DPhV zur neuen IGLU-Studie: Ungenügende Lesefähigkeit an Grundschulen hat dramatische Auswirkungen auf weiterführende Schulen und Wirtschaft / Vorschulische Förderung verstärken, Leistungsprinzip an Grundschulen konsequent einfordern

    In Anbetracht der aktuellen IGLU-Erhebungen zur Lesefähigkeit von Grundschülerinnen und Grundschülern warnt der Deutsche Philologenverband (DPhV) vor gravierenden negativen Konsequenzen. DPhV-Bundesvorsitzende Prof. Dr. Susanne Lin-Klitzing sagte: „Wir müssen hier durchgängig konsequenter fördern, fordern und strenger werden! Die mangelnde Lesefähigkeit gefährdet letztlich nicht nur die gesellschaftliche Teilhabe zahlreicher Menschen, sondern auch den ganzen Wirtschaftsstandort Deutschland.“ Das Problem der mangelhaften Lesefähigkeit sei schon seit Jahren bekannt, werde aber nur halbherzig angegangen.

    Lin-Klitzing weiter: „Lesefähigkeit ist ein Grundpfeiler der Kommunikation. Die Politik muss jetzt endlich in allen Bundesländern konsequent und effektiv handeln. Für die durchgängige Sprachbildung begrüßt der DPhV daher insbesondere die vorschulische Förderung, wie sie beispielsweise in Hamburg oder auch in Hessen praktiziert wird: Diese besteht aus verbindlichen Sprachstandserhebungen deutlich vor Schulbeginn und einer daran anschließenden verbindlichen Sprachförderung für die betroffenen Kinder, ebenfalls vor dem Schulbeginn.“ Zudem müsse bereits in den ersten Klassen an den Grundschulen das Leistungsprinzip umgesetzt werden – dazu gehören neben dem Fördern und dem Fordern auch das faire Bewerten.

    In der jetzigen IGLU-Erhebung von Leseleistungen der Viertklässler setzt sich der Negativ-Trend in den Leistungen deutscher Grundschülerinnen und Grundschüler fort: Es liegt eine erhebliche Verschlechterung der Leseleistung der Viertklässler und hier insbesondere der Jungen seit Beginn der Messungen vor 20 Jahren vor. Laut Studie liegt die mittlere Lesekompetenz der Viertklässlerinnen und Viertklässler in Deutschland bei 524 Punkten. Sie ist gegenüber der letzten Erhebung (2016: 537 Punkte) noch einmal gesunken. Deutschland unterscheidet sich kaum vom Mittelwert der EU-Vergleichsgruppe (527 Punkte) oder der OECD-Vergleichsgruppe (527 Punkte). Ein Viertel der Viertklässlerinnen und Viertklässler in Deutschland erreicht nicht den Standard für eine Lesekompetenz, die für einen erfolgreichen Übergang vom „Lesen lernen“ zum „Lesen, um zu lernen“ notwendig ist (mindestens Kompetenzstufe III).

    Leitlinien zur Erhöhung der Lesefähigkeit sind für den DPhV u.a.:

    • Frühzeitige Interventionen, die darauf abzielen, die Lesefähigkeit von Kindern bereits in einem frühen Alter zu fördern. Hierzu ist das verstärkte Engagement von Eltern bspw. durch tägliches Vorlesen, das Vorlesen von Büchern und gemeinsames Lesen in Eltern-Kind-Programmen notwendig.
    • Der Ausbau von Lern- und Sprachförderprogrammen, insbesondere in benachteiligten Stadtteilen, die an den individuellen Bedarfen und Bedürfnissen der Kinder orientiert sind und die von dafür qualifizierten Personen und damit nicht zwingend von Lehrkräften durchgeführt werden.
    • Flächendeckende Programme zur Sprachförderung in KiTas; „die ganze Schule liest“ mehrmals wöchentlich zu bestimmten Zeitpunkten (Beispiel Hamburg).
    • Professionalisierung von Lehrkräften im Bereich der Leseförderung, um Schülerinnen und Schüler erfolgreich zu unterstützen. Programme zur Fortbildung von Lehrkräften, die sich mit der Leseförderung beschäftigen, sollten (weiterhin) gefördert werden.
    • Konsequente Bewertung der Lesefähigkeit in der Grundschule, daran anschließende spezifische Förderung, die Wiedereinführung einer verbindlichen Grundschulempfehlung für die weiterführenden Schulen.
    • Ein dichtes Netzwerk an öffentlichen Bibliotheken, die kostenfrei mit ihren Angeboten zur Verfügung stehen und Zugang zu Büchern, Lernmaterialien, Online-Ressourcen zur Leseförderung bieten.

    Lin-Klitzing: „Das schlechte Lese-Niveau schlägt natürlich auch auf die Bildungsqualität an Gymnasien und Hochschulen durch, und am Ende klagen Universitäten und die Wirtschaft zu Recht über mangelnde Lesefähigkeit, schwache Rechtschreibkompetenzen, nicht gut vorbereitete Studierende und zu schlecht ausgebildete Fachkräfte.“

    Durchgängige Sprachbildung beginnt in der Grundschule und muss in der Mittel- und Oberstufe fortgesetzt werden, um langfristige Effekte für den souveränen Erwerb der Bildungssprache Deutsch erzielen zu können. „Vier Stunden Deutsch in der Mittelstufe sind dazu notwendig. Aber auch bis in die gymnasiale Oberstufe hinein muss die Kultusministerkonferenz endlich Konsequenzen ziehen und hier u.a. stärkere Anreize für die korrekte Rechtschreibung setzen. Nach wie vor ist es möglich, sämtliche Grundkurse Deutsch in der Oberstufe mit einer Bewertung unterhalb der Note ´Ausreichend` in die Abiturwertung einzubringen. Für mangelhafte Rechtschreibung ist ein maximaler Punktabzug von zwei Punkten möglich. Das sind falsche Anreize, die die verantwortliche Politik hier setzt“, beklagt Lin-Klitzing.

    Der DPhV unterstützt den „Nationalen Lesepakt“ der Stiftung Lesen sowie die gerade gestartete Kampagne „Lesen fördern – Bildung stärken“ des Arbeitskreises Jugendliteratur.

    Seit 2001 untersucht IGLU (Internationale Grundschul-Lese-Untersuchung) bzw. PIRLS (Progress in International Reading Literacy Study) alle fünf Jahre die Leseleistungen der Schüler am Ende der vierten Jahrgangsstufe. Die Kultusministerkonferenz (KMK) hatte im Februar 2018 die Teilnahme an PIRLS/IGLU 2021 beschlossen.

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