»Deutsch ist die Voraussetzung für alles«

    Von Karolina Pajdak

    Berlin/Wiesbaden – Mit Schule kennt er sich bestens aus – auch mit den Sorgen, Nöten und Freuden der Lehrkräfte. Woher? Er war ja selbst Lehrer. Fast sechzehn Jahre lang unterrichtete Hessens amtierender Kultusminister Armin Schwarz (55, CDU) an einem Gymnasium und an einer beruflichen Schule. An diese Zeit denkt er heute gern zurück, erzählt er im Gespräch mit PROFIL. Aber jetzt gilt es anzupacken im neuen Amt, das er im Januar von Ralph Alexander Lorz übernommen hat.

     

    PROFIL: Minister Schwarz, was sind die drängendsten Probleme, die Sie in Ihrer Amtszeit bewältigen wollen?

    ARMIN SCHWARZ: Besonderes Augenmerk werden wir in Hessen auf die Lehrkräftegewinnung legen. Da müssen wir gerade den jungen Menschen zeigen, wie gesellschaftlich bedeutend und attraktiv der Lehrkräfteberuf ist. Ich möchte die Digitalisierung weiter vorantreiben, dazu gehört auch, dass die Ampel in Berlin und die Bundesbildungsministerin sich bei der Fortführung des Digitalpaktes nicht aus ihrer Verantwortung stehlen. Alle Länder fordern, dass die Bundesregierung hier endlich den Digitalpakt II liefert. Ein anderes wichtiges Feld ist die Stärkung der Bildungssprache Deutsch. Deutsch ist die Voraussetzung für alles.

    MEHR DEUTSCH, WENIGER ENGLISCH

    Wie wollen Sie das machen?

    SCHWARZ: Mit dem bundesweit einzigartigen Gesamtsprachförderkonzept sind wir in Hessen längst auf dem richtigen Weg. Es beginnt in Hessen schon mit den verpflichtenden Vorlaufkursen ein Jahr vor der Einschulung für Kinder, die über keine ausreichenden Deutschkenntnisse verfügen. Und gerade haben wir ein neues Pilotprojekt auf den Weg gebracht, bei dem sechzehn Grundschulen auf freiwilliger Basis den Kindern eine zusätzliche Deutschstunde – und damit die siebte in der Woche – erteilen; anstatt einer Stunde Englisch. Bildungsgerechtigkeit, Chancengleichheit, aber auch Leistungsorientierung können wir nur dann ermöglichen, wenn alle Kinder von Anfang an dem Unterricht folgen und alles verstehen können. Ich möchte zudem die berufliche Orientierung und Berufsvorbereitung an den Schulen intensivieren sowie die Themen Wertevermittlung und Demokratiebildung in den Mittelpunkt stellen. Dazu gehört, dass wir an den Schulen jede Form von Extremismus und Antisemitismus konsequent bekämpfen. Weiterhin möchte ich Schulleitungen und Lehrkräfte entlasten, damit noch mehr Zeit für die wertvolle pädagogische Arbeit da ist. Wir haben schon gute Erfahrungen gesammelt beim Einsatz von sogenannten Schulverwaltungskräften oder auch der sozialpädagogischen Fachkräfte in multiprofessionellen Teams.

    Das Ministerium heißt seit Ihrem Amtsantritt Ministerium für Kultur, Bildung und Chancen. Warum der neue Name?

    SCHWARZ: Dieser Name steht für die Überzeugung, dass Bildung der Grundstein für Chancen und damit Erfolg ist. Es geht um Fördern und Fordern. Jedes Kind soll sich ganz nach seinen individuellen Fähigkeiten und Potenzialen entfalten können und unabhängig von Herkunft oder sozialem Hintergrund gleiche Bildungschancen erhalten. Dafür sorgt unser Schulsystem mit verschiedenen Schulformen und großer Anschlussfähigkeit und Durchlässigkeit.

    KI KANN UNS OPTIMISTISCH STIMMEN

    Die Arbeitsbelastung für Lehrkräfte hat durch immer neue Aufgaben (u.a. Inklusion, Digitalisierung) immer mehr zugenommen. Wie können Sie hier entlasten?

    SCHWARZ: Neben den von mir schon genannten Entlastungen, ist es mir wichtig, dass auch das Entlastungspotential der Digitalisierung von den Lehrkräften genutzt werden kann. Die Entwicklung in der KI kann uns hier optimistisch stimmen. Wir beschäftigen uns in Hessen intensiv damit. Die digitale Infrastruktur soll die Lehrkräfte entlasten und ihnen nicht das Leben erschweren. Das hessische Schulportal unterstützt schon die Unterrichtsorganisation und Unterrichtsgestaltung. Als Schul-Cloud in Verbindung mit dem zentralen Videokonferenzsystem ist es für Schulen ein wesentlicher Baustein der pädagogischen, unterrichtsorganisatorischen Arbeit und als digitale Lern- und Arbeitsplattform zudem darauf ausgerichtet, Lehren und Lernen positiv zu unterstützen, nach individuellen Bedürfnissen zu gestalten und den Schulalltag zu entlasten. Von der pädagogischen Organisation bis zum Lernmanagementsystem helfen erprobte digitale Werkzeuge, die Unterrichtsorganisation zu erleichtern. Für Lehrende aller Schulformen stehen ständig aktualisierte Lernangebote, Medien und Anregungen zur Verfügung, die sie mit ihren Schülerinnen und Schülern unmittelbar nutzen können. Das Schulportal hält Tools für den Unterricht, für die Kommunikation und Zusammenarbeit in den Kollegien bereit. In den Gesprächen mit den Kollegien in den Schulen und mit den Verbänden erhalte ich viele wertvolle Anregungen für Möglichkeiten der Entlastung.

    PROFIL: Welche?

    SCHWARZ: Aktuell wird beispielsweise die Reduzierung der schriftlichen Leistungsnachweise der Grundkurse in der Qualifikationsphase geprüft. Die Lehrkräfte müssen auch weiterhin bei der individuellen Förderung – auch über schulische Inklusion hinaus – Unterstützung erhalten können; unter anderem durch psychologische, sonderpädagogische und medizinische Expertise. Hier setze ich insbesondere auf die Schulpsychologie und die Förderschullehrkräfte, die an den allgemeinbildenden Schulen in den vergangenen Jahren schon stark erhöht wurden. Hier sehe ich auch die wichtigen Fortbildungen, beispielsweise zum Thema des Umgangs mit Autismus.

    ABITURPHASE IST EIN KRAFTAKT

    Lehrkräfte benötigen viel Zeit für Korrekturen – vor allem an Gymnasien in der Abiturphase. Welche Möglichkeiten sehen Sie hier etwas zu verbessern?

    SCHWARZ: Ich bin dankbar, dass Sie das ansprechen. Die Abiturphase ist nicht nur für unsere Schülerinnen und Schüler ein wahrer Kraftakt. Ohne den vorbildlichen Einsatz unserer Lehrkräfte wäre die reibungslose und verlässliche Durchführung des Abiturs undenkbar. Deswegen muss es Entlastungsmöglichkeiten geben für die Kolleginnen und Kollegen. Da haben wir in Hessen schon einiges, was je nach Situation vor Ort genutzt werden kann. Lehrkräfte, die als Prüfende an den schriftlichen Abiturprüfungen des Landesabiturs eingesetzt werden, können während der Korrekturphase von Vertretungsunterricht befreit werden. Zudem können sie auf Antrag von bestimmten außerunterrichtlichen Aufgaben für die Teilnahme an Konferenzen befreit und ihnen Korrekturtage genehmigt werden.

    Stichwort Bürokratie: Planen Sie das zeitaufwändige Procedere hinsichtlich der Förderpläne insgesamt zu entschlacken?

    SCHWARZ: Ja, das wäre mir ein Herzensanliegen. Mein Ministerium hat deswegen ein Projekt aufgelegt, um individuelle Förderung und Digitalisierung effizient zu verbinden. Im Rahmen dieses Projektes wird eine IT-Anwendung entwickelt, die alle hessischen Lehrkräfte transparent, workflowbasiert, leicht handhabbar, ressourcenschonend, sicher und datenschutzkonform unterstützen soll. Sie können sich vorstellen, dass die Anforderungen des Datenschutzes hier sehr hoch sind, was dieses große Vorhaben nicht gerade vereinfacht. Trotzdem soll es im Schuljahr 2024/2025 pilotiert und im darauffolgenden Schuljahr hessenweit umgesetzt werden.

    Verschiedene Lehrerverbände kritisieren die mangelnde Beteiligung der Personalräte auf unterschiedlichen Ebenen, fordern u.a. die Wiedereinführung der Mitbestimmung bei der Besetzung von Schulleitungsstellen. Sehen Sie Möglichkeiten, diesen Forderungen entgegenzukommen?

    SCHWARZ: Die Personalvertretungen sind uns auf allen Ebenen wichtige und geschätzte Partner. Ich möchte an dieser Stelle die Bedeutung einer vertrauensvollen Zusammenarbeit betonen. Allerdings gilt die Mitbestimmung des Personalrats an personellen Einzelmaßnahmen nach Hessischem Personalvertretungsgesetz nicht für die Leiterinnen und Leiter von allgemeinbildenden und beruflichen Schulen und von Schulen für Erwachsene. Eine Änderung der Bestimmungen wäre meines Erachtens auch mit Blick auf die ohnehin schon sehr zeitaufwendigen Stellenbesetzungsverfahren nicht hilfreich. Dennoch stehen nach geltendem Recht partizipative Elemente zur Verfügung: So wird vor einer endgültigen Beauftragung einer Schulleiterin oder eines Schulleiters die Schulkonferenz, an der auch Mitglieder der Lehrerschaft beteiligt sind, angehört.

    STELLEN SCHNELL BESETZEN

    Kritik gibt es auch an den teils sehr langen Verfahren zur Besetzung von A14-Stellen und aufwärts. Was halten Sie davon, einen festen Zeitraum für so ein Verfahren festzulegen?

    SCHWARZ: Ein fester Zeitraum wäre wünschenswert, aber nicht praxistauglich. Es versteht sich von selbst, dass Stellenbesetzungsverfahren so schnell wie irgend möglich durchgeführt werden müssen. Der Ablauf von Verfahren zur Besetzung von Oberstudienrats- und Funktionsstellen im hessischen Schuldienst ist im Erlass über Ausschreibungs- und Auswahlverfahren zur Besetzung von Stellen geregelt. Demnach sind freiwerdende Stellen so auszuschreiben, dass eine Besetzung bei planmäßigem Ablauf nahtlos erfolgen kann. In diesem Sinne ist es das Ziel aller Beteiligten, für jedes Ausschreibungs- und Auswahlverfahren eine termingerechte Besetzung für die betroffene Stelle zu erreichen. Jedoch sind beispielsweise Ruhestandsversetzungen aus gesundheitlichen Gründen ebenso wenig früh- bzw. rechtzeitig absehbar wie kurzfristige Anträge auf vorzeitige Ruhestandsversetzung oder die Auswahl einer Stelleninhaberin oder eines Stelleninhabers in einem anderen Stellenbesetzungsverfahren.

    Diese Entwicklung hat sich vor allem in den vergangenen Jahren aufgrund eines zunehmenden Generationenwechsels verstärkt, was die Durchführung der Stellenbesetzungsverfahren
    beeinflusst. Außerdem bau-en die Beteiligungs- und Abstimmungsprozesse eines Besetzungsverfahrens aufeinander auf und
    können deshalb nicht parallel durchgeführt werden. Daher führen bereits zu Beginn des Verfahrens auftretende Bearbeitungshindernisse, beispielsweise durch eine verspätet erstellte dienstliche Beurteilung aufgrund der Erkrankung einer Bewerberin oder eines Bewerbers, zur Verzögerung sämtlicher Folgeschritte. Systematische Gründe, die zu einer regelmäßigen Verzögerung führen würden, kann ich für uns in Hessen ausschließen.

    Das Verhältnis zwischen A13- und A14-Stellen beträgt nach wie vor rund 2/3 zu 1/3. Warum ist hier keine Verbesserung vorgesehen, was dem gestiegenen Aufgabenumfang der Gymnasien entsprechen würde?

    SCHWARZ: Auch damals noch mit meiner Unterstützung als bildungspolitischer Sprecher der CDU-Fraktion im Landtag haben wir in Hessen verschiedene Maßnahmen zur Entlastung von Lehrkräften umgesetzt – wie bereits erwähnt zum Beispiel den Stellenausbau für sonderpädagogische Fachkräfte, die Schafung zusätzlicher Stellen für Schulverwaltungskräfte und die Ausweitung der diversen bedarfsspezifischen Sonderzuweisungen zum Beispiel mit der sozialindizierten Lehrkräftezuweisung. Diese Entlastungen sind auch mit Blick auf die Gesundheit der Lehrerinnen und Lehrer wirksamer, als dass einzelne Kolleginnen und Kollegen für etwas mehr Geld zahlreiche neue Aufgaben schultern.

    Wie stehen Sie zum Thema Arbeitszeiterfassung von Lehrkräften?

    SCHWARZ: Es handelt sich um ein komplexes und vielschichtiges The-ma, bei dem nicht nur rechtliche Aspekte, hier geht es um das Zusammenspiel von Europa-, Bundesund Landesrecht, eine Rolle spielen. Vielmehr sind auch vielfältige Zweckmäßigkeitserwägungen zu berücksichtigen, bei denen es zum Beispiel auch um den Erhalt an Arbeitszeitautonomie und damit auch um einen Attraktivitätsfaktor des Berufs als Lehrkraft geht. Deshalb ist es richtig, sich hier länderübergreifend – insbesondere im Rahmen der Kultusministerkonferenz – zu verständigen und geschlossen
    vorzugehen.

    Das Modellprojekt »Schulfach Digitale Welt« – was ist hier gut gelaufen, was muss verbessert werden? Und: Wie geht’s weiter?

    SCHWARZ: Wir haben bisher viele gute Rückmeldungen erhalten. Durch die Verknüpfung von Informatik, Ökonomie und Ökologie bietet das Fach den Schülerinnen und Schülern ein übergreifendes Verständnis der digitalen Welt und ihrer gesellschaftlichen Auswirkungen. Mit diesem Projekt stehen wir in Deutschland ganz vorne und verfolgen einen innovativen Lehransatz, der Potenzial für die Weiterentwicklung der Bildung im digitalen Zeitalter birgt. Die Zusammenarbeit mit der Goethe-Universität in Frankfurt bringt die notwendige wissenschaftliche Perspektive ein. An der Entwicklung des Curriculums sind übrigens auch die Lehrkräfte der Pilotschulen aktiv beteiligt. Für uns ist sehr wichtig, dass Schulen und Lehrkräfte weiterhin bedarfsgerecht mit Fortbildungen und Unterrichtsmaterialien versorgt werden. Es wird mehr schulübergreifende Kooperation und Austausch geben, um die weitere Entwicklung des Faches zu fördern und Experti-se auszutauschen. Weitere Pilotschulen haben die Möglichkeit, sich für die Teilnahme am Projekt fürs nächste Schuljahr zu bewerben. Und wie geht es weiter? In einem Stufenplan wird das neue Fach flächendeckend in den Jahrgangsstufen fünf und sechs eingeführt. Gleichzeitig wird ein Konzept für die Fortsetzung des Fachs in der siebten Jahrgangsstufe entwickelt und an Versuchsschulen umgesetzt. Hierbei sollen auch Aspekte der Berufsorientierung und Inhalte des Fachs Arbeitslehre integriert werden.

    MEHR DIGITALE FORTBILDUNGEN

    Das Recht auf Fort- und Weiterbildung ist verankert, gleichwohl gibt es im Alltag immer wieder Probleme, wegen Engpässen in der Personalsituation. Welche Verbesserungen wollen Sie hier vornehmen?

    SCHWARZ: Dieses Recht ist aus gutem Grund auch in unserer Dienstordnung in Hessen verankert, denn lebenslanges Lernen ist unerlässlich in der heutigen Berufswelt. Wir haben gute Erfahrungen mit digitalen Weiterbildungsformaten gemacht. Seit nunmehr drei Jahren gilt die verbindliche Regel, dass nur in begründeten Ausnahmefällen die Unterrichtszeit für Fortbildungsangebote des Landes genutzt werden soll. Ausnahmen liegen vor, wenn für die Erreichung der Qualifizierungsziele eine Präsenz unabdingbar erforderlich ist und die Fortbildungen aus zwingenden organisatorischen Gründen nicht am Wochenende oder in den Ferien durchgeführt werden können. Seit dem Jahr 2020, dem Beginn der Corona-Pandemie, wurden die Fortbildungsangebote des Landes größtenteils auf Online-Formate umgestellt und notwendige Präsenzveranstaltungen durch vor- und nachgeschaltete Online-Phasen entlastet. Dies hat wesentlich dazu beigetragen, dass Fortbildungen nun überwiegend außerhalb der Unterrichtszeit stattfinden können, da zeitaufwändiges Reisen entfällt. Dabei haben wir die Erfahrung gemacht, dass Online-Fortbildungen auf gute Akzeptanz bei den Teilnehmenden stoßen. Um diesen Effekt noch zu verstärken, entwickelt die hessische Lehrkräfteakademie zu vielen Themenfeldern digitale Selbstlernkurse. Die Erfahrung zeigt, dass mit diesen flexiblen Fortbildungsangeboten auch neue Gruppen in der Lehrerschaft erreicht werden, die aus Gründen der Vereinbarkeit von Beruf und Familie früher von ganzoder mehrtätigen Fortbildungen in Tagungsstätten eher Abstand genommen haben.

    Das 5. Prüfungsfach im Abitur in Hessen: Unverzichtbar oder nicht?

    SCHWARZ: Seit dem Jahr2005 wählen Schülerinnen und Schüler bei uns ein fünftes Prüfungsfach. Sie entscheiden zugleich die Prüfungsform: traditionelle mündliche Prüfung oder Präsentation oder besondere Lernleistung wie eine länger angelegte Arbeit im Rahmen von »Jugend forscht«. Bisher haben wir hier recht gute Erfahrungen gemacht. Insbesondere sind in den drei Prüfungsformaten neben fachlichen Kompetenzen die Kompetenzbereiche Kreativität, kritisches Denken und Kommunikation von besonderer Bedeutung. Bei der Präsentationsprüfung und der besonderen Lernleistung werden diePrüflinge auch immer noch zu ihren abgegebenen Arbeiten befragt. Das fließt ebenfalls in die Bewertung mit ein und beugt dem Missbrauch von Anwendungen künstlicher Intelligenz vor.

    Der DPhV spricht sich gegen ein ausbildungsintegrierendes, einphasiges duales Lehramtsstudium fürs Gymnasium aus. Kann der Verband hierbei auf Sie zählen?

    SCHWARZ: Ich kann Ihre Bedenkengut verstehen. In Hessen haben wir einen guten Weg gefunden: Mit der Novelle des Hessischen Lehrkräftebildungsgesetzes im Jahr 2022 wurde für mehr Praxisorientierung im Studium gesorgt und das Praxissemester eingeführt. Die praxisorientierten Anteile im Studium sind nunmehr auf einem Niveau von dreißig Leistungspunkten. Mit der Masterförderung hat sich Hessen in den beruflichen Fachrichtungen mit besonderen Bedarfen für ein Modell entschieden, das neben dem Studium eine studienbegleitende Tätigkeit an einer Schule mit Begleitung durch ein Studienseminar vorsieht. Weitere Pläne für die Erhöhung der Praxisanteile im Rahmen des Studiums gibt es derzeit nicht.

    Angesichts des bunten Straußes der KMK an Möglichkeiten, sich neben dem regulären Lehramtsstudium für ein Lehramt zu qualifizieren, erwartet der DPhV nun eine Höhergruppierung aller Lehrkräfte, die eine reguläre zweiphasige Lehramtsausbildung inklusive Referendariat durchlaufen haben. Wie stehen Sie dazu?

    SCHWARZ: Jede Lehrkraft, ob sienun ein grundständiges Lehramtsstudium abgeschlossen oder eineQualifizierungsmaßnahme durchlaufen hat, leistet einen wertvollen Beitrag in den Schulen. So absolvieren uereinsteigerinnen und Quereinsteiger bei uns entweder die zweite Staatsprüfung oder die Prüfung zum Erwerb einer dem Lehramt gleichgestellten Qualifikation. Daher werden diese Lehrkräfte in Hessen besoldungs- und statusrechtlich gleichbehandelt. Gegenüber allen anderen werden diese genannten Gruppen von Lehrkräften auch als Tarifbeschäftigte in Hessen mit einer Vergütung in der Entgeltgruppe 13 schon höher bewertet.

    Die Bildungssprache Deutsch ist für die Leistungsentwicklung der Schülerinnen und Schüler wichtig. Der DPhV erwartet auch, dass unterrichtende Lehrkräfte unabhängig von ihrer »Muttersprache« Deutsch mindestens auf dem Niveau C2 beherrschen. Sie auch?

    SCHWARZ: Sie haben Recht, wir sind uns in der Bedeutung der Bildungssprache Deutsch völlig einig. Lehrkräfte sollten über Deutschkompetenzen verfügen, die eine sichere Sprachkorrektur –  sowohl des mündlichen als auch des schriftlichen Ausdrucks – ermöglichen. Die Förderung der Deutschkompetenzen wird zwar federführend von den Deutschlehrkräften übernommen, stellt aber eine schulische Querschnittsaufgabe dar, die von allen Lehrkräften in allen Fächern wahrgenommen werden muss. Die Voraussetzung dafür ist das Vorhandensein der Sprachkompetenz bei allen Lehrkräften. Durch zusätzliche Angebote fördern wir deshalb die Sprachkompetenz in Deutsch von Lehrkräften aus dem Ausland, die eine wertvolle Bereicherung für unsere Schulen sind.

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