PhV BW zu den Aussagen von Ministerpräsident Kretschmann zu einer möglichen Erhöhung des Klassenteilers

    · Philologenverband lehnt Überlegungen zu einer möglichen Erhöhung des Klassenteilers vehement ab
    · PhV-Landesvorsitzender Ralf Scholl: „Massive Versäumnisse der Landesregierung bei der Unterrichtsversorgung“
    · Schluss mit einer Bildungspolitik auf dem Rücken von Lehrkräften, Kindern und Jugendlichen!

    Das Hauptverfahren für die Einstellung neuer Lehrkräfte in Baden-Württemberg läuft seit 28.6.2022 und endet am 11.7.2022. Und schon jetzt ist klar: Rund 1000 Bewerberinnen und Bewerber für eine Stelle am Gymnasium werden kein entsprechendes Angebot erhalten, denn dafür fehlen die notwendigen Stellen: Trotz des Lehrermangels hat das Land dafür bislang kein zusätzliches Geld zur Verfügung gestellt. Auch zusätzliche befristete Stellen sind nicht in Sicht: Für diese müssten nämlich ebenfalls zuerst einmal entsprechende finanzielle Mittel bereitgestellt werden. Das ist bis heute nicht geschehen. „Die Landesregierung hat es versäumt, bei der Lehrereinstellung rechtzeitig die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen“, kritisiert der Landesvorsitzende des Philologenverbands Baden-Württemberg (PhV BW), Ralf Scholl. „Selbst wenn im August oder September zusätzliche Gelder locker gemacht werden, ist das dann zu spät, da die anderen Bundesländer uns dann die nicht eingestellten Lehrkräfte längst abgeworben haben.“

    Dabei ist bereits seit März klar, dass für die Beschulung der ukrainischen Flüchtlingskinder zusätzliche Lehrkräfte in erheblicher Größenordnung benötigt werden. Der Verband der gymnasialen Lehrkräfte hatte darauf bereits am 14.03.2022 öffentlich hingewiesen und von der Landesregierung die entsprechenden Schritte eingefordert (s. hier). Passiert ist bisher praktisch nichts!

    In der vergangenen Woche bettelten Ministerpräsident Kretschmann und Kultusministerin Schopper in einem Schreiben die Bestandslehrkräfte an: „Bitte überlegen Sie es sich doch, ob Sie im nächsten Schuljahr nicht eine, zwei oder sogar drei zusätzliche Stunden pro Woche unterrichten können“. Aber auch für diese Stundenerhöhungen ist das notwendige Geld im Staatshaushaltsplan bislang nicht bereitgestellt worden.

    Für einen neuen negativen Höhepunkt in der Debatte um die Sicherstellung der Unterrichtsversorgung hat nun Ministerpräsident Kretschmann gesorgt, indem er eine mögliche Erhöhung des Klassenteilers – also eine Vergrößerung der Klassen – ins Spiel gebracht hat. Eine solche Maßnahme wäre nach Ansicht von Ralf Scholl „völlig verfehlt“. Der PhV-Landesvorsitzende erklärt: „Angesichts der zahlreichen Hiobsbotschaften über die Leistungen der Schülerinnen und Schüler in Baden-Württemberg wäre es verheerend, jetzt auch noch die Klassen zu vergrößern, sodass die Lehrkräfte noch weniger Chancen haben, Bildung zu vermitteln.“ Dass die Klassengröße den Lernerfolg mitbestimmt, ist inzwischen empirisch abgesichert (s. dazu u.a. die Berliner DIW-Studie von 2018). Zudem würde mit größeren Klassen die Belastung der Lehrkräfte, die schon vor Corona am oder über dem Limit waren, weiter steigen. „Eine Erhöhung des Klassenteilers wäre sowohl unter dem Aspekt der Bildungsqualität als auch unter dem Gesichtspunkt der Lehrkräftegesundheit absolut verantwortungslos“, betont Ralf Scholl. „Noch größere Ausfälle durch Burnout wären damit vorprogrammiert.“

    Der PhV-Landesvorsitzende weist darauf hin, dass auch dieses Jahr wieder 4000 befristet beschäftigte Lehrkräfte in Baden-Württemberg ab dem ersten Ferientag auf der Straße stehen, obwohl sie am ersten Schultag wieder benötigt werden, um die ohnehin bestehenden Lücken bei der Lehrerversorgung erneut zu stopfen. „Die 15 Millionen Euro, die ihre Weiterbeschäftigung über die Ferien gekostet hätte, sind für das Land anscheinend nicht finanzierbar. Aber 20 Millionen Euro für die Imagekampagne „The Länd“ waren offenbar kein Problem. Die Landesregierung sollte ganz dringend ihre Prioritäten überprüfen“, so der PhV-Landesvorsitzende.

    Die Lehrkräfte, die in den letzten knapp zweieinhalb Corona-Jahren in den Schulen den Betrieb aufrechterhalten haben, sind ausgelaugt und mittlerweile total frustriert. Denn die bisherigen Anstrengungen, verbunden mit zusätzlichen Aufgaben und Belastungen, gingen voll auf ihre Knochen. Die Stimmung sei dementsprechend bei vielen Lehrerinnen und Lehrern auf einem Tiefpunkt. „Die Landesregierung muss endlich Geld für die Schulen und die Bildung in die Hand nehmen! Es muss Schluss sein mit einer Bildungspolitik auf dem Rücken der Lehrkräfte und damit letzten Endes auch auf dem Rücken unserer Kinder“, so Ralf Scholl abschließend.

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