Von Rolf Knieling
Die von der Bundesrepublik Deutschland anerkannten und geförderten Deutschen Auslandsschulen (DAS) in Lateinamerika haben in aller Regel eine spannende Geschichte, die oft bis ins 19. Jahrhundert zurückreicht.
Im südamerikanischen Spätherbst dieses Jahres hat der Auslandsschulreferent des DPhV eines der Länder besucht, das ihm bereits aus seiner Tätigkeit als Beauftragter der Kultusministerkonferenz (KMK) für Schulische Arbeit im Ausland in seiner Zuständigkeit für die Qualität der Abschlüsse der KMK bekannt war. Das Flaggschiff der Auslandsschularbeit in Peru ist der Colegio Peruano Alemán – Deutsche Schule Lima Alexander von Humboldt.
Alexander von Humboldt ist verdienter Namensgeber sehr vieler der Deutschen Auslandsschulen (DAS) in Lateinamerika. Auch die Deutsche Schule Lima hat eine bewegte Geschichte, die 1871 ihren Lauf nimmt, als die deutsche Kolonie unter dem Vorsitz von Manuel Pardo, dem späteren Präsidenten der Republik Peru, einen Schulverein bildet zum Zweck der Gründung einer Schule mit dem Anspruch eines deutschen humanistischen Gymnasiums. Fünf Gymnasiallehrer werden aus Deutschland verpflichtet. Das erste Schulgebäude wird 1872 bezogen.
1879 macht der peruanisch-chilenische Krieg dem Aufschwung der Schule ein jähes Ende. Erst 10 Jahre später wird die Schule wiederbelebt, aber mit einem überwiegend peruanischen Lehrplan. 1910 begründet sich die Deutsche Schule (Colegio Alemán). Deutsch bleibt Unterrichtssprache, die Lehrpläne müssen sich jedoch den peruanischen Vorgaben anpassen. Den Wirren des Ersten Weltkriegs geschuldet fehlen die aus Deutschland vermittelten Lehrkräfte; dennoch wird die Schule mit dem abgeschlossenen Aufbau der Sekundarschule zur peruanischen Vollanstalt und führt somit zur peruanischen Hochschulreife. 1920 hat die Schule 479 Schüler, davon 130 Deutsche und Peruaner deutscher Herkunft sowie 333 Peruaner und 16 sonstige Nationalitäten. Der deutsche Schulverein der deutschen Schule protestiert 1922 letztendlich mit Erfolg gegen die Entscheidung der peruanischen Behörden, nur Englisch und Französisch als Fremdsprachen zuzulassen.
1934 löst sich der Schulverein auf, da die Schule die verbliebenen neunzehn Schüler nur nach deutschen Realschulvorgaben unterrichtet. Als solche wird sie 1938 von Deutschland anerkannt. Von 1942 bis 1952 bleibt die Schule geschlossen und wird am 1. April unter dem Namen ‚Colegio Alexander von Humboldt‘ wieder eröffnet. Als Aufgaben stellt sich die Schule:
a) Die Erhaltung und Pflege der Muttersprache der deutschsprachigen Kinder.
b) Die fremdsprachigen Kinder sollen zur deutschen Sprache und Kultur hingeführt werden.
c) Die Anerkennung als offizielle Schule des Landes ist anzustreben, da die meisten Schülereltern in Peru ansässig sind und somit für ihre Kinder einen staatlich anerkannten Schulabschluss wünschen.
d) Die Schule soll eine Begegnungsschule werden, die den peruanischen und deutschen Lehrplänen gleichermaßen Rechnung trägt.
1956 trifft die erste durch das Auswärtige Amt in Bonn vermittelte Lehrkraft ein. Die höhere Schüler- und Klassenzahl machen Um- und Anbauarbeiten notwendig. Am 6. Juli legt Bundestagspräsident Dr. Eugen Gerstenmaier den Grundstein zum Schulneubau in Miraflores, Avenida Benavides, dem jetzigen Standort der Schule. 1963 wird die erste Reifeprüfung abgenommen. Voraussetzung sind entsprechende Deutschkenntnisse, die einheimische Hochschulzulassung (in Peru nach dem 11. Schuljahr) und ein zweijähriger Abiturvorbereitungskurs.
1973 wird der sogenannte Seiteneinstieg im Sinne der sozialen Öffnung eingeführt: dreißig Stipendiaten aus rund zwanzig in Schulnähe liegenden staatlichen Schulen werden in eine neue erste Klasse der Secundaria (7. Schuljahr) aufgenommen. Die Strukturen der Schule sind aufgrund peruanischer und deutscher Vorgaben ständigen Anpassungsprozessen unterzogen. Die Schule meistert diese und entwickelt sich auch baulich konstant weiter. Dabei ist sie eine Begegnungsschule, deren muttersprachlich deutschsprachige Schülerschaft schrumpft. Deutsch als Fremdsprache gewinnt im Kindergarten, der Primaria und der Secundaria immer mehr an Bedeutung. Das Deutsche Sprachdiplom der Stufe I und II der Kultusministerkonferenz wird eingeführt.
2002 wird ein Abkommen mit zwölf Universitäten des Landes geschlossen. Sie garantieren den direkten Zugang der Abiturientinnen und Abiturienten ohne die üblichen Aufnahmeprüfungen. Dies unterstreicht die herausragende Stellung der Humboldtschule unter den peruanischen Privatschulen. Die Schule entwickelt sich im neuen Jahrtausend in vielen Bereichen bemerkenswert positiv weiter und erwirbt sich ihren bedeutenden Platz im Netzwerk der Region, aber auch im Rahmen des Weltverbands Deutscher Auslandsschulen.
Die Ausstattung wird zuletzt durch eine Sporthalle mit Schwimmhalle sowie einer Tiefgarage unter dem Sportplatz beeindruckend ergänzt. Wie mittlerweile an allen DAS wird die Hochschulreife nun nach zwölf Jahren vergeben. Hervorzuheben ist, dass an sehr vielen DAS in Lateinamerika nicht nur Deutsch, sondern auch Spanisch verpflichtendes Prüfungsfach ist, beide Sprachen werden auf muttersprachlichem Niveau unterrichtet und geprüft. Dabei integriert der Unterricht bis in die Oberstufe hinein Elemente des Fremdsprachenunterrichts, auch in den Sachfächern. Vom hohen Niveau des Unterrichts und der Abschlussprüfungen kann sich der Beauftragte der KMK persönlich in den Jahren seiner Zuständigkeit für die Abschlüsse der KMK an der Schule überzeugen.
Seiteneinsteigern kann man aufgrund ihrer hohen Motivation und ihren entsprechenden Leistungen besonderen Respekt zollen. Die Absolventinnen und Absolventen der Deutschen Schulen haben häufig großes Interesse an einem Studium in Deutschland. Jedoch sind die Visa-Hürden oft nur schwer überwindbar – trotz des expliziten Ziels der Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik, junge Menschen auch außerhalb Europas für ein Studium in Deutschland zu gewinnen.
Dies gilt mutatis mutandis für die zwei weiteren DAS in Peru: Die deutsch-peruanische Schule Max Uhle im Weltkulturerbe Arequipa mit Blick auf schneebedeckte Vulkane liegt auf rund 2300 Metern Höhe. Sie wurde 1956 gegründet und beherbergt mittlerweile weit mehr als 1000 Schülerinnen und Schüler. Das Colegio Beata Imelda liegt rund 35 Kilometer vom Stadtzentrum Limas entfernt in Chosica am Fuße der Anden.
Die Schule unter kirchlicher Trägerschaft blickt auf eine 80-jährige Geschichte zurück. Etwa 700 Schülerinnen und Schüler vom Kindergarten bis zur 12. Klasse besuchen das Colegio. Wie auch die Deutsche Schule Lima tragen beide Schulen das Siegel „Exzellente Deutsche Auslandsschule“, verliehen unter der Schirmherrschaft des deutschen Bundespräsidenten. Als Begegnungsschulen mit Deutschunterricht ab Klasse 1 bieten sie neben dem nationalen peruanischen Abschluss die Prüfungen zum Deutschen Sprachdiplom der Kultusministerkonferenz der Stufen I und II sowie die Prüfung zum Gemischtsprachigen International Baccalaureate (GIB) nach Klasse 12 mit Abschluss in den Sprachen Spanisch, Deutsch und Englisch an.