PhVN: Genug der Diagnosen, jetzt anpacken und Probleme lösen!

    Rot-Grün ist 100 Tage im Amt: Kultus- und Wissenschaftsministerium sind am Zug  

    Die neue Rot-Grün-Regierung ist nun 100 Tage am Start. Hierzu erklärt der Vorsitzende des Philologenverbandes Niedersachsen, Dr. Christoph Rabbow:

    „Es wurde viel diagnostiziert und das verjüngte Kabinett Weil III auch mit einem Vertrauensvorschuss versehen. Die Ministerinnen und Minister, sowie die Staatssekretärinnen und Staatssekretäre sollten sich mittlerweile einen Einblick in ihre Ressorts verschafft haben, so dass nun durchgestartet werden kann, getreu dem grünen Wahlkampfmotto ,Endlich machen!‘

    Das dringlichste Problem ist und bleibt der Lehrkräftemangel. Hier muss endlich gehandelt werden. Frau Ministerin Hamburg weiß, dass uns der Lehrkräftemangel über Jahre begleiten wird, sie darf jetzt keine Zeit mehr verlieren. 2023 muss das Jahr werden, in dem Lehrkräftegewinnung und -erhaltung angepackt werden. Dazu waren alle Vorgängerregierungen nicht in der Lage. Der Bedarf an Lehrkräften wurde kleingeredet, obwohl jedem Lehrer und jeder Lehrerin vor Ort längst klar war, dass es so nicht mehr weitergehen kann. Die Zeit der Ausreden ist endgültig vorbei. Rot-Grün muss liefern und zeigen, ob das Land tatsächlich in guten Händen ist.

    Lehrkräftegewinnung beginnt schon vor dem Studium

    Die Lehrkräftegewinnung ist eine Langzeitaufgabe. Hier gibt es keine Lösungen von heute auf morgen. Wir müssen ab sofort die Abschlussjahrgänge an den Schulen sensibilisieren. Dafür brauchen wir aber dringend eine Attraktivitätskampagne für ein Lehramtsstudium in Niedersachsen, denn nur so kann den Schulabgängern von heute und den Studierenden von morgen deutlich gemacht werden, dass es sich in Niedersachsen lohnt Lehrer zu werden. Die abgehende Schülergeneration hat mitbekommen, wie marode das System Schule ist, das Bild von Schule und das Image von Lehrkräften muss endlich wieder positiv besetzt werden und wir müssen dazu am grundständigen Lehramtsstudium ansetzen.

    Studienkapazitäten erhöhen, Lehramtsstudium modernisieren und verzahnen

    Es ist nicht nachzuvollziehen, dass niemand weiß, wie viele ihr Studium abbrechen oder sich während des Studiums umentscheiden und einen anderen Studienabschluss anstreben. Wir haben vor der Landtagswahl ein Bildungsministerium gefordert, dass die volle Verantwortung für das Lehramt vom Beginn des Studiums bis hin zur Planstelle hat. Rot-Grün hat der Mut gefehlt. Der Minister für Wissenschaft und Kultur Falko Mohrs ist hier am Zug. Wir erwarten, dass das Lehramtsstudium auf den Prüfstand kommt und fordern:

    ·       eine schulformbezogene Lehramtsausbildung an den Universitäten

    ·       eine Erhöhung der Studienkapazitäten an den Universitäten für alle Lehrämter

    ·       absurde Numerus-clausus-Regelungen abschaffen, die das Lehramtsstudium verhindern

    ·       mehr Praxisanteile bereits in das Bachelorstudium integrieren, dazu ein Praxissemester mit Praktika in der Fläche verpflichtend machen

    ·       die Studienabbrecherzahl ermitteln und auswerten, wie man diese verringern kann

    ·       eine Überprüfung, welche Studienleistungen für ein erfolgreiches Lehramtsstudium tatsächlich relevant sind

    ·       stärkere Berücksichtigung aktueller Bezüge zur Schule, wie Inklusion, Binnendifferenzierung, Probleme aus jugendpsychiatrischer Praxis, Digitalisierung in Schule usw.

    ·       eine stärkere Verzahnung von Studium und Praxis unter Einbezug der Studienseminare

    ·       die Abstimmung der Termine der Abschlussprüfungen mit den Einstellungsterminen in den Vorbereitungsdienst.

    Es gibt noch viel zu tun, um Lehrkräfte-Nachwuchs zu generieren

    Ebenso wie Minister Mohrs hier liefern muss, hat auch Kultusministerin Hamburg in ihrem Ministerium noch zahlreiche Hausaufgaben zu erledigen. Um den Vorbereitungsdienst in Niedersachsen für Studierende des Lehramtes attraktiv zu gestalten, müssen die Rahmenbedingungen deutlich verbessert werden. Und auch die Zeit der Fort- und Weiterbildung junger Lehrkräfte muss in den Blick genommen werden. Dazu fordern wir:

    ·       Erhöhung der Bezüge der Lehrkräfte im Vorbereitungsdienst um 500 Euro monatlich

    ·       Einstellungstermine mit Studium abstimmen, dazu eine vorangestellte dreimonatige Einführungsphase vor der Aufnahme eigenverantwortlichen Unterrichts, um den Praxisschock abzumildern und die Studierenden im System Schule ankommen können

    ·       18-monatige Qualifikationsphase mit sieben eigenverantwortlichen Unterrichtsstunden pro Semester

    ·       gleichmäßige Zuweisung von Auszubildenden in alle Studienseminare

    ·       Quereinstieg in den Vorbereitungsdienst integrieren

    ·       Ausbildung von MINT-Lehrkräften und von anderen Mangelfächern forcieren

    ·       Einstellungsgarantie in den Schuldienst nach erfolgreich abgelegten Prüfungen

    ·       Coaching von Berufseinsteiger in den ersten drei Jahren nach dem Vorbereitungsdienst

    ·       besondere Fortbildungsveranstaltungen für junge Lehrkräfte

    Beim Nachwuchs und mit der Ausbildung beginnen

    Nur die grundständige Lehrkräfteausbildung ist der Schlüssel für eine langfristige Personalplanung an den Schulen und kann die Unterrichtsversorgung sichern. Erst wenn gute Rahmenbedingungen für angehende Lehrkräfte geschaffen worden sind, kann man über andere Maßnahmen zur Verbesserung der Unterrichtsversorgung reden. Ohne eine Perspektive für den Nachwuchs des eigenen Berufstandes ist eine Diskussion kurz- und mittelfristiger Maßnahmen zur Verbesserung der Unterrichtsversorgung weder zielführend noch gegenüber den Bestandslehrkräften vertretbar, da diese nur zu einer zusätzlichen, kaum noch hinnehmbaren und zeitlich nicht absehbaren Belastung führen. Will man uns mit im Boot haben, erwarten wir ein langfristig angelegtes und gut geplantes Vorgehen und keine bildungspolitischen Schnellschüsse, die auf dem Rücken, der ohnehin schon stark belasteten Lehrkräfte, ausgetragen werden.“

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