Sehr geehrte Frau Bundesministerin, liebe Frau Prien,
wir gratulieren Ihnen herzlich und freuen uns, dass Sie auf Bundesebene die Verantwortung dafür übernommen haben, Bildung in Deutschland, auch in guter Kooperation mit den Ländern, zukunftsfähig und gerecht weiterzuentwickeln. Dazu hat Ihre Partei zusammen mit der SPD wichtige Vorhaben im Koalitionsvertrag niedergeschrieben. Als Deutscher Philologenverband (DPhV) begrüßen wir die darin erwähnte Nutzung des Sondervermögens für die Sanierung der Schulbauten, die Ansätze für exzellente Lehrkräftebildung, eine datenschutzkonforme Bildungs-KI, einen neuen Digitalpakt und die verpflichtende vorschulische Sprach- und Entwicklungsstanddiagnostik. Diese Entscheidungen sind nötig und überfällig. Gut, dass Sie sie angehen! Wir freuen uns darüber!
Wir befürchten jedoch auch, dass die Umsetzung mancher Ziele an der Realität scheitern könnte und wichtige Projekte nicht gut genug umgesetzt werden könnten, da einige der vorgestellten Maßnahmen noch zu unklar sind. Daher appellieren wir an Sie, Frau Prien: Lassen Sie auf die geschriebenen Worte gute und konkrete Taten folgen!
Unser Appell: Viele Maßnahmen stehen etwa unter Finanzierungsvorbehalt. Konkrete Zahlen und verbindliche Zusagen fehlen, insbesondere bei den geplanten Investitionen in die Sanierung und den Neubau von Schulen. Allein für Letzteres werden mindestens 60 Milliarden Euro gebraucht. Und auch der Digitalpakt muss entweder von insgesamt circa 5 Milliarden Euro auf circa 6,5 Milliarden Euro aufgestockt werden, oder besser: Der Bund sollte sich nun mit Ihnen als zuständiger Bundesministerin wieder stärker als mit den bisher vorgesehenen 50 Prozent an der Finanzierung des Digitalpakts 2.0 beteiligen. Eine Orientierung an der Aufteilung der Kosten wie im Digitalpakt 1.0 halten wir für angemessen.
Auch die Stärkung des Bildungsföderalismus als wichtiges demokratieförderndes Prinzip ist begrüßenswert, darf aber – am folgenden konkreten Beispiel gezeigt – nicht auf Kosten der Umsetzbarkeit bundesweit dringend benötigter Maßnahmen gehen, insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Chancengerechtigkeit. Die geplante verpflichtende Teilnahme aller Vierjährigen an einer Diagnostik ihres Sprach- und Entwicklungsstandes ist grundsätzlich ein wichtiger Schritt, doch ohne anschließende verbindliche Fördermaßnahmen für die Stärkung der Schulfähigkeit der Kinder bleibt diese Maßnahme unvollständig. Nehmen Sie den Bund hier stärker in die Verpflichtung, um sowohl Diagnostik als auch gezielte Fördermaßnahmen in den Ländern zu finanzieren und zu etablieren, um eine gute, baldige und bundesweite Umsetzung zu unterstützen. Auch bedarf es zusätzlich konsequenterer Förderung der Leistungseliten unter unseren Schülerinnen und Schülern.
Für die Weiterführung der “Qualitätsoffensive Lehrerbildung“ und für die berufliche Orientierung bitten wir Sie um Folgendes: Zum einen ist es wichtig, dass an den Universitäten klar nach Schularten und ihren Erfordernissen differenziert wird. Gymnasiallehrkräfte etwa benötigen weiterhin ein voll akademisches Studium, um in ihren Fächern Wissenschaftspropädeutik, Studierfähigkeit und vertiefte Allgemeinbildung tatsächlich vermitteln zu können. Zum anderen brauchen wir keine undifferenzierte Berufsorientierung für alle Schularten, sondern einerseits eine berufliche Orientierung in den Gymnasien insbesondere für akademische Berufe und andererseits eine Berufsorientierung insbesondere für nicht-akademische Berufe in den Schularten, die zum ersten und zweiten Schulabschluss führen sollen.
Abschließend möchten wir Sie dafür sensibilisieren, dass die Einführung einer Schüler-ID und einer datengestützten Schulentwicklung nicht notwendig zur Verbesserung der Unterrichtsqualität und der Förderung des einzelnen Schülers führt. So wie bei der geplanten Diagnose auf Schulfähigkeit der Vierjährigen aus unserer Sicht verbindliche Fördermaßnahmen für die Schülerinnen und Schüler fehlen, fehlt dies auch bei der angedachten Schüler-ID. Nach den bekannten PISA-Ergebnissen sind wir überzeugt: Hier muss inhaltlich nachjustiert werden, um Programme und Mittel für zusätzliches Personal bereitzustellen, das Schüler mit indiziertem Förderbedarf fachkundig unterstützt. Eine vom Bund angestrebte datengestützte Schulentwicklung darf nicht zur Zusatzaufgabe für Lehrkräfte werden, die die notwendigen Ressourcen – wie Zeit für gute Unterrichtsvorbereitung und gute Unterrichtsqualität – gefährdet. Hier erwarten wir Transparenz und die rechtzeitige Beteiligung von Lehrer-, Schüler- und Elternverbänden auf Bundes- und auf Landesebene. Wir brauchen statt zusätzlicher Belastung Entlastung für Lehrkräfte und Schulleitungen!
Die vorgesehene Einführung KI-gestützter Lernplattformen zur Schaffung personalisierter Lernangebote ist zwar ein Schritt in die richtige Richtung. Datenschutz- und Ethikstandards müssen allerdings zuvor für den Umgang mit Hochrisiko-KI (EU-AI-Act) in Schulen verantwortungsbewusst reflektiert, geklärt und dann unverzüglich umgesetzt werden.
Wir stehen gerne bereit, Sie nicht nur bei den genannten Anliegen kritisch-konstruktiv zu begleiten, geehrte Frau Ministerin Prien! Wir setzen Vertrauen in Sie – für die Zukunft unserer Kinder und damit für die gute Zukunft unseres Landes!