bpv: Start in ein Schuljahr auf Sicht

    Schwieriger Mittel­weg zwischen unkontrollierter Durchseuchung und Schul­schließungen

    In seiner Pressekonferenz zum Start in das neue Schuljahr bekannte das Kultus­ministerium sich klar zum Präsenzunterricht. Das hört sich auf den ersten Blick nach einem hoffnungsfrohen Start in ein weiteres Pandemie-Schuljahr an. „Das von Kultusminister Piazolo beschriebene „dichte Sicherheitsnetz“ für Schulen empfinden wir als grobmaschig. Vielmehr starten wir in ein Schuljahr voller Ungewissheit. Keiner kann sagen, wie der Mittel­weg mit garantiertem Präsenzunterricht in einer vierten Corona-Welle, von der (zumeist ungeimpfte) Kinder und Jugendliche besonders betroffen sind, funktionieren wird. Vor die­sem Hintergrund halten wir die Maßnahmen zum Gesundheitsschutz und Unterrichtsbetrieb an den Schulen für zu zögerlich, teils ärgerlich und teils schwer umsetzbar,“ kommentiert Michael Schwägerl, Vorsitzender des Bayerischen Philologenverbands, der Lehrkräfte an Gymnasien und Beruflichen Oberschulen vertritt.

    Keine 2-Klassen-Gesellschaft beim Testen

    Dies unterstreicht seine Stellvertreterin Dagmar Bär, die zugleich Vorsitzende der Gruppe der Lehrer an Gymnasien im Hauptpersonalrat ist: „Ein besonderes Ärgernis stellt für uns die Teststrategie dar. Grund- und Förderschüler bekommen die zuverlässigeren und aus­sagekräftigeren PCR-Tests, die auch nicht so häufig durchgeführt werden müssen, und für die Schüler der weiterführenden Schulen, in deren Altersgruppen die Deltavariante am stärksten auftritt, reichen oberflächliche und kurzlebige Antigen-Schnelltests. Es ist für uns nicht nachvollziehbar, warum die bpv-Forderung von Ende August, weiterführende Schulen hier nicht zu benachteiligen, kein Gehör gefunden hat.“

    Konsequente Anwendung der 3-G-Regel auch an Schulen bietet zuverlässigeren Infektionsschutz

    Die vom Bundestag beschlossene Impfauskunftspflicht für Lehrkräfte greift dabei in einer Berufsgruppe, die ohnehin in ihrer Impfquote weit über dem Durchschnitt der Gesamt­bevölkerung liegt (an Gymnasien und Beruflichen Oberschulen einer bpv-Umfrage zufolge über 95%), zu kurz. Deutlich sinnvoller ist eine konsequente Anwendung der 3-G-Regel auch an Schulen. Dieser Nachweis gilt mittlerweile an nahezu allen Orten, an denen viele Menschen für längere Zeit und mitunter ohne genug Abstand zusammenkommen. Sogar an Orten, die sie freiwillig aufsuchen, wie Fitnessstudios, Hotels und Restaurants. Ebenso kommen an Schulen viele, teils bis weit über 1.000 Menschen für längere Zeit zusammen – und das verpflichtend. „Möchte man also eine unkontrollierte Durchseuchung auf der einen Seite und Schulschließungen auf der anderen Seite verhindern, ist die konsequente Anwen­dung der 3-G-Regel an den Schulen in unseren Augen die einzig sinnvolle Strategie”, stellt Schwägerl fest und ergänzt: „Wir sind sehr enttäuscht, dass dem aktuellen ministeriellen Schreiben zufolge sogar völlig Schulfremde ohne 3-G-Nachweis das Schulhaus betreten können. Sicherheit sieht anders aus und mögliche Folgen kann man sich ausmalen.“

    Ohne Planbarkeit funktioniert der Lehr- und Lernbetrieb nicht

    Denn ein wesentlicher Faktor, von dem das Gelingen des Schulbetriebs abhängt, ist Planbarkeit. Ohne verlässliche Termine und Fristen funktionieren Bildungsinstitutionen nicht. Und ab diesem Schuljahr soll das Erbringen von Leistungsnachweisen wieder in vollem Umfang aufgenommen werden. Aufgrund der vierten Corona-Welle wird aber die Häufigkeit an Quarantäne-Anordnungen an den Schulen zunehmen, auch wenn die Quarantäne ab jetzt kürzer ausfällt. Es bleibt abzuwarten, in wie vielen Fällen mehr als ein Schüler gleichzeitig positiv getestet wird, was dann den neuen Regelungen zufolge doch zu einer Quarantäne für die ganze Klasse führt. Für die Lehrkraft bedeutet dies, dass zunehmend neben dem Präsenzunterricht auch ein Angebot für das Lernen zuhause vorbereitet und betreut werden muss. Schwägerl stellt fest: „Natürlich wollen wir keinen Schüler und keine Schülerin im Regen stehen und alle auch während der Quarantänezeit so gut es geht am Unterricht teilhaben lassen. In einem Schuljahr, in dem die Lehrkraft aber erst beim Ankommen im Klassenzimmer weiß, wie viele Lernende zusätzlich zu Krank­meldungen auf Anweisung des Gesundheitsamtes nicht am Unterricht teilnehmen, wird ein extremes Maß an Flexibilität vom Lehrpersonal gefordert, das die Kolleginnen und Kollegen an die Grenzen des Machbaren bringen kann.“

    Schwierige Situation im Umgang mit Masken- und Testverweigerern

    Dazu kommen Schülerinnen und Schüler, die oder deren Eltern das Tragen einer Maske und/oder das Testen in der Schule ablehnen. Es handelt sich zwar um eine geringe Anzahl pro Schule, doch die Kinder und Jugendlichen verbleiben im Distanzunterricht. „Die Situa­tion dieser Kinder und Jugendlichen bereitet uns große Sorgen: Zum einen waren einige seit Monaten nicht in der Schule – und wir haben gesehen, wie die Zeit der Schulschließun­gen vielen jungen Menschen zugesetzt hat. Zum anderen kann ein Lernen von zuhause, alleine am Schreibtisch und ohne Rückmeldung verbaler Art oder in Form von Noten auf die Dauer den Lernprozess in der Schule nicht ersetzen,“ mahnt Schwägerl an.

    Eine Pandemie ist kein Zeitpunkt für Sonderrechte und Ausnahmen

    Zum Abschluss appelliert er an die Solidarität aller Beteiligten: „Wir alle wollen so viel Nor­malität an den Schulen wie nur irgendwie möglich – ganz im Sinne von Schülerinnen und Schülern, Eltern und Lehrkräften. Daher müssen auch alle zusammenhelfen, um die Schulen zu wirklich sicheren Orten zu machen. Sonderrechte und Ausnahmen gefährden letztendlich die Gesundheit wiederum aller Beteiligten – insbesondere auch der Menschen, die sich aus gesundheitlichen Gründen nicht impfen lassen können. Mit den aktuellen Maßnahmen des Kultusministeriums starten wir in ein ungewisses Schuljahr auf Sicht und können nur hoffen, dass es beim Mittel­weg mit Präsenzunterricht bleibt.”

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