Wo kommen die Informatik-Lehrkräfte für Hamburg her, Senatorin Bekeris?

    Senatorin Bekeris

    Ksenija Bekeris (46, SPD) ist studierte Diplom-Soziologin, arbeitete in Hamburg als Berufsschullehrerin und ist seit Januar 2024 Bildungssenatorin in der Hansestadt (Credit: Senatskanzlei Hamburg)

    Hamburg – Ihr Amtsvorgänger Ties Rabe war 13 Jahre lang Senator für Schule und Berufsbildung in Hamburg – so lange wie kaum ein anderer Kultusminister. Seit Januar ist nun Ksenija Bekeris (46, SPD) für Bildung in der Hansestadt zuständig. PROFIL traf sie in ihrem Büro zum Interview.

    PROFIL: Senatorin Bekeris, für Sie hat im August das erste neue und volle Schuljahr im Amt begonnen. Welches Klassenziel haben Sie sich gesetzt?

    KSENIJA BEKERIS: Der Beginn eines neuen Schuljahres ist immer ein ganz besonderer Moment – natürlich auch für mich. Wir sind mit neunzig Hamburger Schulen in dem BMBF-Programm „Startchancen“ vertreten und ich wünsche mir dafür einen richtig guten neuen Schwung, mit dem es uns gelingt, möglichst viele Schülerinnen und Schüler zu unterstützen, ihre Potenziale und Kompetenzen weiter auszubauen.

    Sie sind selbst Berufsschullehrerin. Gibt es etwas, was Ihnen ganz besonders am Herzen liegt?

    BEKERIS: Ich weiß um die Phase, in der Schülerinnen und Schüler ins Erwachsenenleben übergehen. Diese aufregende Zeit angemessen zu begleiten, das finde ich besonders wichtig.

    Hamburg schafft nun an den Gymnasien die bislang verpflichtenden schriftlichen und mündlichen Prüfungen zum Abschluss der Mittelstufe ab. Der Philologenverband ist dafür im letzten Gespräch mit Ihnen im Juli eingetreten. Was hat Sie bewogen, dies umzusetzen und was versprechen Sie sich davon?

    SENATORIN BEKERIS: An den Schulen hat die 10. Klasse ein sehr verdichtetes Programm aufgezeigt. Wir haben aber einen sehr guten Überblick über den Leistungsstand der Schülerinnen und Schüler. In den letzten Jahren haben wir ein so enges Netz an Schülerleistungsstudien (KERMIT, Anm. d. Red.) über die einzelnen Klassenstufen hinweg geschaffen, dass die individuelle Entwicklung jedes Jugendlichen auch ohne diese zusätzliche Überprüfung im Frühjahr gut beurteilt werden kann. Ich erhoffe mir dadurch eine Entlastung für die Schülerinnen und Schüler, aber auch für die Lehrkräfte, die so mehr Kapazitäten für anderes haben.

    Ab nächstem Schuljahr soll das Fach Informatik flächendeckend an allen Gymnasien eingeführt werden. Wo kommen die Lehrkräfte dafür her?

    BEKERIS: Wir führen jetzt mit sieben Pilotschulen das Fach ein, um Erfahrungen zu sammeln, bevor es für alle im nächsten Schuljahr verpflichtend wird. Wir haben rein rechnerisch in Hamburg genug Informatiklehrkräfte, die sich aber sehr unterschiedlich auf die Schulen verteilen und an ihren Schulen auch für andere Aufgaben eingesetzt werden. Deshalb haben wir eine sehr aufwendige Fortbildungsreihe aufgelegt, um dann tatsächlich im nächsten Schuljahr auch genügend Lehrkräfte zu haben.

    So wie als ein Mittel gegen den Lehrkräftemangel an Grundschulen die Höhergruppierung der Grundschullehrkräfte nach A13 erfolgte, ist die vom Philologenverband geforderte höhere Einstiegsgruppierung der Lehrkräfte an weiterführenden Schulen neu nach A14 sicherlich auch insbesondere für die anzuwerbenden Informatiklehrkräfte attraktiv. Nehmen Sie dieses Mittel in die Hand?

    SENATORIN BEKERIS: Nein, das ist für uns kein Thema.

    Hamburg kämpft weit weniger mit Lehrkräftemangel als manch anderes Bundesland. Trotzdem werden jedes Jahr 900 neue Lehrkräfte benötigt. Die Zahl der Seiteneinsteiger ist zuletzt auch in Hamburg stark gestiegen. Wie wird sich das in Zukunft gestalten?

    BEKERIS: Wir haben die Anzahl der Lehrkräfte im Vorbereitungsdienst ausgeweitet und sind aktuell dabei, 1350 Lehrkräfte auszubilden. Das bedeutet, dass die Zahl der Lehrkräfte ausreichen wird. Natürlich wissen wir, dass manch einer sich nach der Ausbildung für ein anderes Bundesland oder doch für eine andere Laufbahn entscheidet, weshalb wir weiterhin den Seiteneinstieg fördern.

    Gemeinsam mit dem DPhV halten auch Sie – anders als die KMK – die Ein-Fach-Lehrkraft für kein unterstützenswertes Modell. Bleiben Sie dabei?

    BEKERIS: Wir haben den KMK-Beschluss mitgefasst, weil wir wissen, dass andere Bundesländer vor anderen Herausforderungen stehen als wir in Hamburg. Für uns ist und wird das aber kein Modell sein.

    Der DPhV spricht sich gegen ein ausbildungsintegrierendes, einphasiges duales Lehramtsstudium aus. Kann der Verband hier auf Sie zählen?

    SENATORIN BEKERIS: Zur Sicherung der Lehrkräftebildung hat Hamburg viele Maßnahmen umgesetzt, darunter die Ausweitung des Quereinstiegs, die Einführung qualifizierter Seiten einstiege oder des Master-Quereinstiegs. Dadurch kann bei uns der Lehrkräftebedarf grundsätzlich gedeckt werden. Ein alternatives Modell wie das des ausbildungsintegrierenden, einphasigen dualen Lehramtsstudiums ist derzeit nicht vorgesehen, zumal die Phasen der Lehrkräftebildung bereits eng verzahnt arbeiten, insbesondere bei der Ausgestaltung umfangreicher Praxisphasen. Hamburg bleibt bei der Zweiphasigkeit.

    Die Schulsenatorin auf dem Schulhof der Hamburger Grundschule Turmweg. Dort unterstützte sie die Aktion „Pflanz eine kleine Welt!“ (Credit: Philine Hamann/BSB)

    In Hamburg arbeitet mehr als die Hälfte aller Lehrkräfte nicht in Vollzeit. Das Hamburger Arbeitszeitmodell entlastet diese Lehrkräfte gerade nicht, sondern belastet sie. Wann werden Sie hier gegensteuern?

    BEKERIS: Der Anteil an Teilzeitbeschäftigten ist über die Jahre mit einem leichten Anstieg relativ konstant. Festzustellen ist, dass vor allem Frauen im Schuldienst mit einem hohen Anteil in Teilzeit beschäftigt sind. Werden diese Zahlen in Relation zu den Altersgruppen gesetzt, so wird der Zusammenhang zu Familiengründungen deutlich. Der in der Frage hergestellte Kontext zu höheren Belastungen kann daher so nicht nachvollzogen werden. Das Hamburger Lehrerarbeitszeitmodell ist einzigartig in Deutschland und hat sich seit vielen Jahren bewährt. Es soll die reale Arbeitszeit von Lehrkräften mit ihren unterschiedlichsten Aufgaben möglichst fair abbilden. Das gelingt dem Hamburger LAZ weitestgehend, ganz im Unterschied zu den herkömmlichen Deputatsmodellen in anderen Bundesländern.

    Der DPhV spricht sich schon lange für eine verbindliche Grundschulempfehlung aus. Dieses Thema nimmt nun in verschiedenen Bundesländern wie der Fahrt auf, nachdem Sachsen und Bayern nie darauf verzichtet haben. Sachsen-Anhalt, Berlin und Baden-Württemberg ziehen nun nach. Hamburg in absehbarer Zeit auch?

    BEKERIS: Es gibt Bestrebungen, die Grundschulempfehlung komplett abzuschaffen und es gibt Bestrebungen, sie verbindlich zu gestalten. In Hamburg sprechen wir am Ende der Grundschulzeit eine Empfehlung für Eltern und Kinder aus, die wichtig ist, eine Orientierung gibt aber nicht verbindlich ist. Genau bei diesem Mittelweg werden wir bleiben.

    Der Philologenverband wünscht sich, dass es nicht nur die Möglichkeit der Querversetzung in Jahrgangsstufe 6 und 10 gibt, sondern durchgehend ab Jahrgangsstufe 5, um eine bessere Passung zwischen Kind und weiterführender Schulart zu ermöglichen. Können wir hier mit Veränderungen in Hamburg rechnen?

    SENATORIN BEKERIS: Nein. Der Anspruch jeder Lehrkraft sollte es sein, den Schülerinnen und Schülern immer wieder neue Leistungsziele zu setzen und auch an Punkten zu unterstützen, an denen sie Probleme haben. Deshalb setzen wir darauf, dass, wenn Schülerinnen und Schüler gefährdet sind, eine 5 auf dem Zeugnis bekommen, Anspruch auf kostenlose Nachhilfe besteht. Wenn wir einen Schulartwechsel zu jedem Schuljahr möglich machen, dann entlässt das Schule – aber auch Lehrkräfte – aus der Verantwortung, sich um diese Schülerinnen und Schüler zu bemühen.

    Ties Rabe war lange Zeit Deutschlands dienstältester Kultusminister. Streben Sie eine ähnlich lange Amtszeit an?

    BEKERIS: Ties Rabe war 13 Jahre lang im Amt und hat die Hamburger Schullandschaft maßgeblich geprägt. Wenn ich das auch eine Zeit lang machen darf, dann freue ich mich sehr darüber (lacht).

     

    von Karolina Pajdak

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