von Dr. Thomas Knoblauch
Klassenfahrten und Exkursionen sind ein wesentlicher Bestandteil des schulischen Lebens. Zum Glück verlaufen die meisten Exkursionen ohne irgendwelche Zwischenfälle. Dennoch kommt es immer wieder zu Vorfällen, die anschließend in den Medien der breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Ist es nun die Schülergruppe, die mit Rettungskräften aus Bergnot gerettet werden muss, oder noch schlimmer, dass ein Schüler oder eine Schülerin auf einer Klassenfahrt zu Tode kommt. So ist im Juni 2019 eine 13-jährige Schülerin an einer Unterzuckerung auf einer Klassenfahrt nach England verstorben, 2024 ein 16-jähriger Junge aus Bremen auf einer Fahrt nach Italien.
Insbesondere für die Familien, aber auch für die begleitenden Lehrkräfte sind das traumatische Erlebnisse. Im Allgemeinen trauert die gesamte Schulgemeinschaft um die Verstorbenen. Schulen sind dort in besonderem Maße gefordert, sensibel mit dieser Thematik umzugehen. Wie sieht es aber mit der rechtlichen Einordnung für die Lehrkräfte aus? Welche Konsequenzen haben sie zu befürchten, und was hätten sie unternehmen müssen, um diese Ereignisse zu verhindern?
Im Falle der Bergrettung wurden Schadenersatzansprüche geltend gemacht. Wer muss dafür aufkommen? Hier war die Situation eine besondere: Die Gruppe wurde auf einer Wanderung von schlechtem Wetter überrascht, und einige Schüler konnten den steilen Hang nicht weiter hochgehen. Problematisch war diese Angelegenheit insbesondere dadurch, dass die begleitenden Lehrkräfte als Vertretungen der Lehrkräfte, die diese Reise geplant haben, mitgefahren sind. Grundsätzlich hätten sich die Lehrkräfte vor der Wanderung ein eigenes Bild davon machen müssen, ob die Schüler zur Bewältigung der Anstrengungen in der Lage sind. Insbesondere dadurch, dass das nicht geschehen ist, sind die Haftungsansprüche der Bergrettung grundsätzlich gerechtfertigt. Diese richten sich allerdings nicht gegen die einzelnen Personen, sondern gegen den Dienstherrn, in dessen Auftrag diese Klassenfahrt stattgefunden hat. Befindet der Dienstherr anschließend, dass das Vorgehen der Lehrkräfte grob fahrlässig oder vorsätzlich war, so kann er diese in Regress nehmen. Darüber hinaus steht es ihm frei, weitere disziplinarrechtliche Maßnahmen zu ergreifen. In diesem konkreten Fall erfolgte eine Ermahnung der begleitenden Lehrkräfte durch den Dienstherrn, auf eine Rückerstattung der Regressansprüche wurde indes verzichtet.
Im Fall der 13-jährigen Schülerin, die in London verstorben ist, sind die begleitenden Lehrkräfte allerdings zu 23.400 Euro beziehungsweise 7200 Euro Geldstrafe vom Landgericht Mönchengladbach verurteilt worden. Die begleitenden Lehrerinnen wurden beschuldigt, sich nicht ausreichend über die Diabeteserkrankung der Schülerin informiert zu haben. Vermutlich hatten sie auf einem Elternabend darum gebeten, über chronische Erkrankungen unterrichtet zu werden. Das sah das Gericht allerdings nicht als ausreichend an. Dass die Schülerin oder die Angehörigen die Lehrerinnen im Vorfeld nicht von sich aus über die Diabeteserkrankung des Mädchens informiert haben, spielte ebenfalls nur eine untergeordnete Rolle. Es ist also ausgesprochen wichtig, vor der Klassenfahrt chronische Erkrankungen der Schüler bei den Erziehungsberechtigten schriftlich abzufragen. Danach kann entschieden werden, wie damit umzugehen ist. Allerdings sind die begleitenden Lehrkräfte nicht per se für die medizinische Versorgung der mitreisenden Schüler und Schülerinnen verantwortlich. Das bleiben in erster Linie die Erziehungsberechtigten. Diese haben dafür Sorge zu tragen, dass die Versorgung mit entsprechenden Medikamenten auch während der Klassenfahrt gewährleistet ist. Es sollte vereinbart werden, dass die Erziehungsberechtigten die betroffenen Kinder im Ernstfall sofort von der Klassenfahrt abholen.
Ähnlich verhielt es sich in dem Fall des 16-jährigen, der in Italien verstorben ist. Er klagte schon vor der Klassenfahrt über Halsschmerzen. Trotzdem schickten die Eltern ihn mit, weil er nach Angaben der Eltern unbedingt an der Fahrt teilnehmen wollte. Dieser Schüler, der einen Behinderungsgrad von 80 Prozent hatte und normalerweise durch einen Schulassistenten begleitet wurde, soll letztlich zur Erholung unbeaufsichtigt in der Unterkunft zurückgelassen worden sein. In diesem Fall ist das Verfahren noch anhängig. Es bleibt abzuwarten, inwieweit hier die aufsichtführenden Personen rechtlich zu belangen sind.
Doch auch abseits von diesen schwerwiegenden Fällen gibt es immer wieder rechtliche Fallstricke, die oft genug blauäugig von den Kollegen nicht beachtet werden. Es beginnt damit, dass Gelder für Klassenfahrten auf den privaten Konten der Lehrkräfte eingesammelt werden. Das ist aus mehrfacher Hinsicht problematisch. Zum einen können sich die Lehrkräfte hierdurch dem Vorwurf der Vorteilsnahme im Amt aussetzen. Dieser ist dadurch gerechtfertigt, dass zum einen Zinsgewinne erwirtschaftet werden könnten, zum anderen dieses Geld dann aber auch vor der Abrechnung mit dem Reiseunternehmer den Lehrkräften zur freien Verfügung steht. Darüber hinaus wäre das Geld auch pfändbar, sollte eine Lehrkraft der Pfändung unterliegen. Deshalb dürfen diese Gelder ausschließlich auf Treuhandkonten, am besten auf solchen der Schulträger, eingesammelt und verwahrt werden. Ob Eltern die Verwaltung solcher Konten übernehmen dürfen, ist strittig. Eine besonders gute Lösung ist ein Reiseveranstalter, der die finanzielle Abwicklung eigenständig mit den Eltern regelt.
Schwierig es auch, wie mit Freiplätzen umzugehen ist. Hier gibt es in den verschiedenen Bundesländern unterschiedliche Regelungen. In einigen Bundesländern darf nach Freiplätzen gefragt werden und diese müssen dann von den begleitenden Lehrkräften genutzt werden. In anderen Bundesländern dürfen diese nur genutzt werden, wenn sie vom Anbieter freiwillig in dem Angebot inkludiert sind. In wieder anderen Bundesländern dürfen Freiplätze überhaupt nicht angenommen werden, sondern die Ersparnis muss auf die einzelnen Schüler umgelegt werden. Auch hier steht die Befürchtung der Vorteilsnahme im Amt im Raum.
Ebenso unterscheiden sich in den einzelnen Bundesländern die Vorschriften zur Kostenübernahme. Grundsätzlich gelten zwar die Landesreisekostenvorschriften, aber in einigen Fällen wird auf besondere Verwaltungsregelungen verwiesen, die für Klassenfahrten Pauschalisierungen vorsehen. Diese Pauschalisierungen sind häufig nicht kostendeckend, so dass die Gefahr besteht, dass die begleitenden Personen eigene finanzielle Mittel einbringen müssen. Im Vorhinein einen Verzicht auf Reisekosten von den Lehrkräften zu verlangen, ist im Übrigen rechtswidrig.
Wesentlich ist, dass sich die Lehrkräfte vor einer Klassenfahrt intensiv mit den landesspezifischen Rechtsvorschriften auseinandersetzen. Dazu gehörten neben den üblichen Erlassen für Klassenfahrten auch Vorschriften zum Führen von Aufsichten. Es gibt einige Internetseiten, die dezidiert einen Zeitplan für die Organisation von Klassenfahrten vorschlagen. Der Philologenverband Rheinland-Pfalz hat dazu eine Handreichung herausgegeben, in der die landesspezifischen Rechtsvorschriften und Vorschläge für die Anschreiben an die Eltern zusammengefasst
sind.
Wesentlich ist auch, dass die PhVLandesverbände ihren Mitgliedern Rechtsschutz in den Fällen gewähren, in denen es nach einer Klassenfahrt zu juristischen Auseinandersetzungen kommt. Insbesondere wenn der Vorwurf strafrechtlich relevanter Tatbestände im Raum steht, wird es unabhängig von einer Schuldzuweisung zu einer juristischen Überprüfung kommen. Diese ist insbesondere für die Lehrkräfte sehr belastend. Hier kann es durchaus helfen, wenn eine juristische Betreuung durch die Rechtsanwälte des dbb-Servicecenters oder der Justiziare der einzelnen Philologenverbände erfolgt.
Infos
Auf der Internetseite “Klassenfahrten – ein Leitfaden für Lehrkräfte (Stand: Oktober 2022)” finden Sie auch Links auf die entsprechenden landesspezifischen Internetseiten.