PhV BW zum Schuljahresbeginn 2024/2025: Gymnasien für G9 gut aufstellen!

    • Gymnasien brauchen klare Vorgaben und Strukturen bei der Umsetzung von G9, vor allem zentral festgelegte Stundentafeln!
    • Differenziertes Schulsystem und Durchlässigkeit zwischen den Schularten stärken!
    • Berufliche Orientierung am Gymnasium bedeutet vorrangig Studienorientierung!
    • Digitaler Arbeitsplatz für Lehrkräfte: Hier muss nachgebessert werden!
    • IT-Betreuung zukunftssicher aufstellen und endlich adäquate Ressourcen bereitstellen!
    • Mit LehrKRAFT in die Zukunft der Schülerinnen und Schüler investieren: Mehr Zeit für das Kerngeschäft Unterricht!

     

    G9 – ja bitte, wir sind dabei!

    Der Verband für gymnasiale Lehrkräfte, PhV Baden-Württemberg, begrüßt die Wiedereinführung von G9, fordert jedoch klare Vorgaben, vor allem bei den Stundentafeln und den Inhalten. „Bildungspolitische Entscheidungen nach unten weiterzureichen schafft nicht mehr Gestaltungsspielraum für Schulen, sondern tausende Stunden Lehrerarbeitszeit ohne Mehrwert!,“ macht Martina Scherer, Landesvorsitzende des Philologenverbands Baden-Württemberg (PhV BW), deutlich. Zudem erfordert die Durchlässigkeit zwischen den Schularten einen einheitlichen Rhythmus der Fremdsprachenfolge und Profilfächer: „Die Schülerinnen und Schüler müssen ab Klasse 5 den Übergang an die weiterführende Schule bewältigen. In Klasse 7, zwei Jahre später, sollte mit der 2. Fremdsprache gestartet werden und ab Klasse 9 beginnt dann die Vertiefung in den Profilfächern“, so Martina Scherer. „Diese Struktur würde wieder einen Wechsel z.B. von der Realschule auf das Gymnasium ermöglichen.“

    Schulreformen

    Der PhV begrüßt, dass alle weiterführenden Schularten durch die geplante Schulreform eine Stärkung der Basiskompetenzen und der Informatik erfahren. „Die Landesregierung hat nun die Chance, in unsere Zukunft zu investieren, denn Bildung ist die zentrale Ressource im Ländle. Die Kinder und Jugendlichen müssen bei der Umsetzung im Fokus stehen, denn sie sind es, um die es uns allen gehen muss und geht!“, betont Claudia Grimm, Stellvertretende Landesvorsitzende des PhV BW.

    Berufliche Orientierung und Demokratieerziehung

    Das allgemeinbildende Gymnasium qualifiziert mit der allgemeinen Hochschulreife für ein Studium, daher sollte die berufliche Orientierung hier vor allem der Studienorientierung dienen.

    Die Stärkung der Demokratieerziehung ist sehr zu begrüßen. Ein wichtiger Baustein sind die geplanten Klassenlehrerstunden in der Unterstufe, in denen Dialogkultur und soziales Lernen gefördert werden können.

    Die Stärkung der Gesellschaftswissenschaften hilft, bei den vielschichtigen Herausforderungen unserer Zeit, Resilienz und Problemlösekompetenzen zu schaffen.

    „Jeden Tag haben wir in der Schule – neben dem Elternhaus und der gesamten Gesellschaft – den Auftrag, Schülerinnen und Schüler zur Mündigkeit zu befähigen – um damit auch dauerhaft unsere Demokratie zu sichern. Respekt, Toleranz, Gewaltfreiheit und Nächstenliebe müssen täglich praktiziert werden“, so Martina Scherer.

     

    Digitalisierung im Bildungsbereich – wenig Licht und viel Schatten

    „Mehr als vierzig Jahre nach dem ersten Empfang einer E-Mail in Deutschland (3. August 1984) wird es nun auch an den Schulen wahr“, so Martina Scherer, „es soll landesweit einheitliche Dienstmailkonten für Lehrkräfte geben.“

    Der ebenfalls für September angekündigte Online-Büroarbeitsplatz beinhaltet Büroanwendungen, Online-Speicher, Kalender- und Adressbuchfunktionen. Es wurde erfreulicherweise hierfür freie Software gewählt. Der Betreiber Dataport ist außerdem Anstalt des öffentlichen Rechts und betreut auch nördliche Bundesländer. All dies begrüßt der PhV im Sinne der digitalen Souveränität.

    Leider gibt es neben diesen Lichtblicken auch Schattenseiten: Die Mailkonten sind nur für Lehrkräfte vorgesehen, nicht für die Schüler- und Elternschaft, nicht für Schulsozialarbeiter oder Praktikantinnen, die auch alle zu den Schulen gehören.

    Es sind auch keine Funktionsmailpostfächer z.B. für Fachschaften, Oberstufenberatung oder die Personalvertretung vorgesehen. Der Mailspeicher ist mit nur 1 GB eindeutig zu knapp bemessen. Der PhV fordert hier mindestens das Doppelte. Auch der Datenspeicher ist mit 10 GB nicht ausreichend.

    Außerdem müssen die Offline-Nutzung von Mail, Adressbuch und Kalender sowie Backups bzw. die Synchronisierungen des Datenbestands ermöglicht werden.

    Ein weiterer Mangel: Der Messenger „Threema“ wird zwar schon seit geraumer Zeit den Lehrkräften zur Verfügung gestellt, Eltern und Schüler müssten die Lizenzkosten aber selbst tragen – ein Unding! Alternativ könnte das Kultusministerium (KM) allen am Schulleben Beteiligten einen selbst betriebenen Messenger auf Matrix-Basis zur Verfügung stellen, wie das in anderen Bundesländern bereits geschieht.

    Besonders schwierig empfindet der PhV auch den Umgang mit der Zwei-Faktor-Authentifizierung, denn dabei sind Lehrkräfte meist auf ihr privates Smartphone angewiesen. Lehrkräfte sollten hierfür vom Land z.B. einen Einmalpasswort-Generator zur Verfügung gestellt bekommen. „Es kann nicht sein, dass die Nutzung privater Endgeräte vom KM vorausgesetzt wird“, so Cord Santelmann, der Referent des PhV für IT/Medien.

    Netzwerkstunden

    In den letzten Jahren, insbesondere seit der Pandemie, sind die Netzwerkstrukturen, digitalen Dienste und Geräteparks (elektronische Tafeln, Dokumentenkameras, digitale Endgeräte für Lehrkräfte und Schüler) an den Schulen enorm angewachsen.

    Eigentlich sind die Schulträger (also bei den Gymnasien in der Regel die Kommunen) für Aufbau und Administration der schulischen IT zuständig. Die Hauptlast der IT-Betreuung an den Schulen wird aber laut einer Umfrage des Landesrechnungshofs von den Lehrkräften allein oder in Zusammenarbeit mit dem Schulträger geleistet. Diese mit der IT-Betreuung befassten Lehrkräfte bekommen laut einer Vorschrift von 1998 (!) für die Betreuung der riesigen Schul-IT offiziell maximal zwei Anrechnungsstunden Unterrichtsermäßigung, das entspricht ca. 142 Zeitstunden oder ca. 3,5 Arbeitswochen Arbeitsleistung einer Lehrkraft. (Vgl. PM des PhV vom 19.08.2024 „PhV BW zu prekärer IT-Betreuung an allgemeinbildenden Gymnasien“, unter https://www.phv-bw.de/phv-bw-zu-prekaerer-it-betreuung-an-allgemeinbildenden-gymnasien/ )
    De facto wird sehr viel mehr Arbeitszeit benötigt, sodass die Lehrkräfte die IT-Betreuung zum großen Teil sozusagen ehrenamtlich leisten. Cord Santelmann verdeutlicht: „Viele Gymnasien haben eine IT wie mittelgroße Unternehmen, die festangestellte IT-Betreuer in Vollzeit beschäftigen!“

    Der PhV BW fordert daher: Die IT-Betreuung der Schulen muss dringend gestärkt werden. Entweder müssen die Kommunen für zeitnahen professionellen Support sorgen oder das KM muss die Anrechnungsstunden für die Netzwerkberater, Moodle-Admins, Tablet-Betreuer usw. bedarfsgerecht aufstocken.

     

    Attraktivität des Lehrberufes steigern: „Wenn nicht jetzt, wann dann?“

    Ab dem Schuljahr 2032/33 dürfen wir mit einem Mehrbedarf von 2 000 Deputaten rechnen: „Wer, wenn nicht die Lehrkräfte vor Ort, könnten besser für den Beruf werben?“ fragt Martina Scherer. „Doch nur wenn ich als Lehrperson mit guten Arbeitsbedingungen, in einem angenehmen und wertschätzenden Klima arbeiten darf, kann ich Schülerinnen und Schüler für den Lehrerberuf begeistern.“

    Folgende Punkte könnten die Nachwuchsgewinnung verbessern:

    • Kleinere Klassen und Verringerung des Deputats für mehr Zeit und Qualität.
    • Alle Aufgaben als Lehrkraft müssen als Arbeit anerkannt, Mehrarbeit muss vergütet oder ausgeglichen werden.
    • Laufbahnperspektiven wiederherstellen: Der Beförderungsstau muss beseitigt, Aufstiegsmöglichkeiten müssen verbessert werden.

    „Wir bieten den politischen Entscheidungsträgern, der Regierung und Verwaltung weiter unsere Expertise an!“, so schließt Martina Scherer. „Erfahrungen in und aus der Praxis müssen wertgeschätzt und genutzt werden. Davon profitieren alle Beteiligten!“

    Stuttgart, 05. September 2024

     

    Anhang

    Stärkung der Kompetenzen: Erledigung der IT-Administration

    Quelle: Landesrechnungshof BW, Denkschrift 2024, S. 80

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