Fragen der Lehrkräftebildung – diesmal aus der Perspektive eines Studienreferendars

    Interview mit Patrick Eversen, Referendar in Niedersachen

    Patrick Eversen im Interview für PROFIL

    Patrick Eversen (Quelle: PhV Niedersachsen)

    PROFIL: Ein Wort zu Ihrer Biografie, Herr Patrick Eversen: Herkunft, Schulbildung, Studium

    Patrick Eversen: Ich bin aufgewachsen in Stade und habe am Vincent-Lübeck-Gymnasium mein Abitur 2019 gemacht. Anschließend bin ich für das Studium der Fächer Mathematik und Chemie nach Kassel gezogen. Im Herbst 2024 habe ich dann mein Erstes Staatsexamen absolviert. Momentan bin ich am Studienseminar Göttingen.

    Was waren Ihre persönlichen Motive, sich für den Studiengang Höheres Lehramt zu entscheiden?

    Die Frage nach den Motiven begegnet einem immer wieder – und sie bleibt schwer zu beantworten, weil es für mich sehr viele Motive gibt: Für mich war es die Begeisterung für Mathematik und Chemie, die mich dazu gebracht hat, Lehramt zu studieren. Beide Fächer ermöglichen es, alltägliche Phänomene zu erklären, und eröffnen neue Perspektiven auf die Welt. Mathematik legt den Grundstein für logisches, kritisches Denken und präzises Argumentieren, während Chemie einen direkten Bezug zur Realität bietet und viele gesellschaftlich relevante Themen berührt.

    Als Lehrer möchte ich dazu beitragen, dass junge Menschen verantwortungsbewusst in die Gesellschaft hineinwachsen und eine fundierte Allgemeinbildung erlangen. Fachunterricht spielt dabei eine entscheidende Rolle, da er konkrete Antworten liefert und die Schülerinnen und Schüler in ihrer Studierfähigkeit stärkt, denn diese sind die Zukunft. Zudem halte ich es für enorm wichtig, die nächste Generation dabei zu unterstützen, Eigenverantwortung zu entwickeln – eine Kompetenz, die in einer zunehmend komplexen Welt essenziell ist. Besonders wichtig ist mir, dass die Schülerinnen und Schüler das nötige, grundlegende Fachwissen erwerben, um fundierte Entscheidungen in ihrem Leben treffen zu können.

    Was waren die Motive für Ihre Fächerwahl?

    Mathematik und Chemie haben mich schon in der Schule fasziniert – da hat, salopp gesagt, einfach die Chemie gestimmt.

    Mathematik begeistert mich, weil sie Logik in Reinform ist. Auch wenn das Studium über die schulischen Inhalte hinausgeht, bleibt Mathematik ein Werkzeug, mit dem man Alltagsprobleme lösen, modellieren und strukturiert denken kann. Das deduktive Vorgehen, das von der Mathematik auf viele andere Lebensbereiche übertragbar ist, fasziniert mich besonders.

    Chemie hat mich von Anfang an gepackt, weil sie in allem steckt, was uns umgibt. Besonders spannend finde ich das Potenzial, mit chemischen Modellen die Welt zu erklären. Wirklich schön an Chemie ist zudem das Experimentieren: Hypothesen lassen sich im Labormaßstab überprüfen und damit greifbar machen. Die Kombination aus Mathematik und Chemie ist für mich ideal – beide Fächer ergänzen sich hervorragend, auch wenn das Studium herausfordernd war. Doch die Begeisterung für die Inhalte ist geblieben, und ich bin zuversichtlich, dass das auch in Zukunft so sein wird.

    Wie beurteilen Sie im Nachhinein das Verhältnis von fachlicher Ausbildung zu den fachdidaktischen Inhalten während Ihres Studiums?

    Oft höre ich – sei es von Kommilitonen und Kommilitoninnen, Freunden oder aus den Medien –, dass das Lehramtsstudium zu fachwissenschaftlich ausgerichtet sei. Ein weit verbreiteter Konsens scheint zu sein, dass die Passung zur schulischen Praxis fehle und das Studium zu stark auf die Fachwissenschaft fokussiert sei. Natürlich kann ich hier nur aus meiner eigenen Erfahrung an der Universität Kassel sprechen.

    Ich persönlich habe die fachwissenschaftliche Ausbildung als sehr nützlich und gewinnbringend empfunden. Meiner Meinung nach können die Denk- und Arbeitsweisen der jeweiligen Fächer nur durch eine intensive fachwissenschaftliche Auseinandersetzung reifen. Fachliche Kompetenzen festigen sich nicht von heute auf morgen, sondern entwickeln sich über Jahre hinweg. Gerade weil ich während meines gesamten Studiums fachwissenschaftliche Veranstaltungen besucht habe, konnte sich bei mir eine gewisse Haltung gegenüber meinem Fach etablieren.

    Für mich war die fachwissenschaftliche Ausbildung ein großer Gewinn, denn ich bin überzeugt, dass eine solide fachliche Grundlage essenziell für eine gute fachdidaktische Ausbildung ist. Daher hat es mich auch nicht gestört, dass ich zum Beispiel in den ersten beiden Semestern keine fachdidaktischen Veranstaltungen hatte. Dadurch konnte ich mich später umso intensiver mit fachdidaktischen Fragestellungen beschäftigen, ohne mich jedes Mal zusätzlich in fachliche Inhalte einlesen zu müssen.

    Insgesamt hatte ich vielfältige Einblicke in den Fachdidaktiken und konnte daraus einiges für meine spätere Unterrichtspraxis mitnehmen. Auch die Schulpraktika (ein Blockpraktikum und je ein semesterbegleitendes Praktikum pro Fach) waren sehr aufschlussreich.

    Schade finde ich, dass das Lehramtsstudium heutzutage häufig nur unter Nützlichkeitsaspekten betrachtet wird – gerade im Kontext des aktuellen Lehrkräftemangels. Dabei wird oft lediglich geprüft, ob das im Studium erworbene Fachwissen direkt im Unterricht angewendet werden kann, während die weitergehenden Fähigkeiten und die fachliche Haltung, die man sich über Jahre hinweg erarbeitet, kaum Beachtung finden.

    Welchen Eindruck haben Sie bisher von der Verzahnung Ihrer Universitätsausbildung und der zweiten Phase (Referendariat), in der Sie sich jetzt befinden?

    Für mich stellt sich zunächst die Frage, was genau unter „Verzahnung“ verstanden wird. Oft wird gefordert, dass es bereits im Studium möglichst viel Praxis geben sollte. Doch diese Forderungen bleiben häufig unkonkret – was bedeutet „mehr Praxis“ eigentlich? Sind damit zusätzliche Praktika gemeint? Und wie ließe sich Praxis überhaupt messen? Verzahnung bedeutet für mich nicht zwangsläufig, dass Theorie und Praxis parallel laufen müssen.

    Gerade für Lehramtsstudierende, die – wie ich – in einem Bundesland studiert und in einem anderen ihr Referendariat begonnen haben, stellt sich die Verzahnung oft als besondere Herausforderung dar. Dennoch sehe ich sie bspw. weniger in der Anzahl an Praktika, sondern vielmehr in der inhaltlichen Verbindung zwischen Universität und Vorbereitungsdienst bzw. den Studienseminaren. Im Studium hatte ich mit vielen theoretischen Konzepten Kontakt, deren Relevanz mir erst jetzt im Referendariat wirklich bewusst wird. Eine sinnvolle Verzahnung bedeutet für mich daher nicht zwangsläufig mehr Praxisphasen, sondern vielmehr eine stärkere Reflexion und Anwendung theoretischer Inhalte im schulischen Kontext.

    Welche Wünsche hätten Sie für die Arbeit des Philologenverbands in Bezug auf Lehrerbildung und die Unterstützung der Studienreferendare?

    Ich halte die zweiphasige Lehrkräfteausbildung nach wie vor für sehr wichtig – wie auch internationale Organisationen wie die OECD betont haben. Ein solides fachwissenschaftliches Studium ist entscheidend, um junge Menschen optimal auf ihr eigenes Studium und die aktive Teilhabe in der Gesellschaft vorzubereiten. Daher sollte sich der Philologenverband weiterhin stark für diese Zweiphasigkeit einsetzen.

    Bestrebungen hin zu einem dualen Studium sehe ich kritisch. Zum einen fehlen derzeit ausgereifte Konzepte für eine sinnvolle Umsetzung, zum anderen würde dies meiner Meinung nach den sogenannten Praxisschock lediglich verlagern, nicht aber vermeiden und die fachliche Ausbildung schwächen. Das Studium ermöglicht es, mit einer gewissen Distanz eine reflektierte Perspektive auf Schule zu entwickeln – eine Perspektive, die im späteren Berufsalltag von großem Wert ist. Insgesamt wäre der Einsatz für eine Passung zwischen Fach und entsprechender Fachdidaktik sowie Pädagogik sinnvoll, die Anforderungen abdecken.

    Ebenso halte ich es für wichtig, an einer lehramtsspezifischen Lehrkräfteausbildung festzuhalten, da nur so eine optimale Förderung und Forderung der Schülerinnen und Schüler gewährleistet werden kann.

    Darüber hinaus wünsche ich mir, dass sich der Philologenverband weiterhin konsequent für die Belange von Lehrkräften einsetzt – und dabei insbesondere auch Studierende, Referendarinnen und Referendare stärker in den Blick nimmt.

    Sicherlich gibt es auch noch mehr Wünsche für die Lehrerausbildung, aber die richten sich eher an das Kultusministerium.

    Schließlich gilt für mich: Nur wer selbst eine sehr gute Ausbildung genießen durfte, kann auch sehr guten Unterricht gestalten.

    Ist Ihnen unsere DPhV-Bundesarbeitsgemeinschaft der Jungen Philologen bekannt? Können Sie sich eine Kontaktaufnahme vorstellen?

    Ja, die AG der JuPhis ist mir natürlich bekannt! Oftmals werden Gewerkschaften und Verbände in der öffentlichen Wahrnehmung vor allem mit Streiks, Konflikten oder rechtlichen Auseinandersetzungen in Verbindung gebracht. Doch meine bisherigen Erfahrungen mit den JuPhis zeigen ein ganz anderes Bild.

    Auf den Sitzungen, bei denen ich mit JuPhis aus ganz Deutschland zusammengekommen bin, stand für mich vor allem der fachliche und persönliche Austausch im Mittelpunkt. Die AG der JuPhis bietet eine wertvolle Möglichkeit, über den eigenen Tellerrand hinauszuschauen und Einblicke in die Situation anderer Bundesländer zu gewinnen – das ist sonst nicht jeden Tag möglich. Hieraus lassen sich viele wertvolle Impulse für die eigene Arbeit in der Schule ableiten.

    Die Fragen an Patrick Eversen stellte Walter Tetzloff

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