von Dr. Teresa Eichelmann
Austausch über die berufs- und bildungspolitische Situation in den Ländern und Diskussion über aktuelle Entwicklungen der Arbeitsbedingungen spielen eine wichtige Rolle bei den Treffen der frauenpolitischen Arbeitsgemeinschaft im DPhV.
Unter der Leitung von Gabriela Kasigkeit fand die Frühjahrstagung 2023 der Arbeitsgemeinschaft der Frauen im Deutschen Philologenverband (DPhV) vom 08. bis 11.03.23 in Hamburg statt. Dabei tauschten sich die zahlreich erschienenen Vertreterinnen der Landesverbände zunächst über aktuelle personalrechtliche sowie berufs- und bildungspolitische Themen in den Bundesländern aus. Besonders betroffen machte die Schilderung der Kolleginnen aus Sachsen-Anhalt zur sogenannten Vorgriffsstunde, die infolge des eklatanten Lehrkräftemangels eingeführt wurde.
Für eine nicht minder große Entrüstung sorgte der in Ostsachsen seit diesem Schuljahr praktizierte Hybrid-Unterricht, bei dem eine Lehrkraft online Schülerinnen und Schüler an zwei Schulstandorten unterrichtet. Obwohl diese Unterrichtsform als eine Möglichkeit gepriesen wird, auch in ländlichen Regionen ein breites Leistungskursangebot zur Verfügung stellen zu können, kritisierten die Kolleginnen die dafür fehlenden datenschutzrechtlichen Grundlagen und warnten erneut vor der Entgrenzung von Arbeits- und Begrenzung von Freizeit.
Überdies wurde die Vereinbarkeit von Familie und Beruf in den Blick genommen. Sorge bereitete der bundesweit zunehmende Trend, Teilzeit nur noch bei zwingenden Gründen (Kinder unter 18 sowie pflegebedürftige Angehörige) zu gewähren. Ebenso mahnten die Landesvertreterinnen, den Beschäftigten ein Sabbatical trotz des Lehrkräftemangels weiterhin zu ermöglich, da es nicht nur ein attraktives Merkmal des Lehrerberufes ist, sondern einen Beitrag dazu leistet, die Gesundheit der Lehrkräfte langfristig zu erhalten. Weiterhin thematisiert wurden aus dem Mutterschutzgesetz abzuleitende Regelungen für stillende Mütter sowie der vorzeitige Renteneintritt vieler Kolleginnen.
Als Gastredner sprach Prof. Dr. Matthias Spörrle, Wirtschaftspsychologe an der Universität Seeburg, in seinem Impulsvortrag über Funktionen von Stereotypen im Alltag als funktionale und situationsabhängige Denkabkürzung.
Der zweite Tag der Frühjahrstagung 2023 firmierte unter dem Thema „Genderstereotype im Kontext von Verbandsarbeit“. Als Gastredner konnte Prof. Dr. Matthias Spörrle, Wirtschaftspsychologe an der Universität Seeburg, gewonnen werden. In seinem Impulsvortrag beschrieb er zunächst das Kategorisieren als eine Vergröberung bzw. Vereinfachung – ja, als funktionale und situationsabhängige Denkabkürzung, die uns Tag für Tag im Umgang mit vielfältigsten Eindrücken hilft. Dabei greifen wir auf Stereotypen zurück, die entweder deskriptiv sind, d.h. wertungsfrei beschreiben, wie jemand ist, oder präskriptiv werten, wie jemand zu sein hat. Überdies belegte Prof. Dr. Spörrle anhand wissenschaftlicher Forschungsdaten die immer weiter voranschreitende Individualisierung der Gesellschaft, eine Entwicklung, die dem Wir oder Kollektivismus formal entgegensteht.
Im Anschluss an die Ausführungen des Wissenschaftlers wurden während verschiedener Workshops Strategien u.a. für die Mitgliedergewinnung abgeleitet. Um in einer Welt der „Ichlinge“ für einen Berufsverband zu interessieren, ist es notwendig, mit Stereotypen von Verbandsarbeit zu brechen. Werden diese Denkabkürzungen nicht bedient, wird zur näheren Beschäftigung mit den Themen und Positionen der Verbände angeregt. So kann deutlich gemacht werden, dass Berufsverbände auch individuelle Belange berücksichtigen, die Mitgliedschaft in einer solchen Interessenvertretung also Individualität nicht verhindert. Für Mitglieder sollten Verbände demnach „die Gruppe, in der du du sein kannst“ sein, so Spörrle.
Wie kann das Durchbrechen von Stereotypen bei der Mitgliedergewinnung helfen? Eines von vielen Themen, die in der Runde diskutiert wurde.
Im weiteren Verlauf der Frühjahrstagung 2023 stellte die Vorsitzende, Gabriela Kasigkeit, das Konzept New Work vor und führte aus, welche Rolle es für den Bildungsbereich spielen kann. Der Begriff New Work bezeichnet ein neues Verständnis von Arbeit, konkret die Wahrnehmung des Arbeitsplatzes als Ort der Selbstverwirklichung. Ein bestimmtes Arbeitsmodell wird dabei nicht favorisiert, jedoch gelten Freiheit, Eigenständigkeit, Sinnhaftigkeit und Inklusion als zentrale Elemente dieser Konzeption. New Work zielt folglich darauf ab, die Lebensqualität und Motivation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu erhöhen und ihnen mehr Freiraum für Selbstentfaltung und Entscheidungen zu geben. Die Vertreterinnen der Landesverbände waren sich einig, dass es durchaus wünschenswert sei, die Ideen der New Work im Kontext schulischer Bildung anzuwenden, sie erörterten aber auch mögliche, daraus resultierende Risiken für die Beschäftigten.
Die vielfältigen thematischen Schwerpunkte der Frühjahrstagung ergänzend, wurde auch der Kongress „Fit und innovativ in der Schule“ weiter vorbereitet. Die vom Deutschen Philologenverband, dem Verband der Gymnasiallehrkräfte, am 08.03.24 in Berlin durchgeführte Veranstaltung soll informieren, fortbilden sowie kollegialen Austausch fördern und so einen Beitrag zur Gesunderhaltung der Kollegien leisten. Der Kongress bietet neben Impulsvorträgen praxisbezogene Workshops, die eine lösungsorientierte Auseinandersetzung mit der Thematik gestatten. Sie sind herzlich dazu eingeladen!