Was ist Ihr dringendstes bildungspolitisches Anliegen, Frau Baerbock, Herr Laschet, Herr Scholz?

    Drei Fragen an die Kanzlerkandidatin und die Kanzlerkandidaten

    Berlin – Am 26. September ist es soweit! Dann sind mehr als 60 Millionen Deutsche zur Wahl des 20. Deutschen Bundestages aufgerufen. Drei Parteien haben ihre Kanzlerkandidat:innen gekürt. PROFIL will wissen, welche Stellung die Bildungspolitik für sie hat, sollten sie nach der Wahl die nächste Kanzlerin oder der nächste Kanzler werden. Drei Fragen an Annalena Baerbock, Armin Laschet und Olaf Scholz. 

    Credit: Gruene

    Annalena Baerbock (40), Kanzlerkandidatin Bündnis 90/Die Grünen 

    „Es darf nicht wieder passieren, dass die Bedürfnisse der Schüler*innen im politischen Hickhack untergehen” 

    PROFIL: Frau Baerbock, was ist für Sie als Kanzlerkandidatin der Grünen das dringendste bildungspolitische Anliegen nach der Bundestagswahl 2021? 

    Annalena Baerbock: „In unseren Schulen fehlt es oft am nötigsten: schnelles Internet, moderne Toiletten, Fenster, die sich öffnen lassen, ausreichend Laptops oder Tablets für Schüler*innen und Lehrkräfte. Es braucht nun – gerade in Folge der für Schüler*innen und Pädagog*innen enorm harten Zeit der Pandemie – eine Bildungsoffensive, die ihren Namen verdient. Es darf nicht wieder passieren, dass die Bedürfnisse der Schüler*innen im politischen Hickhack untergehen. Es muss massiv, langfristig und nachhaltig mehr in Bildung investiert werden, insbesondere in Schulen in benachteiligten Gebieten. Multiprofessionelle Teams sollen Kindern in ihren unterschiedlichen Bedürfnissen bestmögliche Unterstützung bieten. Das wiederum setzt gute Aus- und Weiterbildung, sichere Berufswege, gute Arbeitsbedingungen und eine angemessene Bezahlung, egal ob verbeamtet oder angestellt, voraus. Die Dynamik, die sich in der digitalen Bildung entwickelt hat, muss jetzt weiter genutzt werden. Es braucht schnelles Internet, genügend Endgeräte, Systemadministrator*innen und datenschutzkonforme online Lernsysteme an allen Schulen, dazu gehören entsprechende Aus- und Weiterbildungen für Pädagog*innen. Klar ist aber auch, dass Präsenzunterricht die beste und schönste Form des gemeinsamen Lernens bleibt.” 

    PROFIL: Wie würden Sie den Kommunen helfen, damit es in keinem Schulgebäude mehr kaputte Fenster und Toiletten gibt? 

    Baerbock: „Bröckelnde Schulfassaden und Schimmel in Klassenzimmern müssen endlich der Vergangenheit angehören. Die Kommunen können diese Herkulesaufgabe nicht alleine stemmen. Wir wollen den Sanierungs- und Modernisierungsstau deshalb mit einer großen Investitionsoffensive auflösen. Das Schulsanierungsprogramm des Bundes wollen wir weiterentwickeln und fortführen. Wir brauchen einen Neustart der Kooperation, daher muss gleich zu Beginn der neuen Legislatur ein Bildungsgipfel mit Bund, Ländern und Kommunen einberufen werden, um eine gemeinsame Agenda für Chancengerechtigkeit, digitale Bildung, Lehrkräfteausbildung und Schulgebäudesanierung zu verabreden, für die der Bund zusätzlich Mittel zur Verfügung stellt, die bedarfsgerecht verteilt werden. Denn damit das nächste Jahrzehnt das Jahrzehnt der Kinder, Kitas und Schulen wird, braucht es jetzt das Engagement und die Kooperation aller Ebenen.” 

    PROFIL: Treten Sie für den Erhalt und die qualitätvolle Stärkung des Gymnasiums ein? 

    Baerbock: „Ja, gut ausgestattete Schulen mit besten Bedingungen für Schüler*innen und Pädagog*innen sind absolut zentral, das gilt selbstverständlich auch für Gymnasien. Wir wollen, dass möglichst viele Kinder und Jugendliche eine gute und lehrreiche Schulzeit haben und einen Abschluss machen, der ihnen Ausbildung oder Studium eröffnet. Das Gymnasium ist dabei ein Weg. Wichtig ist uns, dass es daneben einen weiteren Weg gibt, der alle Kinder willkommen heißt. Diese Schule kann Gesamtschule, Gemeinschaftsschule oder Integrierte Sekundarschule heißen. Diese Schule bietet alle Abschlüsse an, einschließlich Abitur. Eltern und Kinder wissen also, dass ihnen alle Wege offen stehen.” 

    Armin Laschet Credit: Laurence Chaperon

    Armin Laschet (60), CDU-Vorsitzender und Kanzlerkandidat der Union 

    „Wichtig ist mir, dass die Baumaßnahmen jetzt schnell angepackt werden” 

    PROFIL: Herr Laschet, was ist für Sie als Kanzlerkandidat der Union das dringendste bildungspolitische Anliegen nach der Bundestagswahl 2021? 

    Armin Laschet: „Viele Kinder und Jugendliche wurden in der Corona-Pandemie in ihrer Entwicklung ausgebremst. Vor allem die Lernschwächeren brauchen unsere besondere Aufmerksamkeit, damit sie Rückstände aufholen und ihre Lernmotivation zurückgewinnen können. Daher sollten die Länder jetzt alles daransetzen, die Lese- und Sprachkompetenz der bildungsbenachteiligten Kinder und Jugendlichen zu stärken. Außerdem wollen wir ihnen dabei helfen, die sozialen und psychischen Folgen der Corona-Pandemie zu bewältigen. Dafür nimmt der Bund für die Jahre 2021 und 2022 zwei Milliarden Euro in die Hand. Viele Länder haben zudem eigene Programme aufgelegt. So hat Nordrhein-Westfalen beispielsweise die „Extra-Zeit zum Lernen” eingeführt. Dafür stellt meine Landesregierung insgesamt 36 Millionen Euro bereit.” 

    PROFIL: Wie würden Sie den Kommunen helfen, damit es in keinem Schulgebäude mehr kaputte Fenster und Toiletten gibt? 

    Laschet: „Der Bund hat über den Kommunalinvestitionsförderungsfonds Finanzhilfen für Investitionen finanzschwacher Kommunen zur Verfügung gestellt. Das Gesamtvolumen des Fonds beläuft sich auf sieben Milliarden Euro. Da es in den kommunalen Bauverwaltungen und vor allem in der Bauwirtschaft seit Längerem zu Kapazitätsengpässen kommt, wurden die Förderzeiträume für die Bundesprogramme im April 2020 jeweils um ein Jahr verlängert. Wichtig ist mir, dass die Baumaßnahmen jetzt schnell angepackt werden, damit die Schülerinnen und Schüler nach den Sommerferien möglichst in renovierte Schulgebäude zurückkehren können.” 

    PROFIL: Treten Sie für den Erhalt und die qualitätvolle Stärkung des Gymnasiums ein? 

    Laschet: „Die CDU hält an unserem qualitativ hochwertigen, differenzierten, leistungsorientierten und stabilen Schulsystem fest. Dazu gehört, dass wir das Gymnasium als attraktive Schulform bewahren wollen. Ansonsten handelt es sich um eine Frage, deren Beantwortung in die alleinige Zuständigkeit der Länder fällt.” 

    Olaf Scholz

    Olaf Scholz (63, SPD), Kanzlerkandidat der Sozialdemokraten 

    „Der Zugang zu guter Bildung darf nicht vom Geldbeutel der Eltern abhängen"

    PROFIL: Herr Scholz, was ist für Sie als Kanzlerkandidat der SPD das dringendste bildungspolitische Anliegen nach der Bundestagswahl 2021? 

    Olaf Scholz: „Das dringendste bildungspolitische Anliegen für mich als Kanzler wird die Stärkung der Bildungschancen sein. Der Zugang zu guter Bildung darf nicht vom Geldbeutel der Eltern abhängen. Wir wollen ohne Wenn und Aber den Bildungserfolg in Deutschland von der sozialen Herkunft entkoppeln. Eine Bundesinitiative ,Chancengleichheit in der Bildung’, die Chancenhelferinnen und Chancenhelfer an jede Schule bringt, kann die Länder bei dieser ihrer Aufgabe unterstützen. Zweitens wollen wir deutlich mehr Investitionen in Schulen und ein Modernisierungsprogramm des Bundes auf den Weg bringen, das sowohl den Sanierungsbedarf der Schulgebäude als auch die digitale Ausstattung umfasst. Wir müssen die Digitalisierung der Schulen endlich erreichen. Ich will, dass alle Schulen in Deutschland erstklassig ausgestattet sind. Drittens brauchen wir überall gute Ganztagsschulen. Viertens müssen wir die Berufsschulen stärken. Der Übergang von der Schule in den Beruf gehört in den Fokus der bildungspolitischen Debatte; die Jugendberufsagenturen sollten weiter ausgebaut werden.” 

    PROFIL: Wie würden Sie den Kommunen helfen, damit es in keinem Schulgebäude mehr kaputte Fenster und Toiletten gibt?  

    Scholz: „Ich habe als Erster Bürgermeister Hamburgs ein massives Investitionsprogramm verantwortet, das die Qualität der Schulgebäude schnell verbessert hat. Das brauchen wir in ganz Deutschland. Jetzt in der Corona-Krise habe ich die Kommunen als Bundesminister der Finanzen finanziell umfassend unterstützt. Als Kanzler werden mir starke Städte und Gemeinden sehr wichtig sein. Sie brauchen finanzielle Spielräume, sonst leidet die Handlungsfähigkeit vor Ort. Und für die mit Altschulden überforderten höchstverschuldeten Kommunen will ich eine Stunde Null und die Altschuldenbürde abräumen; bisher ist das am Widerstand von CDU/CSU gescheitert. Der Bund soll Länder und Kommunen dauerhaft gezielt bei Investitionen in die Bildungsinfrastruktur unterstützen; wir haben das Grundgesetz geändert, damit der Bund das auch darf.” 

    PROFIL: Treten Sie für den Erhalt und die qualitätsvolle Stärkung des Gymnasiums ein? 

    Scholz: „Das Gymnasium gehört zur deutschen Bildungslandschaft. Die SPD tritt für eine Stärkung des gesamten Bildungssystems ein. Bildung ist nach dem Grundgesetz Ländersache. In Hamburg, wo ich als Landespolitiker für Bildung Verantwortung hatte, hat sich das Nebeneinander von Gymnasien und Stadtteilschulen, auf denen man auch das Abitur erwerben kann, sehr erfolgreich entwickelt.” 

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