Interview mit Laura Mistler, Lehramtsstudentin in Nordrhein-Westfalen
- Liebe Laura Mistler, zunächst bitte ein paar Worte zu Ihrer Biographie (Geburtsort, Wohnort, schulische Laufbahn, Studienbeginn):
Ich bin in Bergisch Gladbach geboren und wohne derzeit in Wuppertal. 2022 habe ich mein Abitur am Dietrich-Bonhoeffer-Gymnasium in Wiehl gemacht. Im selben Jahr, zum Wintersemester 2022/2023, habe ich mein Studium begonnen.
- Was war Ihre Motivation für ein Studium des Höheren Lehramtes?
Grundsätzlich darf ich anmerken, dass ich schon seit meiner Kindheit unbedingt Lehrerin werden möchte. Der Hauptgrund dafür ist, dass ich gern Kindern und Jugendlichen helfe und sie unterstütze, sie zum Lernen motiviere und fundiertes Wissen vermitteln möchte. Es würde mich tatsächlich sogar „ehren“, ein Teil der Entwicklung, im fachlichen wie pädagogischen Sinne, vieler junger Menschen sein zu dürfen. Es ist ein großartiges Gefühl, eine vertiefte Allgemeinbildung zu vermitteln und zu wissen, dass den jungen Menschen im Anschluss eine fundierte schulische Bildung die Welt offen steht, sodass sie beruflich das tun können, was sie glücklich und zufrieden machen kann.
- Was war Ihre Motivation für die Wahl Ihrer beiden Studienfächer, Frau Laura Mistler?
Meine Studienfächer sind Geschichte und Sport, und die jeweiligen Motivationen dafür sind so unterschiedlich wie die Fächer selbst. Sport habe ich gewählt, weil ich es liebe, mich zu bewegen, und es bekanntlich sinnvoll ist, etwas zu studieren, das einem Spaß macht. Das Sportstudium macht mir besonders viel Freude, vor allem wegen des hohen Praxisanteils und der tollen Kommilitonen. Für mein späteres Berufsleben freue ich mich darauf, Kinder zu fördern und zu fordern, sie an ihre Grenzen zu bringen und möglichst vielen den Spaß am Sport zu vermitteln. Ich wünsche mir, dass sich die Kinder im Sportunterricht wohlfühlen und sich mehr zutrauen. Sport kann über den Unterricht hinaus Selbstbewusstsein vermitteln, das soziale Verhalten stärken und einen Ausgleich zum langen Sitzen in der Schule bieten. Dieser letzte Aspekt hat mich auch persönlich motiviert, denn ich selbst bin eben ein Bewegungsmensch, kann auch schlecht den ganzen Tag ruhig sitzen.
Geschichte hingegen ist ein ganz anderes Fach. Als bewegungsfreudiger Mensch fällt mir das Studium manchmal schwerer, da es teilweise „trocken“ sein kann. Dennoch halte ich Geschichte für unglaublich wichtig und spannend für unsere Gesellschaft. Das Fach leistet einen unverzichtbaren Beitrag zur Bildung, dadurch dass neben Wissen auch wichtige Werte und Kompetenzen vermittelt werden, die für das Leben in einer globalisierten und demokratischen Gesellschaft notwendig sind. Wenn Schülerinnen und Schüler in der Schule nicht lernen, wie bedeutsam dieses Fach für unsere Gesellschaft und unser Leben ist, wird es für sie später schwieriger, mündige und reflektierte Bürger zu sein. Geschichte stärkt das Bewusstsein für Zusammenhänge und Verantwortung. Oft höre ich, dass Geschichte in der Schule langweilig sei. Natürlich gehe ich mit der Motivation an das Fach heran, dies spannender zu gestalten, um den Zugang für die Schülerinnen und Schüler zu erleichtern. Letztendlich freue ich mich auf die Abwechslung, die sich durch die Unterschiedlichkeit meiner beiden Fächer ergibt.
- Wie beurteilen Sie das Hochschulangebot in Bezug auf wissenschaftliche Qualität und Berufsvorbereitung?
Die wissenschaftliche Qualität wird in meinen beiden Fächern hochgehalten. In Geschichte setzen wir uns intensiv mit Quellen auseinander und lernen, Themen wissenschaftlich aufzuarbeiten. Dieses Können müssen wir in zahlreichen Hausarbeiten unter Beweis stellen. In Sport lernen wir unterschiedliche Arbeitsweisen kennen, zum Beispiel wie die Wissenschaften in den Bereichen Sozialwissenschaften und Pädagogik anders arbeiten als in Medizin, Bewegungs- und Trainingswissenschaften. Die Berufsvorbereitung im Fach Sport finde ich sehr zielgerichtet. Besonders die Praxisveranstaltungen haben oft einen direkten Bezug zur Schule. In Geschichte würde ich mir einen ähnlichen Praxisbezug wünschen. Das Problem ist jedoch, dass viele meiner Kommilitonen nicht an Schulen arbeiten möchten und wir daher unterschiedliche Interessen in den Vorlesungen haben. Dadurch fehlt mir der Praxisbezug im Fach Geschichte leider ziemlich stark.
- Welche Praktika sind Bestandteile Ihres Studiums, und welches konkrete Ziel haben diese?
In der Bachelor-Phase absolviert man ein Eignungs- und Orientierungspraktikum (EOP), das an meiner Universität 5 Wochen dauert und dazu dient, einen Einblick in den Schulalltag zu gewinnen. Ziel ist es, herauszufinden, ob man sich den Lehrberuf für das eigene Berufsleben wirklich vorstellen kann und ob man geeignet ist für den Lehrerberuf. Dabei hat man möglicherweise auch die Gelegenheit, eine Unterrichtsstunde mitzugestalten. Zusätzlich ist ein Berufsfeldpraktikum in einer anderen Branche vorgesehen, sofern keine Anrechnung, beispielsweise durch eine vorherige Ausbildung, möglich ist. In der Master-Phase folgt dann ein Praxissemester. Dabei verbringt man einen Monat an einer Schule und setzt sich vertieft mit der praktischen Arbeit auseinander. Hier wird es definitiv zu eigenen Unterrichtsversuchen kommen. Am Ende des Studiums steht schließlich das Referendariat…
- Stichwort: Freiheit im Studium contra Grad der „Verschulung“
Hier muss ich zwischen meinen beiden Fächern unterscheiden: In Geschichte habe ich zwar einen Plan, welche Inhalte ich abdecken muss, aber die Seminare und Übungen in den einzelnen Modulen kann ich oft relativ frei wählen – sowohl nach meinen Interessen am jeweiligen Thema als auch nach der „Sympathie“ für den Dozenten. In Sport hingegen ist vieles stärker vorgegeben, was ich persönlich aufgrund der klaren Zielorientierung teilweise sogar schätze. Es gibt zwar auch einige Wahlmöglichkeiten, aber letztendlich hängt es oft vom Glück ab, ob man in die gewünschten Kurse kommt. Außerdem möchte ich anmerken, dass man für das Bachelor-Master-System gefühlt ein eigenes Studium benötigt, allein um den Überblick zu behalten. Besonders der Optionalbereich kann herausfordernd sein, da man zusätzlich auch digitale Kompetenzen abdecken muss. Viele Studierende fühlen sich überfordert, vor allem was die Organisation ihres Studiums angeht.
- Welche Bedeutung hat die zunehmende (und zugenommene) Digitalisierung für Sie als Studentin (in Bezug auf Wissenserwerb und Leistungsnachweise), Frau Laura Mistler?
Leistungsnachweise werden immer anspruchsvoller. Spicker gehören der Vergangenheit an! Es wird jedoch auch zunehmend schwieriger, den Studierenden die Motivation zum Lernen zu vermitteln – insbesondere auch dann, wenn es darum geht, Fakten einfach nur zu lernen –, wenn sie einfach eine Frage in eine KI eingeben können und direkt eine Antwort erhalten. Wir müssen deutlich machen, dass KI nicht immer alles richtig macht und wie wichtig es ist, selbstständig zu denken. Die Digitalisierung ist dabei Fluch und Segen zugleich: Sie eröffnet viele Möglichkeiten, bringt aber auch neue Herausforderungen mit sich.
- Welche Herausforderung stellt die Künstliche Intelligenz für Sie oder Ihre Kommilitoninnen und Kommilitonen dar?
Viele Studierende nutzen KI, um ihren Unialltag zu erleichtern. Sie kann verschiedene Aufgaben vereinfachen, wie beispielsweise das Zusammenfassen von Texten. Die größte Herausforderung besteht jedoch vermutlich darin, der Versuchung zu widerstehen, die KI zu viel für uns erledigen zu lassen. Eine weitere Herausforderung wird darin liegen, den Unterricht zeitgemäß zu gestalten, dabei jedoch sicherzustellen, dass er weiterhin effektiv bleibt und die Schülerinnen und Schüler zum eigenständigen Denken angeregt werden. Schließlich wachsen die kommenden Generationen mit der Technologie auf und haben dadurch möglicherweise mehr Erfahrung und Bezugspunkte als ältere Generationen.
Welche Gründe und Motive sind nach Ihrer Einschätzung für die in Deutschland recht hohen Studienabbrecherquoten verantwortlich, Laura Mistler?
Es gibt viele Gründe für die hohe Abbruchquote im Lehramtsstudium. Einerseits habe ich den Eindruck, dass viele junge Abiturienten nach dem Schulabschluss von den zahlreichen Studienmöglichkeiten überfordert sind und oft nicht genau wissen, was sie können und wollen. Der Beruf der Lehrkraft ist ihnen hingegen vermeintlich bekannt und präsent. Ich habe oft gehört, dass einige zunächst Lehramt studieren, um nicht untätig zu sein, und es als Übergangslösung betrachten, bis sie etwas „Besseres“ finden. Hinzu kommt, dass die Erwartungen an das Studium häufig nicht mit der Realität übereinstimmen. In vielen Fächern fehlt es an Praxisbezug, und nicht alles macht durchgehend Spaß. Außerdem dauert das Studium mindestens fünf Jahre, und man kann es nicht einfach „aussitzen“. Die Anforderungen in manchen Fächern oder Seminaren sind anspruchsvoll und können abschreckend wirken. Ein weiterer Faktor ist die hohe Eigenverantwortung, die das Studium verlangt. Diese kann für viele Studierende schnell überfordernd sein.
Die Fragen stellte Walter Tetzloff an Laura Mistler.