Integration an den Schulen: PhV Rheinland-Pfalz fordert durchdachtes Konzept statt unprofessioneller Regelungen

    11.09.2024 | Seit Jahren machen die Schulen zunehmend die Erfahrung, dass in einer ganzen Reihe von Fällen die sprachliche Integration zugewanderter Schülerinnen und Schüler nicht mehr bzw. nicht in ausreichendem Maße gelingt. Aufgegriffen hat diesen Missstand nun auch Ministerpräsident Alexander Schweitzer bei einem Besuch an einer Grundschule in Koblenz-Lützel, an der der Migrationsanteil bei 80 % liegt. Über diesen Besuch hat die Rheinpfalz in dem Artikel „Danke, dass ich hier sein darf“ vom 07.09.2024 berichtet. Erfreulicherweise hat der Ministerpräsident in den letzten Wochen mehr Engagement in Sachen Bildung angekündigt.

    Es ist dem Philologenverband wichtig, darauf hinzuweisen, dass es eine ganze Reihe positiver Fälle gibt, in denen begabte und engagierte Kinder und Jugendliche exzellent Deutsch gelernt und die Chance ergriffen haben, sich erfolgreich in die Gesellschaft und die Berufswelt zu integrieren. Allerdings hat man es in Rheinland-Pfalz vernachlässigt, erst einmal flächendeckend die notwendigen Voraussetzungen für ein gelingendes Erlernen der deutschen Sprache auch für Schülerinnen und Schüler mit geringerer Begabung oder Initiative zu schaffen. Aus unserer Sicht muss daher die existierende Verwaltungsvorschrift „Unterricht von Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund“ grundlegend überarbeitet werden.#

    Bisherige Regelungen:

    Anzahl der Stunden

    Teilnehmerzahl

    Deutschkenntnisse

    Deutsch-Intensivkurs

    Primarstufe: 10 bis 15

    Sek. I: 15 bis 20

    8 bis 20

    keine oder sehr geringe

    Deutsch-Förderkurs

    4

    4 bis 10

    erhebliche Defizite

    Deutsch-Förderkurs

    2

    4 bis 10

    besitzen schon Sprachkenntnisse, bedürfen aber noch weiterer Hilfe

    (Tabelle: Schwartz, Quelle: Nr. 3.1 der VV „Unterricht von Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund“, https://bildung.rlp.de/fileadmin/user_upload/migration.bildung.rlp.de/Rechtliches_und_VV/VV_Unterricht_von_Schuelerinnen_und_Schuelern2021_ueberarbeitete_Fassung.pdf, zuletzt abgerufen am 10.09.2024)

    Kritik und Verbesserungsvorschläge des Philologenverbandes Rheinland-Pfalz:

    • Die Verwaltungsvorschrift ist zu vage in ihrer Bezeichnung der Deutschkenntnisse: Statt der schwammigen, defizitorientierten und unprofessionellen Bezeichnungen sollten die allgemein gängigen Bezeichnungen für das erreichte Sprachniveau des Europäischen Referenzrahmens verwendet werden (A1, A2, B1, B2 …).
    • Am Anfang des Lernprozesses sollte eine Feststellungsprüfung stehen, anhand derer man in die entsprechenden Kurse auf den verschiedenen Niveaustufen eingeteilt wird.
    • Das jahrgangsübergreifende Lernen sollte zumindest an den weiterführenden Schulen maximal zwei Jahrgangsstufen umfassen (5/6, 7/8, 9/10), da Sprachdidaktik, Erfahrungsschatz und Interessen, auf denen Sprachunterricht aufbaut, sonst zu unterschiedlich sind, um allen Lernenden gerecht werden zu können.
    • Es sollten Kurse von A 1 bis B 2 angeboten werden, ggf. auch C 1 und C 2 als Vorbereitung für den Besuch der Oberstufe. Der Stundenumfang einer Niveaustufe beträgt im Durchschnitt ca. 150 Unterrichtsstunden; bei einem Kursumfang von 20 Stunden pro Woche käme man also auf ca. 7 bis 8 Wochen pro Niveaustufe. Sprachbegabte könnten Kurse auch überspringen bzw. früher in die Klassen integriert werden; für alle anderen wäre ein solch systematischer Aufbau von Deutschkursen von großem Vorteil.
    • Es muss eine Koordinierung der Kurse erfolgen, damit schulübergreifend Kurse zusammengefasst werden können: Nur so lässt sich erreichen, dass nach Alter und Lernstand differenziert werden kann und die notwendige Teilnehmerzahl erreicht wird.
    • Neben professioneller Unterstützung für traumatisierte Schülerinnen und Schüler brauchen wir Verbindlichkeit beim Deutschlernen; hierzu zählt eine Art Versetzung von einer in die nächste Niveaustufe.
    • Daneben wäre für eine gute Integration ab Klassenstufe 6 eine Englischförderung in viel größerem Umfang notwendig. Wie beim Deutschunterricht wäre hier eine systematischere Herangehensweise sinnvoll, die es Kindern und Jugendlichen ermöglicht, gezielt auf die entsprechenden Niveaustufen hinzuarbeiten, um dann den Anschluss an den Lernstand der Regelklasse zu erreichen.

    Wer Integration nicht völlig gegen die Wand fahren lassen, sondern Kindern eine Chance geben will, der muss die notwendige Anzahl an Unterrichtsstunden zur Verfügung stellen und die notwendige Koordinierungsarbeit leisten. Der Philologenverband Rheinland-Pfalz fordert Bildungsgerechtigkeit nicht nur für Sprachbegabte, sondern – auch im Sinne einer funktionierenden Gesellschaft – eine faire Chance für alle Kinder und Jugendlichen! Ohne ausreichende Sprachkenntnisse wird Integration kaum gelingen. Die weiterführenden Schulen bemerken schon jetzt einen rapiden Niveauverlust in den Eingangsklassen, der sich in beunruhigender Weise fortsetzt.

    Cornelia Schwartz, Landesvorsitzende
    Jochen Ring, Pressereferent

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