Digitale Frühjahrstagung der Frauenpolitischen AG des DPhV: Wie können wir mit der Corona-Dauerbelastung umgehen? 

    Von Anita Tobias* 

    Die Corona-Krise bringt viele Menschen an ihre Grenzen. Seit Monaten wird unser Alltag bestimmt von Strukturen, die wir selbst kaum beeinflussen können. Das Wichtigste in dieser Zeit ist, auf die eigenen Ressourcen achten, denn nur so können wir Konflikte, Belastungen und Druck angemessen bewältigen. Vor allem Frauen kämpfen in dieser Zeit an vielen Fronten gleichzeitig. Viele von ihnen bewegen sich zwischen häuslicher und dienstortgebundener Schule und Arbeit, medizinischen Kenntnissen und der Einhaltung stets wechselnder Vorschriften und Regelungen. Immer drängender stellen sich Fragen nach Zuständigkeiten, Verpflichtungen, Konsequenzen – geleitet von dem Grundbedürfnis des Menschen, gesund zu sein und zu bleiben. 

    Genau um diesen Druck, die Belastungen und Konflikte ging es in der Frühjahrstagung der Frauen-AG im Deutschen Philologenverband, die Ende März digital stattfand. Bereichert haben diese Frühjahrstagung zwei Referentinnen der dbb-Akademie: Mediatorin Sabine Heines und Coach Antje Matull. 

    Das haben wir von den Konflikt-Expertinnen bei der Frühjahrstagung gelernt 

    Die Kölner Mediatorin Sabine Heines betonte, dass unter den derzeitigen Bedingungen räumlich distanzierter und digital vermittelter Kommunikation noch stärker als sonst Rücksicht, Verständnis, Freundlichkeit, Wohlwollen, Empathie und Respekt gefordert sind. Zur aktiven, gewinnbringenden Konfliktbewältigung gehört unbedingt die Fähigkeit, zu differenzieren und zu reflektieren: die Wahrnehmung und deren Interpretation, die Sach- und die Beziehungsebene, der Fremd- und der Eigenanteil, das sichtbare Verhalten und die unsichtbar dahinterstehenden Bedürfnisse. Konflikte können nur dann entschärft oder vor einer Eskalation nachhaltig gelöst werden, wenn die beiderseitigen Interessen und Bedürfnisse erkannt, korrekt benannt und dann als Leitfaden des weiteren Umgangs miteinander betrachtet werden, mit dem Ziel, beiderseits diese so weit wie möglich zu erfüllen. 

    Coach Antje Matull betonte die Wichtigkeit, Bedürfnisse zu erkennen, ernst zu nehmen und zu artikulieren, weil dies grundlegend Einfluss auf die Leistungsfähigkeit habe, die psychische Gesundheit und die Bewältigung von Stresserleben. Die Pandemie stellt ein sehr ernstes, umfassendes, langwieriges Stresserleben dar, weil sie die Erfüllung unserer Grundbedürfnisse massiv einschränkt. Zudem fehlen uns Erfahrungen im Umgang mit solch einer Situation, und leider sind auch die Perspektiven eher nebulös; eine rasche Besserung der Situation oder gar ein Ende der Pandemie sind nicht oder nur sehr spekulativ abzusehen. Unser Grundbedürfnis nach Bindung und Zugehörigkeit wird durch die bis in den Bereich der Kernfamilie gehenden Kontaktbeschränkungen verletzt. Unser Grundbedürfnis nach Orientierung und Kontrolle wird durch die Unkontrollierbarkeit des Virus, aber auch des menschlichen Verhaltens und der politischen Handlungsweisen verletzt. Unser Grundbedürfnis nach Lustgewinn und Unlustvermeidung wird oftmals dadurch verletzt, dass wir unsere gewohnten Arbeitsweisen binnen kürzester Zeit komplett umstellen mussten, selten intrinsisch motiviert eine Technisierung unserer Lehrberufs erleben und mitgestalten mussten und häufig einen „digitalen Druck“ verspüren, der Zeit und Kraft kostet. Unser Grundbedürfnis nach Selbstschutz und Selbstwertstärkung wird immer schwieriger erfüllbar, weil sich unser Arbeitsleben in mehreren Ebenen entgrenzt.  

    Dabei liegt hier unsere Verantwortung, Eigenverantwortung: Ohne Akzeptanz, Optimismus und Lösungsorientierung, ohne aktive Distanzierung von Stressfaktoren, ohne Netzwerkorientierung und Zukunftsplanung ist keine wirksame, die Gesundheit erhaltende Selbstfürsorge möglich.  

    Ohne Selbstmitgefühl, Selbstreflexion und damit Selbstfürsorge können die Herausforderungen durch die pandemische Situation nicht nachhaltig und gesundheitserhaltend bewältigt werden.  

    Aber es gibt auch eine Verantwortung außerhalb unserer selbst: die politische Verantwortung unseres Staates. Und zu dieser gehört jetzt unbedingt, allen Lehrerinnen und Lehrern ein Impfangebot zu machen sowie täglich FFP-2-Masken zur Verfügung zu stellen und flächendeckende, regelmäßige verpflichtende Tests für alle in den Schulen tätigen Personen durchzuführen.  

    Wir können unserer vielschichtigen und vielseitigen Verantwortung für unsere Schülerinnen und Schüler nur dann gesund und beiderseitig gewinnbringend gerecht werden, wenn auch der Staat, in dessen Dienst wir handeln und in dessen Auftrag wir arbeiten, seiner Verantwortung für uns spürbar gerecht wird. Es geht hierbei nicht um Geld, es geht um Leben.   

     

    Hinweis: Am 18. Juni organisiert die Frauen-AG das Online-Seminar Gesund bleiben in Schule und Alltag” mit Jimmy Little. 

     

    *Anita Tobias unterrichtet Deutsch und Kunst am Bremerhavener Lloyd-Gymnasium. Sie ist Mitglied für die dbb-Fraktion im örtlichen Schul-Personalrat, außerdem ist sie als Koordinatorin und Mentorin im Berufseinstiegsprogramm für quereinsteigende Lehrkräfte am Institut für Schulentwicklung und Lehrerfortbildung im Einsatz. 

    Frühjahrstagung der Frauen-AG fand mit mehr als 15 Teilnehmerinnen online
    Auch die Frühjahrstagung der Frauen-AG fand mit mehr als 15 Teilnehmerinnen wieder online statt. In der Mitte: die Autorin des Textes Anita Tobias
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