Gemeinsame Pressemitteilung des Realschullehrerverbands (RLV) und des Philologenverbands (PhV) Baden-Württemberg

    • Philologenverband und Realschullehrerverband begrüßen FDP-Initiative zur Verbindlichkeit der Grundschulempfehlung
    • Lehrerverbände betonen Vorzüge von homogeneren Lerngruppen
    • Wird die mangelhafte Ursachenforschung zu den Schülerleistungsdefiziten zum Fall für den Rechnungshof?

    Der Realschullehrerverband (RLV) und der Philologenverband (PhV) Baden-Württembergs unterstützen ausdrücklich den Gesetzentwurf der FDP zur Wiedereinführung der Verbindlichkeit der Grundschulempfehlung.
    Die Landesvorsitzenden Dr. Karin Broszat (RLV) und Ralf Scholl (PhV) fordern erneut, im Hinblick auf die äußerst angespannte Lage an den Schulen, die Verbindlichkeit der Grundschulempfehlung in Baden-Württemberg zum Wohle der Kinder, Eltern und Lehrkräfte endlich wiederherzustellen.
    Unterschiedliche Kinder brauchen unterschiedliche Schularten in einem leistungsstarken Schulsystem, was stets durchlässig bleibt.
    Der Unterschiedlichkeit und Vielfalt von Kindern durch Unterschiedlichkeit und Vielfalt der Schulen gerecht zu werden, bedeutet Bildungsgerechtigkeit und schafft Bildungsqualität. Die Zeit drängt!

    Die Abschaffung der verbindlichen Grundschulempfehlung 2012, in einer bis dahin bestens aufgestellten Schullandschaft in Baden-Württemberg, war ein Kardinalfehler: Der erhebliche Leistungsabfall der baden-württembergischen Schüler in bundesweiten Schulvergleichsstudien wie VERA 8 ist zum guten Teil dieser massiven Fehlentscheidung geschuldet.
    Seit fast sieben Jahren erleben wir, wie das Kultusministerium mit hohem Kosten- und Personalaufwand die negativen Konsequenzen dieser Entscheidung zu minimieren versucht – ohne jeden Erfolg.
    Diese negativen Auswirkungen, vor denen die beiden Verbände immer gewarnt haben, kommen gerade mit voller Wucht in unserer Gesellschaft an.

    Inzwischen gibt es wahrlich genügend Studien, die belegen, dass eine ausschließlich an der Schülerleistung orientierte, verbindliche Grundschulempfehlung zu deutlich höherer sozialer Gerechtigkeit führt als eine „freie“ Wahl der Schule durch die Eltern. Ebenso ist nachgewiesen, dass gerade schwächere Kinder von homogeneren Lerngruppen stark profitieren und dadurch höhere Leistungen erzielen können. *
    Eine weitere repräsentative Studie zeigt auf, dass verbindliche Grundschulempfehlungen Lernanreize setzen, die zu einer Verbesserung der schulischen Kompetenzen am Ende der vierten Klasse führen. **
    Baden-Württemberg, einst auf Spitzenplätzen in Ländervergleichen, befindet sich in einem bildungspolitischen Blindflug, der längst zum Sturzflug geworden ist.

    Dass die gegenwärtige Landesregierung in keiner Weise bereit ist, die Fehler der Vergangenheit zu korrigieren, vergrößert die Probleme immer weiter! Die Expertenkommission der Kultusministerkonferenz (KMK) gießt aktuell zusätzlich Öl ins Feuer und schwächt mit ihren realitätsfernen Vorschlägen die Attraktivität des Lehrerberufs.

    Was ist zu tun? Die Einführung einer verbindlichen Grundschulempfehlung ist kostenneutral und kann ohne zusätzliches Personal zeitnah und mit sofortiger qualitätssteigernder Wirkung umgesetzt werden. Ein pragmatischer, realitätsorientierter Vorschlag zur Umsetzung wurde schon 2020 vom Realschullehrerverband und vom Philologenverband dem Kultusministerium vorgelegt.

    „Wenn ideologische Interessen und Parteiwohl so deutlich über das Kindeswohl gestellt werden, ist etwas gewaltig faul im ‚Staate Dänemark‘. Wenn teure, personalintensive Prestigeprojekte gestartet werden und ein einfacher und kostenneutraler Lösungsansatz nicht einmal ernsthaft in Erwägung gezogen wird, stellt sich zwingend die Frage, ob das nicht zu einer Angelegenheit für den Rechnungshof wird, der die Wirtschaftlichkeit der Haushaltsführung des Landes Baden-Württemberg im Blick haben muss. Es sind nach unseren Kindern auch die Steuergelder aller, die hier vernachlässigt werden“, so Dr. Karin Broszat, die RLV-Vorsitzende.

    Und der PhV-Vorsitzende, Ralf Scholl, sekundiert ihr: „Die Ständige Wissenschaftliche Kommission (SWK) der Kultusministerkonferenz hat ihre Vorschläge vorgestellt, um die zusammenbrechende Unterrichtsversorgung zu gewährleisten. Aber genauso intensiv muss man darüber nachdenken, wie jede einzelne Unterrichtsstunde für die Schülerinnen und Schüler zu einer möglichst intensiven Lernerfahrung werden kann. Homogenere Gruppen sind ein wissenschaftlich fundierter, effektiver Weg, der nichts kostet, aber das Lernen intensiviert.“

     

    *Esser, H. / Seuring, J.: Kognitive Homogenisierung, schulische Leistungen und soziale Bildungsungleichheit. In: Zeitschrift für Soziologie 2020, 49/5-6, S. 277 – 301
    ** Bach, M. (ZEW Mannheim) / Fischer, M. (WZB Berlin): Mit verbindlichen Grundschulempfehlungen erreichen Grundschüler/innen bessere Leistungen, empfinden aber auch mehr Stress. ZEW policy brief Nr. 01 / März 2021

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