Wie gewinnen wir neue Mitglieder? Wie stärken wir das Ehrenamt für Frauen?

    Online-Sitzung der frauenpolitischen AG des DPhV

    Von GABRIELA KASIGKEIT*

    Berlin – „Für Gewerkschaften gibt es nichts Wichtigeres als Mitglieder“, heißt es beim Online-Dienst LabourNet Germany. Genau darüber hat die frauenpolitische AG des DPhV im November bei einem eintägigen Online-Seminar nachgedacht.

    Der Hintergrund: Die meisten Gewerkschaften haben Mühe, ihre Mitgliederzahlen stabil zu halten. Die „Mitgliederzahlen der DGB-Gewerkschaften rutschen weit unter sechs Millionen“, ist auch bei LabourNet Germany zu lesen.[1] Stabil geblieben ist lediglich die Mitgliederzahl der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) mit 279.389 Mitgliedern. Zulegen konnte allein die kleinste DGB-Gewerkschaft, die Gewerkschaft der Polizei (GdP).

    Während die Berufsgewerkschaften tendenziell stabil oder wachsend sind, haben die meisten Branchengewerkschaften weiterhin Mühe, die Zahl ihrer Mitglieder zu halten. (…)

    Dem Abwärtstrend der DGB-Gewerkschaften steht eine Aufwärtsentwicklung bei den dbb-Gewerkschaften gegenüber[2], wie in den Statistiken zu verfolgen ist.

    Wichtiger Punkt: Traditionelle Gewerkschaften sind maskulin.

    Im Jahr 2019 lag der Frauenanteil im DGB laut Statista bei insgesamt 33,9 Prozent.[3] Ähnliche Zahlen finden sich beim dbb.

    FRAUEN-ANTEIL WÄCHST

     

    „Die Frauenquote im öffentlichen Dienst ist seit 1991 von 47 Prozent auf über 56 Prozent in 2017 angestiegen. Der Frauenanteil ist von Aufgabenbereich zu Aufgabenbereich allerdings sehr unterschiedlich. Weibliche Beschäftigte stellen mit über 84 Prozent zudem die deutliche Mehrheit unter den Teilzeitbeschäftigten im öffentlichen Dienst.“ [4]  

    Das bedeutet, dass auch der Anteil von Frauen in den Gewerkschaften wächst bzw. Mitglieder vermehrt unter Frauen gewonnen werden können und müssen. Nur so werden Gewerkschaften wachsen und das Ehrenamt wird gestärkt.

    „Das ehrenamtliche Engagement [muss …] anerkannt und gefördert werden. […] Wenn Beschäftigte durch ein Ehrenamt neue Kenntnisse und Fähigkeiten erlangen, hat das auch einen Mehrwert für die Arbeitgeber. […] Denkbar wäre auch mehr bezahlter Sonderurlaub für die ehrenamtlichen Tätigkeiten.“[5]

    WIE GEWINNEN WIR NEUE MITGLIEDER?

     

    Der gesellschaftliche Wandel fordert mehr Flexibilität und Mobilität. Immer weniger Menschen sind bereit, sich längerfristig an Organisationen und Vereine zu binden, das betrifft gerade auch das persönliche Engagement im politischen Bereich. Stellen wir uns also darauf ein: Lehrer*innen engagieren sich für eine bestimmte Zeit in einem bestimmten Projekt, dann vielleicht für lange Zeit nicht mehr, manchmal kommen sie für ein anderes Projekt zurück. Viele haben nicht (mehr) die Zeit und Gelegenheit, regelmäßig mehrere Stunden z. B. in unserem Verband oder an Wochenenden weit weg von Familie und beruflichem Umfeld zu verbringen.

    Das bedeutet: Wir müssen permanent Aktive gewinnen und uns überlegen, wie das systematisch funktionieren kann. Dabei sollten wir nicht nur die Jungen im Blick behalten. Oft haben Kolleginnen in der Mitte bis hin zum Ende ihres Arbeitslebens wieder mehr Zeit und Lust, sich zu engagieren. Sie bringen wertvolle Erfahrungen aus Familie und Beruf mit.

    Wir sollten Kolleginnen im eigenen Umfeld ansprechen, die sich engagieren wollen und an der Arbeit unseres Verbandes interessiert sind. Auch die Zusammenarbeit mit anderen Verbänden hilft, neue Zielgruppen zu erreichen und die eigenen Reihen durch Wissenstransfer zu stärken.

     

    ARBEIT IN KLEINE PORTIONEN EINTEILEN

     

    Wir müssen die Arbeit und Aufgaben im DPhV „projektfähig machen“. Das bedeutet,

    sie zeitlich zu begrenzen und auf viele Schultern zu verteilen, indem wir „die Arbeit”, so weit möglich, in kleine „Portionen“ einteilen, Mitglieder persönlich ansprechen und um konkrete Unterstützung bitten.

    Durch die Anwendung zeitgemäßer Instrumente für die innerverbandliche Kommunikation

    entstehen neue Formate der Beteiligung und Einbeziehung unserer Mitglieder.

    Gedankenaustausch, Absprachen und Beratungen finden statt, ohne

    dass man physisch zusammenkommen muss: virtuelle Konferenzen sind ebenso möglich wie die gemeinsame schriftliche Bearbeitung von Dokumenten – unabhängig vom persönlichen Standort. Der Einsatz und die kluge Nutzung der elektronischen und Sozialen Medien spart nicht nur Zeit und Geld, sondern lässt auch Leute an der Arbeit und Kommunikation teilhaben, die nicht vor Ort präsent sein können. Bei der Gelegenheit haben wir uns die Präsenz der Gewerkschaften und Verbände in den sozialen Netzwerken genauer angesehen, einige Anregungen erhalten, aber auch viel Potenzial für den Ausbau unserer Wirksamkeit entdeckt.

    Bisher zu wenig haben wir auf unser Verbandsnetzwerk und das hier versammelte Wissen und den Erfahrungsschatz anderer zurückgegriffen. Wir haben viele Expert*innen in unseren Reihen.

    Scheinbar Selbstverständliches muss immer wieder bewusst gemacht und konsequent angewendet werden.

    ERREICHEN WIR MIT UNSEREN PROJEKTEN WIRKLICH UNSERE ZIELE?

     

    Hilfreich ist es, zu hinterfragen, ob wir mit unseren Projekten und Veranstaltungen unsere Ziele auch wirklich erreichen. Sind unsere Herausforderungen individuell oder stehen z. B. andere Verbände vor ähnlichen Problemen?

    Dabei müssen wir unsere potenziellen und aktuellen Mitglieder in den Blick nehmen:

    Welche Rahmenbedingungen finden wir in unseren Schulen, der Region für die Mitgliederwerbung und -einbindung vor? Welche Kolleg*innen wollen und können wir mit unseren Angeboten erreichen? Kennen wir unsere Mitglieder – ihre Erwartungshaltung, ihre Bedürfnisse und was sie in unseren Verband einbringen können?

    Wenn wir wissen, welche Gegebenheiten wir vorfinden, welche Interessen unsere Mitglieder haben, wo Unzufriedenheit herrscht und welche Trends insgesamt auf uns zukommen, können wir zielgerichtet und effektiv handeln.

    Es scheint banal, jedoch auch Folgendes ist in regelmäßigen Abständen zu überprüfen: Sind unsere Mitgliederlisten vollständig? Haben wir alle Kontaktdaten erfasst? Ist die

    Höhe unserer Mitgliedsbeiträge – gemessen an der Kostenentwicklung – noch hinreichend?

    Ist die Beitragsbefreiung bzw. -reduzierung für einzelne Mitglieder oder

    bestimmte Personengruppen (noch) gerechtfertigt? Gibt es in unseren Reihen Vorstandsmitglieder, die neue Ideen blockieren? Oder: Sind wir in einem Flächenland

    mit weiten Anfahrtswegen und damit einhergehenden hohen Reisekosten konfrontiert?

    Nur, wenn wir Schwachpunkte, Potenziale und Chancen erkennen, bleiben wir nicht

    hinter unseren Möglichkeiten zurück!

    Zufriedene Mitglieder sind die Grundlage für eine erfolgreiche Verbandsarbeit. Sie sind diejenigen, die unsere Forderungen unterstützen und verbreiten. Sie erhöhen die Wirksamkeit des DPhV vor Ort, tragen zur Meinungsbildung auf den verschiedenen Verbandsebenen bei, bringen ihre Kreativität und ihre Ideen ein, stärken und werben neue Mitglieder. Bei all dem ist nicht zu vergessen: Ehrenamt soll Spaß machen. Wer sich

    wohlfühlt, ist motiviert, sich zu engagieren, und mit Freude dabei.

    Probleme sind in der Regel „Beziehungsprobleme”. Gerade Frauen wird zugeschrieben, mit Offenheit, Ehrlichkeit und Respekt dem vorzubeugen.

    Was hält also Mitglieder „bei der Stange“ und zieht neue an? Was hat uns selbst dazu bewogen, aktiv zu werden? Wie haben uns andere Mitglieder dabei unterstützt, informiert und geworben? Was hat uns überzeugt, unsere Zeit und Energie in den Verband „zu stecken“? Und was hält uns heute im Verband, was treibt uns an? Die Chancen stehen gut, mit den Antworten auf diese Fragen den Schlüssel für die Mobilisierung von Mitgliedern in der Hand zu halten.

    SO BINDEN WIR NEUE MITGLIEDER EIN UND HALTEN SIE

     

    Die Begrüßung neuer Mitglieder muss zügig erfolgen. Zwischen dem Beitritt und der Kontaktaufnahme – persönlich oder auf schriftlichem Weg, dabei individuell und nicht nach „Schema F“ – darf keine Zeit verstreichen! Echtes Interesse muss signalisiert werden. Dazu gehört auch, sich über persönliche Stärken zu informieren und so zu wissen, wie sich diese Mitglieder mit ihren Expertisen einbringen können. Wir vergessen unsere Mitglieder nicht, denken an ihre Jubiläen und Geburtstage. Weihnachten z. B. nehmen wir als Anlass Danke zu sagen, dabei sind neben Karten natürlich auch andere Formen wie E-Mails legitim.

    Werte, Traditionen und Wissen werden weitergegeben.

    Es wird offen mit Konflikten umgegangen.

    Fehler werden eingestanden und offen angegangen.

    Es ist Platz für Jedermann und Jedefrau und insbesondere junge Leute.

    Wir achten Meinungen, Interessen und fördern so Motivation unserer Mitglieder.

    Es ist Platz für Ideen und Engagement sowie für Expertise.

    Geselligkeit wird gelebt, ein Wir-Gefühl entwickelt, gefördert und kommuniziert.

    Wertschätzung und Dank, Lob und Anerkennung werden praktiziert.

    Es ist wichtig, dass wir transparent über unsere Arbeit im Verband informieren. Das wird wertgeschätzt und motiviert die Frauen sich selbst einzubringen und zu engagieren.

    RECHTZEITIG UND PROFESSIONELL INFORMIEREN

     

    Bei all dem gilt stets: „Tue Gutes und sprich darüber!“ Wir wissen: Kommunikation ist ein wichtiges Bindeglied. Wir haben eine wachsende Zahl/eine Vielfalt verschiedener Kommunikationsmittel zur Verfügung und sollten sie gezielt und gekonnt nutzen, ohne Andere damit zu überfluten. In dem Zusammenhang fanden einige Tricks und Kniffe Interesse, wie z. B. „Elevator“-Pitch: In 30 Sekunden – die Zeit einer Fahrt im „Aufzug“ – erklären können, wer wir sind und was wir tun. Diese Methode ist auch für andere Themen geeignet. Wir müssen rechtzeitig und professionell informieren (d.h. themen- und zielgruppenspezifisch kommunizieren, vollständig und in ansprechendem

    Design). Dabei muss nicht grundsätzlich nach Innen- und Außenkommunikation getrennt werden.

    Im Ergebnis der Videokonferenz zur Stärkung des Ehrenamtes besonders bei Frauen haben die DPhV-Frauen folgende Punkte herausgearbeitet:

    1. Eine stärkere Digitalisierung wirkt sich positiv auf die Teilnahmemöglichkeit an Veranstaltungen aus.
    2. Die Umstellung des wissenschaftlichen Beirats auf nunmehr 1 Tag bietet bessere Bedingungen für die Teilnahme von Frauen.
    3. Durch die Unterstützung der Arbeit der kleinen Landesverbände durch den DPhV wird auch die Arbeit der Frauen erleichtert.
    4. Mittels des DPhV-Vernetzungsseminars wird auch die Erweiterung der Netzwerke der Frauen verbessert.
    5. Die DPhV-Frauen werden durch die neuen Medien (neue DPhV-Homepage und App) nach außen hin gut sichtbar gemacht.

    Der BRA soll sich bei seiner Frühjahrstagung 2021 mit der Frage von besseren Freistellungsmöglichkeiten beschäftigen.

    *Gabriela Kasigkeit ist Vorstandsmitglied des DPhV und Vorsitzende der Frauenpolitischen AG des DPhV. Sie leitete das besprochene Online-Seminar.


    Quellen:

    [1] https://www.labournet.de/politik/gw/gw-in-d/dgb/mitgliederzahlen-der-dgb-gewerkschaften-rutschen- weiter-unter-sechs-millionen/ Seite 3, 17.11.20, 08:47

    [2] https://www.deutschlandinzahlen.de/tab/deutschland/arbeitsmarkt/tarifpolitik/gewerkschaftsmitglieder Seite 1

    [3] Quelle: de.statista.com/ Veröffentlichungsdatum Februar 2020/ Region Deutschland/ Erhebungszeitraum 2010 bis 2019/ Veröffentlicht von J. Rudnicka, 15.07.2020

    [4] Quelle: Webseite des dbb im Nov. 2020

    [5] 05.12.2020 dbb Newsletter Nr. 145/2020 Internationaler Tag des Ehrenamtes/ Silberbach: Ehrenamt anerkennen und stärken

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