Drei Fragen an… JULIA KLÖCKNER: Wie gesund essen wir im Corona-Lockdown? 

    Die Kantinen sind geschlossen, die Schul-Mensen meist auch. Was bedeutet der Lockdown für das Essverhalten von Schülerinnen und Schülern? PROFIL hat bei CDU-Ministerin Julia Klöckner nachgefragt.

    PROFIL: Frau Ministerin, wir leben seit mehr als einem Jahr mit und in der Corona-Pandemie. Wie ernährt man sich gesund in Homeoffice und dem sog. „Homeschooling“ – zwischen Computer und Tablet? 

    Julia Klöckner: Corona verändert auch den Ernährungsalltag der Deutschen – das ist ganz klar. Und natürlich ist es eine Herausforderung, alles unter einen Hut zu bringen: Homeoffice, Homeschooling, Kinderbetreuung und dann auch noch für eine ausgewogene Ernährung zu sorgen. Im vergangenen Jahr habe ich untersuchen lassen, wie sich die Pandemie auf die Ernährung auswirkt: Fast ein Drittel der Befragten gab an, dass sie in der Corona-Krise mehr kochen als zuvor. Dabei werden auch mehr frische Zutaten verwendet. 28 Prozent nehmen Mahlzeiten zudem häufiger als zuvor gemeinsam ein. Gerade in einer Zeit, in der man das Haus kaum verlässt, strukturiert das gemeinsame Essen auch den Tag – das kann wie eine kleine Insel im Corona-Alltag sein. Daneben ist natürlich wichtig, dass es die Verbraucher am Supermarktregal so unkompliziert wie möglich haben, sich gesund zu ernähren. Um die gesunde Wahl zur leichten Wahl zu machen, habe ich den Nutri-Score eingeführt, also ein farbiges Nährwertkennzeichen direkt auf der Vorderseite von Verpackungen. Damit kann die Nährwertqualität von Lebensmitteln innerhalb einer Produktgruppe verglichen werden: Also eine Pizza mit einer Pizza oder ein Joghurt mit einem Joghurt. Die Skala reicht von einem grünen A bis zu einem roten E. Das bietet Orientierung auf den ersten Blick, ohne langes Studium der Nährwerttabelle auf der Rückseite von Verpackungen.  

    PROFIL: Wie hat sich die Ernährungssituation der Schülerinnen und Schüler während des Lockdowns verändert? 

    Eine ausgewogene Ernährung von Kindern und Jugendlichen ist der Schlüssel für ein gesundes Leben. Denn Übergewicht von Kindesbeinen an wird häufig lange Jahre mit sich getragen. Dabei spielen Kita und Schule eine entscheidende Rolle: Die theoretische Ernährungsbildung im Unterricht sollte hier Hand in Hand gehen mit einer gesunden und ausgewogenen Mittagsverpflegung. Für viele Kinder und Jugendliche ist es die einzige Chance, dies regelmäßig praktisch zu erfahren. Unser Ministerium hat deshalb von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung Qualitätsstandards für die Verpflegung dort entwickeln lassen – seit Jahren fördern wir Projekte zur Umsetzung und Bekanntmachung. Damit haben wir wichtige Weichen gestellt und finanziert. Während des Lockdowns ist das nun weitestgehend weggefallen. Das zu kompensieren, ist nicht leicht. Denn wir wissen, dass etwa Langeweile, Stress und soziale Isolation zu einem höheren Konsum von Süßigkeiten oder zuckerhaltigen Softdrinks führen kann. Zudem ist ja auch noch der Vereins- und Schulsport weggefallen. Umso wichtiger ist, dass das Lebensmittel-Angebot besser und gesünder wird. Politisch gehe ich das mit der Nationalen Reduktions- und Innovationsstrategie an. Ziel ist es, den Gehalt von Zucker, Salz und Fetten in Fertiglebensmitteln kontinuierlich und deutlich zu reduzieren. Mit Erfolg, das zeigen erste Ergebnisse. Rund 20 Prozent Zucker konnten zum Beispiel in Kinderjoghurts bereits reduziert werden. In Erfrischungsgetränken für Kinder waren es im Vergleich zu 2018 sogar 35 Prozent. Wir sind hier auf einem guten Weg.  

    PROFIL: Stellen Sie einen Bedeutungswandel beim Thema gesunde Ernährung und Kochen bei der jungen Generation fest?  

    Es ist ein neues Bewusstsein für Lebensmittel entstanden – und für die Arbeit derjenigen, die sie produzieren: Die Bedeutung unserer heimischen Landwirtschaft hat zugenommen, das haben in unserer Befragung 39 Prozent angegeben. Besonders bei den Jugendlichen und jungen Erwachsenen: Fast die Hälfte misst der Landwirtschaft eine höhere Bedeutung zu als vor der Krise. Auch der Trend zu mehr Bio und regionalen Lebensmitteln hat sich verstärkt. Wie schon erwähnt, wird jetzt nicht nur Essen bestellt oder zu Fertiggerichten gegriffen, sondern viele haben auch ihre Freude am SelberKochen entdeckt. Ich kenne einige, gerade junge Leute, die angefangen haben, selbst Brot zu backen oder Kräuter, Salate und Gemüse auf Balkonen, Fensterbänken oder in Gärten selber zu ziehen. Einen Punkt möchte ich hier noch erwähnen: Als im vergangenen Jahr wegen der geschlossenen Grenzen Saisonarbeitskräfte in der Ernte und beim Pflanzen gefehlt haben, haben auch viele junge Leute, Schüler und Studierende zum Beispiel, die Landwirte unterstützt. Wir hatten hier eine Plattform unterstützt, die die helfenden Hände an Betriebe vermittelt hat. Ich glaube, da haben viele zum ersten Mal erlebt, wie viel Arbeit eigentlich darin steckt, dass wir im Supermarkt so eine große Auswahl an regionalen Lebensmitteln haben.  

     

    Drei Fragen an... JULIA KLÖCKNER
    Julia Klöckner (48, CDU) ist seit 2018 Bundesministerin für Ernährung und Landwirtschaft (Credit: BMEL)

    Diesen und weitere Artikel finden Sie auch in der aktuellen Ausgabe von PROFIL.

    Profil Titel Ausgabe 4-2021
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