Zumeldung des PhV BW zur Pressemitteilung des Kultusministeriums zur Verlängerung des „Schulversuchs G9“

    Der Philologenverband BW begrüßt, dass das Kultusministerium mit dieser Entscheidung die notwendige Planungssicherheit für die G9- „Versuchs“-Gymnasien geschaffen hat. Das ist der einzige positive Punkt an dieser Entscheidung. Das Kultusministerium verlängert den „Schulversuch G9“ und hofft anscheinend, mit der Fortführung dieser „Ventillösung“ (43 Gymnasien dürfen weiterhin G9 anbieten) dem Druck der mit G8 immer unzufriedener werdenden Eltern auch in den kommenden Jahren widerstehen zu können.

    * Der PhV fordert das Kultusministerium auf: Ziehen Sie endlich die Konsequenzen aus dem eindeutigen Elternwillen in Sachen G8/G9:

    – 62 % aller Eltern wollen ausschließlich G9 am Gymnasium,

    – 28 % aller Eltern wollen eine Kombination von G9 und G8,

    – nur 6 % aller Eltern sind für ein G8 für alle. (Ergebnis einer repräsentative forsa-Umfrage von Februar 2022 bei Eltern mit schulpflichtigen Kindern in BW.

    * Schaffen Sie schnellstens das unbeliebte „G8 für alle“ am allgemeinbildenden Gymnasium ab, so, wie das alle anderen Flächenländer im Westen bereits getan haben!

    * Geben Sie unseren Jugendlichen Chancengleichheit gegenüber den Absolventen aus diesen Ländern! Sonst steigt der Druck im Kessel bei Schülern und Eltern weiter an — gerade angesichts der weiterbestehenden Corona-Lücken!

    Immer mehr Eltern setzen sich sehr aktiv gegen den Zwang zu G8 ein!

    Außerdem ist G8 mittlerweile eine Hürde für notwendige, in die Zukunft weisende Änderungen in der Sekundarstufe I:

    – Das Wahlalter in Baden-Württemberg wurde 2022 auf 16 Jahre
    abgesenkt. Notwendige Voraussetzung dafür ist aus Sicht des PhV eine verstärkte politische Bildung aller SEK-I-Schüler, die nur mit zusätzlichen Politik-Stunden geleistet werden kann.

    – Die Digitalisierung nimmt immer weiter Fahrt auf: In der Wirtschaft, der Gesellschaft und mittlerweile auch in Verwaltung und Schulen. Ein einstündiger, durchgängiger Unterricht im Fach Informatik in der gesamten Sekundarstufe I (Klasse 5-10) ist dadurch notwendig.

    – In G8 lässt sich aber keine einzige zusätzliche Stunde mehr hineinquetschen.

    Hintergrundinformationen:

    Zum Schuljahr 2003/04 wurde von der damaligen Kultusministerin Schavan im Hau-Ruck-Verfahren die Verkürzung der Gymnasialzeit von neun auf acht Jahre für alle gymnasialen Schüler durchgesetzt – gegen die Warnungen und Widerstände vieler pädagogischer Fachleute und auch des PhV.

    Anlass waren Forderungen aus der Wirtschaft nach jüngeren Absolventen und auch die Hoffnung auf Einsparungen bei den Bildungskosten.

    Zuvor waren drei Schuljahre lang in einem Schulversuch G8-Schnellläufer-Klassen ausschließlich für schnelle Lerner extrem erfolgreich getestet worden, integriert in den normalen G9-Betrieb der Gymnasien.

    Zum Schuljahr 2012/13 wurde aufgrund der nicht endenden Kritik an G8 von der damaligen Kultusministerin Warminski-Leitheußer der sogenannte „Schulversuch G9“ gestartet. — Eine „Ventillösung“, um die lautstärksten Kritiker ruhig zu stellen, denn was 50 Jahre erfolgreich in Baden-Württemberg Standard war, muss nicht in einem „Schulversuch“ getestet werden. Und eine wissenschaftliche Evaluation dieses „Schulversuchs“ wurde auch nie in Auftrag gegeben.

    Grund für den „Schulversuch G9“ waren und sind die offensichtlichen Vorteile von G9:

    – Absenkung der wöchentlichen Unterrichtszeit von 34, 35 und mehr Wochenstunden insbesondere in den Klassenstufen 9 und 10 auf ein normales Maß,

    – Stärkung der Schüler-Beteiligung am Vereins-Sport, an Musikschulen und jeglichem ehrenamtlichen Engagement, z.B. bei der Feuerwehr oder in kirchlichen Gruppen durch die gewonnen freien Nachmittage,

    – Steigerung der Zahl von Schülern, die ein Schuljahr im Ausland verbringen (Mindestalter: 16 Jahre!) — in G9 ist dies in der 11. Klasse ohne Schulzeitverlängerung möglich, in G8 gehört die 11. Klasse zur Abiturqualifikation, und ein Auslandsjahr bedeutet ein Jahr „Zeitverlust“ bis zum Abitur,

    – Es muss nicht mehr die Hälfte eines jeden Abiturjahrgangs nach dem Abitur ein freiwilliges soziales Jahr (FSJ), Work and Travel oder eine Tour um die Welt machen, um erst einmal Orientierung zu finden: Der komprimierte Schulbetrieb im G8 fordert viel zu viele Schüler aufs Äußerste. G9 lässt parallel zur Schule genügend Gelegenheit zur Selbstfindung.

    – Die Abschaffung der Wehrpflicht 2008 hat das Studieneintrittsalter bereits um ein dreiviertel Jahr abgesenkt.

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