogen werden, um den Lehrkräftemangel effektiv zu bekämpfen.

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