„Auf dem Land ist die Stimmung gelassener als in der Stadt“

    Besuch am Geschwister-Scholl-Gymnasium Nossen

    Nossen – Dieses Gymnasium ist mehr als Schule. Es ist ein Ort für Bildung, für Weiterentwicklung, für das Entdecken der eigenen Talente. Aber auch DER Ort für Freunde, Hobbys, soziales Leben. Wer am Geschwister-Scholl-Gymnasium in Nossen (Sachsen) Abitur macht, bekommt mehr als nur einen Zugang zum Hochschulstudium. Er bekommt damit auch mehr als nur ein Ticket vom Land in die Stadt – das ihn vielleicht an die TU Dresden, an die Hochschule Mittweida oder an die Universität Leipzig führt. Vielmehr bekommt man ein Ticket ins Leben. Die Schülerinnen und Schüler, die das Geschwister-Scholl-Gymnasium besuchen, kommen teils von weit her – im Umkreis von 20 Kilometern ist es das einzige Gymnasium. Ein Drittel der Lehrkräfte pendelt aus Dresden (40 km), der Schulleiter, Dr. Bert Xylander (55), aus Meißen (20 km).

    Dr. Bert Xylander leitet das Gymnasium seit 2018; Quelle: Hübschmann
    Foto: privat

    „Tradition und Moderne“

    „In dieser Schule zeigen sich Tradition und Moderne gleichermaßen“, sagt Bert Xylander. Eine liebevoll restaurierte Aula mit Orgel und eine Bibliothek, die in ihrer baulichen Beschaffenheit und Ausstrahlung eher an Hogwarts erinnert und die mit ihrem Literaturbestand von mehreren tausend Werken (die Schulbücher lagern in einem anderen Raum, das älteste Buch ist aus dem Jahr 1876 und ausgeliehen wird sehr viel Manga) so gar nicht in den Rahmen einer Schulbibliothek passt, künden von der wechselvollen Geschichte als königlich-sächsisches Lehrerseminar und nachfolgend als Institut für Lehrerbildung zu DDR-Zeiten. Zugleich spiegelt die moderne Ausstattung der Unterrichtsräume und der naturwissenschaftlichen Kabinette (das Chemielabor ist vielmehr ein Forschungslabor, das man an einer Universität verorten würde) die Bedeutung, die der Landkreis Meißen als Schulträger dieser Bildungsstätte zumisst.

    740 Schülerinnen und Schüler besuchen derzeit das klassische humanistische Gymnasium, 55 Lehrkräfte unterrichten hier. Ab Klasse 8 können die Schülerinnen und Schüler zwischen einem künstlerisch-musischen Profil, einem naturwissenschaftlichen Profil und Latein als dritter Fremdsprache wählen. Im regulären Sprachenangebot: Englisch, Französisch, Spanisch. Unterrichtszeit ist von 7.45 Uhr bis 14.20 Uhr, eine Ganztagsbetreuung ist bis 16 Uhr möglich.

    „Bildung ist toll!“

    Dass er das Land-Gymnasium entspannter findet als ein Gymnasium in der Stadt, macht Bert Xylander (Unterrichtsfächer Mathematik und Physik) deutlich, aber auch, dass es deswegen keine „Insel der Glückseligkeit“ sei.

    Über allem steht für den promovierten Mathematikdidaktiker, der seit 2018 als Schulleiter im Amt ist, eines: die Bildung. „Bei uns geht’s um Goethe und um Mathematik – und warum? Einfach, weil es toll ist. Bildung ist toll! Bildung ist wichtig, viel wichtiger als bloße Kompetenzorientierung“, stellt Xylander klar und verweist auf seine engagierten Kolleginnen und Kollegen, die gemeinsam mit ihm jeden Tag vor der Herausforderung stehen, den Anspruch der gymnasialen Bildung unter den alltäglichen Gegebenheiten („Stichwort Heterogenität“) und gesellschaftlichen Entwicklungen aufrecht zu erhalten und umzusetzen.

    Bildung beinhaltet für Bert Xylander aber auch die Förderung und Begleitung der Persönlichkeitsentwicklung und der pädagogische Umgang mit allem, was dazu gehört. „Auf dem Land hat Gymnasium eine ganz andere Funktion als in der Stadt“, sagt Bert Xylander. „Es ist DER soziale Ort, der Ort, an dem man sich mit seiner Peergroup trifft und lebt. Wenn der letzte Schulbus 14.30 Uhr fährt, trifft sich 15 Uhr keiner mehr zum gemeinsamen Abhängen im Park außerhalb der Schule.“

    Wichtig ist Bert Xylander das selbst entwickelte schulische Präventionskonzept mit seinen jahrgangsspezifischen Schwerpunkten und einer systemischen Herangehensweise. „Natürlich haben auch wir Probleme mit Drogen, Ernährungsstörungen, Mediennutzung oder Fragen zur Sexualität, die beantwortet werden müssen“, hält er fest. „Wichtig ist es daher, die Kinder und Jugendlichen und auch ihre Eltern zu sensibilisieren, Wege und Ansprechpersonen aufzuzeigen – und Probleme nicht zu ignorieren.“

    „Wir sind hier wie eine Familie“, erklärt Schulsprecher Nick Schindler (16), der die 11. Klasse am Geschwister-Scholl-Gymnasium besucht. Schulsprecherin Jordan Post (16, 10. Klasse) pflichtet ihm bei: „Wir haben ein richtig gutes Verhältnis zu den Lehrerinnen und Lehrern hier.“ Beide erinnern sich noch mit Schrecken an die Zeit der Corona-Pandemie. „Ich habe meine Freunde zwei Jahre nicht gesehen“, sagt Jordan. „Die Schule ist unser wichtigster und einziger Treffpunkt.“

    Jordan Post (16) und Nick Schindler (16) fühlen sich am Geschwister-Scholl-Gymnasium in Nossen sehr wohl; Quelle: GSG Nossen

    „Wir können doch pendeln“

    Ob sie denken, dass sie auf dem Land weniger Chancen haben als auf einem Gymnasium in der Stadt? „Auf keinen Fall“, antworten beide resolut. Nick: „Wir haben hier vielleicht weniger Möglichkeiten, aber wir finden das, was wir vor der Tür haben, richtig gut.“ Für die Zukunft haben die beiden Schulsprecher aus Nossen auch schon Pläne gemacht: Nick kann sich vorstellen, Wirtschaftsinformatik in Dresden zu studieren, Jordan fände ein Medizinstudium in der sächsischen Landeshauptstadt toll. Aber deswegen Nossen verlassen? „Nein“, sagen beide. „Wir können doch pendeln. Auf dem Land lebt es sich einfach entspannter.“

     

    von Karolina Pajdak

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