In der Debatte um die Attraktivität des Lehrerberufs kommt die Sprache häufig auch auf das zweijährige Referendariat. In Berichten von Einzelpersonen wird nicht selten ein Schreckensszenario beschrieben. Repräsentativer ist da eine Umfrage der Referendar- und Jungphilologenvertretung (rjv) im bpv unter mehreren hundert Nachwuchslehrkräften am Gymnasium. Sie offenbart, wo es in der Ausbildung noch hakt, aber auch, was beim Lehrkräftenachwuchs gut ankommt. Eindeutiger Handlungsbedarf besteht bei der Unsicherheit und Kurzfristigkeit der Ortszuweisungen während der Ausbildung.
Besonders positiv empfinden die Umfrageteilnehmer den „menschlichen“ Faktor: Ausbildungslehrkräfte wie Seminar- oder Betreuungslehrkräfte stoßen auf großen Zuspruch. Über 70 bzw. 80 Prozent der Antwortenden bewerten diese neutral oder positiv. Zitate aus der Umfrage zu diesem Thema waren zum Beispiel: „Das Einsatzjahr mit meinen Betreuungslehrkräften hat mir in meiner Entwicklung zu einer kompetenten Lehrkraft am meisten gebracht.” oder „Meine Seminarlehrkräfte sind daran interessiert, das Beste aus mir rauszuholen und genau meine Stärken zu fördern.” Der Vorsitzende der Referendar- und Jungphilologenvertretung Alexander Steenpaß kommentiert: „Das Coaching ohne direkte Bewertung bietet eine gelungene Mischung aus Feedback und Betreuung, aber ermöglicht gleichzeitig genügend Freiheit, um Methoden und Techniken auszuprobieren und so selbst Erfahrungen zu sammeln – ohne Angst vor negativen Folgen.“
Im Gegensatz zum unmittelbaren Unterrichtsstart im Referendariat an der Grund- und Mittelschule ist die Betreuung durch und das Kennenlernen von verschiedenen Lehrerpersönlichkeiten ein klarer Pluspunkt des gymnasialen Referendariats. Auch das langsame Heranführen an das Unterrichten über Unterrichtsbesuche und Unterrichtsversuche sind wertvolle Coaching-Komponenten am Gymnasium. Ein Vorschlag der rjv ist, Phasen der Bewertung und Phasen des Ausprobierens noch stärker voneinander zu trennen.
Betrachtet man jedoch die Rahmenbedingungen der Ausbildung, dreht sich das Bild völlig um: So geben 63 Prozent der Befragten an, dass die Arbeitsbelastung hoch bzw. zu hoch ist. Die Anzahl an geforderten Unterrichtsstunden pro Woche steht dabei zeitweise dem Ausbildungscharakter der beiden Jahre entgegen. Auch mit der Ortszuweisung sind 57 Prozent nicht zufrieden.
Dazu Steenpaß: „Die Kommentare zur Umfrage greifen vor allem und in beeindruckender Häufigkeit die Unsicherheit und Kurzfristigkeit bei den Ortszuweisungen auf. Wenn ich gegen Ende des 1. Schulhalbjahres noch nicht weiß, wo ich im 2. Schulhalbjahr arbeiten werde – das belastet einfach.“
Insgesamt zeigt die Umfrage, die im Schuljahr 2023/24 unter rund 400 Referendarinnen und Referendaren (Basis: 379-462 Antworten) durchgeführt wurde, ein gemischtes Bild über das zweijährige Referendariat. „Im Vorbereitungsdienst sind eine Menge engagierter Lehrkräfte tätig – von sehr jung bis sehr erfahren,“ resümiert Steenpaß. „Es sollte alles dafür getan werden, den Beteiligten die bestmöglichen Rahmenbedingungen zu bieten.“
Der bpv (Bayerischer Philologenverband) ist die Vertretung der Lehrkräfte an Gymnasien und Beruflichen Oberschulen in Bayern. Die rjv ist die Referendar- und Jungphilologenvertretung im bpv.