PhV BW zur Maskenpflicht an Schulen

    · Philologenverband sieht geplante Aufhebung der Maskenpflicht an Schulen zum jetzigen Zeitpunkt kritisch
    · PhV-Landesvorsitzender Ralf Scholl fordert Beibehaltung der geltenden Maskenregelung mindestens bis zu den Herbstferien
    · „Notwendige Maßnahme, damit die Schulen sicher in Präsenz bleiben können und Schüler und Lehrkräfte bestmöglich geschützt sind“

    Der Philologenverband Baden-Württemberg (PhV BW) steht der von der Landesregierung geplanten Lockerung der Maskenpflicht an Schulen ab dem 18. Oktober 2021 sehr skeptisch gegenüber. „Ich halte einen solchen Schritt zum jetzigen Zeitpunkt für verfrüht“, erklärt der PhV-Landesvorsitzende Ralf Scholl. Die Erfahrungen aus Thüringen, wo vor drei Wochen die Maskenpflicht in Schulen aufgehoben wurde und jetzt die Inzidenz bei den 5-14-Jährigen explodiert (Spitzenreiter ist dort der Unstrut-Hainich-Kreis mit einer Inzidenz über 1.200) sprechen gegen eine solche Maßnahme.

    Scholl plädiert dafür, die derzeit geltende Maskenregelung zumindest bis zu den Herbstferien fortzuführen und mögliche Lockerungen frühestens am 8. November 2021 vorzunehmen – wenn die Corona-Situation dies dann zulasse. Zudem spricht er sich dafür aus, nur in der Basisstufe auf eine Maskenpflicht am Platz zu verzichten und bereits in der Warnstufe (und nicht — wie geplant — erst in der Alarmstufe) das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes vorzuschreiben.

    Ralf Scholl weist darauf hin, dass die Kinder unter 12 Jahren nach wie vor komplett ungeimpft sind und die Jugendlichen bis 17 Jahre momentan nur zu einem Drittel vollständig geimpft sind, dass aber alle Schüler im Unterricht ohne jeden Abstand über Stunden dicht gedrängt zusammensitzen. „Wenn die Schulen offengehalten werden sollen, sind möglichst umfangreiche Schutzmaßnahmen unumgänglich. Dazu gehören neben den vom PhV seit über einem Jahr geforderten Raumluftreinigungsgeräten auch und gerade Masken.“ Eine Aufhebung der Maskenpflicht würde die Ansteckungsgefahr in Klassenzimmern laut Stuttgarter Raumluftstudie um den Faktor drei erhöhen.

    Der PhV-Landesvorsitzende betont: „Präsenzunterricht ist die wirksamste Unterrichtsform. Das weiß mittlerweile nach den eineinhalb Corona-Jahren jeder von uns. Dementsprechend müssen alle Anstrengungen unternommen werden, damit die Schulen auch ununterbrochen in Präsenz geöffnet bleiben können.“ Es sei für ihn daher unverständlich, warum sich die baden-württembergische Landesregierung jetzt erneut über die dringende Empfehlung des Robert-Koch-Instituts hinwegsetzen wolle. Das RKI spreche sich dafür aus, die Schutzmaßnahmen an Schulen inklusive des Tragens eines Mund-Nasen-Schutzes bis zum Frühjahr 2022 beizubehalten. „Die Landesregierung wäre gut beraten, dem Rat des RKI zu folgen, um in der jetzigen Phase konstant hoher Inzidenz (Spitzenreiter in Baden-Württemberg ist Pforzheim mit 505 bei den 5-14-Jährigen) die Zahl der Infektionen an den Schulen zu minimieren und Schulschließungen zu vermeiden“, so Ralf Scholl. Er hält die Masken für ein notwendiges Übel, an dem in der aktuellen Situation festgehalten werden müsse – auch wenn sie aus pädagogischer Sicht mit starken Nachteilen verbunden, zudem unbequem und deswegen verständlicherweise unbeliebt seien.

    „Es ist Aufgabe der Lehrkräfte, stets und zuerst das Wohl ihrer Schutzbefohlenen im Blick zu haben und entsprechende Entscheidungen zu treffen. Deshalb spricht sich der Philologenverband als Vertretung der gymnasialen Lehrkräfte zum gegenwärtigen Zeitpunkt für eine vorläufige Beibehaltung der Maskenpflicht an den Schulen aus“, erklärt Ralf Scholl. „Jetzt mitten im laufenden Schulbetrieb und relativ kurz vor den Ferien eine Neuregelung vorzunehmen, halte ich für unklug und leichtsinnig.“ Ob die Maskenregelung nach den Herbstferien gelockert werden könne, solle anhand der dann vorliegenden Coronasituation entschieden werden.
    Zur Zeit sind mehr als 1.700 Schüler positiv getestet und über 1.500 weitere in Quarantäne. Corona-Fälle gibt es an rund einem Viertel der Realschulen, Gymnasien und Beruflichen Schulen.

    Scholl betont, dass eine Maskenpflicht weniger dem Schutz der Lehrkräfte diene, die an den meisten Gymnasien zu über 95 % geimpft seien, sondern vielmehr im ureigensten Interesse der weitgehend ungeimpften Kinder und Jugendlichen liege. So gebe es in vielen Landkreisen enorm hohe Inzidenzen unter den Fünf- bis Vierzehnjährigen, und in der letzten Woche wurden an 53 Schulen Ausbrüche mit insgesamt 246 positiv getesteten Kindern vom Landesgesundheitsamt registriert – trotz Maskenpflicht und drei Schnelltests pro Woche. „In dieser Situation auch noch komplett auf Masken in den Klassenzimmern zu verzichten, wäre fahrlässig“, so der PhV-Landesvorsitzende.

    Gegen die Maskenpflicht werde oft angeführt, dass Schüler über Kopfschmerzen und Konzentrationsprobleme klagen. „Das mag bei FFP2-Masken zutreffen. Aber medizinische OP-Masken, die ja ebenfalls erlaubt sind, haben nachgewiesenermaßen keinen Einfluss auf die Sauerstoffkonzentration im Körper“, erklärt Ralf Scholl.

    Das zweite Argument gegen eine Maskenpflicht in der Schule, wonach Kinder und Jugendliche keine Pandemietreiber seien, ist nach Überzeugung des PhV-Landesvorsitzenden durch die aktuellen Daten schlicht widerlegt. Er stellt klar: „Zur Zeit ist knapp ein Drittel aller positiv Getesteten unter 20 Jahre alt!“ Die Gruppe der 5-14-Jährigen zeigte in den letzten zwei Wochen in Baden-Württemberg zudem auf Kreisbasis Inzidenzen von teilweise über 500. „Das ist absolut alarmierend!“

    Auch das dritte Argument gegen das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes an Schulen, wonach Kinder selten schwer an Covid-19 erkranken würden und das Virus für sie weitgehend ungefährlich sei, hält Ralf Scholl für widerlegt. Er weist darauf hin, dass zwischen 0,6 % und 0,9 % der infizierten Kinder unter zehn Jahren in Baden-Württemberg hospitalisiert würden; 10 % aller Hospitalisierten hätten zudem mit Long-Covid-Folgen zu kämpfen. „Die Maßnahmen an den Schulen, wozu die Masken gehören, tragen somit zum Schutz des Lebens und der Gesundheit der Schülerinnen und Schüler bei.“

    Eine Herdenimmunität könne laut Epidemiologen und Virologen erst bei einer Impfquote von rund 95 % in allen Altersgruppen erreicht werden, da die Impfungen ja nur einen unvollständigen Schutz vor Ansteckung gewähren, wie die Impfdurchbrüche zeigen. „Deswegen dürfen wir gerade jetzt nicht leichtsinnig werden! Jede verhinderte Übertragung schützt unsere Kinder und Jugendlichen und ermöglicht den weiteren Schulbetrieb in Präsenz“, so Ralf Scholl. „Wenn wir keine Schulschließungen zulassen wollen, dann müssen wir auch entsprechend vorausschauend handeln.“

    Der PhV-Vorsitzende appelliert an die baden-württembergische Landesregierung: „Folgen Sie den Richtlinien des RKI, damit die Schulen für unsere Kinder und Jugendlichen ein sicherer Ort des Lernens in Präsenz bleiben können! Die Maskenpflicht in engen Schulräumen schützt vor Tröpfchen-Infektionen! Eine Ausstattung mit Raumluftreinigern schützt vor Aerosol-Infektionen! Weitere gute Impfkampagnen gerade auch an Schulen tragen wesentlich zur Sicherheit der Jugendlichen bei! Werden Sie Ihrer Verantwortung für die Schüler gerecht!“

    Zahlen / Daten / Fakten:
    · Aktuelle, nach Alter aufgeschlüsselte Inzidenz-Zahlen auf Kreisebene: siehe https://semohr.github.io/risikogebiete_deutschland/
    · Inzidenzen bei den Fünf- bis Vierzehnjährigen (Stand 13.10.2021):
    – 505 in Pforzheim
    – 327 in Heilbronn
    – 320 in Ulm
    – 318 im Kreis Sigmaringen
    – Inzidenzen von über 200 gibt es in weiteren 13 Kreisen in Baden-Württemberg
    · Zwischen 0,6 % und 0,9 % der infizierten Kinder wird in Baden-Württemberg hospitalisiert.
    · Bisher wurden im Land 45.000 Infektionen bei Kindern unter 10 Jahren und 95.000 Infektionen bei Jugendlichen von 10-19 Jahren nachgewiesen. Beide Altersgruppen umfassen aber jeweils 1.050.000 Betroffene.
    · Damit sind 1,7 Millionen Kinder und Jugendliche in Baden-Württemberg komplett ungeschützt. (Rund 400.000 sind vollständig geimpft oder genesen.)

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