PhV BW-Vorschläge zur Bewältigung der Corona-Lernzeitverluste

    „Den Kindern und Jugendlichen dabei zu helfen, ihre coronabedingten Lernlücken aufzuarbeiten, ist eine anspruchsvolle Aufgabe. Hierzu ist eine Strategie, ein klug durchdachter Stufenplan nötig. Kurzfristige Improvisationen wie die ´Lernbrücken´ können keinen wesentlichen Beitrag zur Lösung liefern“, so der Landesvorsitzende des Philologenverbands Baden-Württemberg (PhV BW), Ralf Scholl.
    Aus der Pandemiezeit müssten jetzt die notwendigen Schlüsse gezogen werden: Dazu seien mittel- und langfristige Pläne zu entwickeln und umzusetzen, die dauerhaft für eine nachhaltige Verbesserung der Lernqualität für die Schülerinnen und Schüler sorgen. Die Politiker betonen ja selbst, dass Kinder und Jugendliche die größten Opfer in der Zeit des Lockdowns gebracht haben – deshalb muss jetzt im Nachtragshaushalt die Hilfe und Unterstützung für sie absoluten Vorrang haben!
    „Den Worten müssen jetzt Taten folgen, wenn die Politik es ernst meint mit ihrer Fürsorge für die Kinder“, betont Ralf Scholl.

    Zur Bewältigung der coronabedingten Lernlücken macht der PhV BW die folgenden Vorschläge:

    1. Pädagogisch ausgebildete, fachlich kompetente Lehrkräfte machen den besten Unterricht. Deswegen muss die laufende Einstellung aufgestockt werden, damit die Lernlücken bestmöglich aufgearbeitet werden können. Nur wenn genügend hochqualifizierte Lehrkräfte an den Schulen in Baden-Württemberg tätig sind, wird dies gelingen. Im Gymnasialbereich gibt es dieses Jahr doppelt so viele Bewerberinnen und Bewerber wie Stellen – Gestaltungsspielräume sind also vorhanden. Gerade nach der Corona-Krise muss die Lehrereinstellung endlich über den aktuellen Ersatzbedarf hinaus nachhaltig geplant werden, um den „Schweinezyklus“ in der Lehrereinstellung zu beenden.
    2. Für die allgemeinbildenden Gymnasien muss die Möglichkeit des Sofortumstiegs auf G9 genutzt werden, um Lernzeit für die Schülerinnen und Schüler zu gewinnen. Die Regeldauer des allgemeinbildenden Gymnasiums sollte wie in praktisch allen anderen westlichen Flächenbundesländern wieder auf neun Jahre umgestellt werden – wenn nicht schon zum kommenden Schuljahr, dann spätestens zum darauffolgenden. Reifung und Persönlichkeitsbildung benötigen Zeit – nach dem Corona-Lockdown noch mehr als vorher.
    3. Es muss damit begonnen werden, die Klassengrößen schrittweise, Jahr für Jahr, abzusenken, um den Lehrkräften die Zeit zu geben, die sie brauchen, um die Schüler zu unterstützen und zu fördern. Gerade in der Zeit des Wechselunterrichts hat sich gezeigt, wie intensiv und wirksam der Unterricht in kleineren Gruppen ist – dies haben Schüler, Eltern und Lehrkräfte einhellig bestätigt. Diese positiven Erfahrungen müssen Eingang in die Schulen finden, wenn die „bestmögliche Bildungsqualität“ nicht nur eine hohle Phrase bleiben soll – wie bisher immer.
    4. Die Schulleitungen haben in der Corona-Zeit organisatorisch fast Übermenschliches geleistet; sie mussten häufig neue, meist kurzfristige Regelungen binnen maximal drei Tagen umsetzen und waren zu ständigen Umplanungen gezwungen. Deshalb muss zwingend die sofortige Entlastung der Schulleitungen (Schulleitungsprogramm 2. Tranche) erfolgen, zumal das „Rückenwind“-Programm im kommenden Herbst auch wieder (zusätzlich zu allen anderen Aufgaben) von den Schulleitungen organisiert werden soll.
    5. Um die durch die Isolation während Corona verloren gegangene Zeit für die Persönlichkeitsbildung nachzuholen und das soziale Lernen zu fördern, sollte in der Unter- und Mittelstufe jeweils eine Klassenlehrerstunde in der Stundentafel verankert werden. Dies würde es erlauben, flächendeckend Institutionen wie “Klassenrat” (s. https://www.derklassenrat.de/) oder „Lions-Quest“ und weitere Aktivitäten zur Bildung von sozialer Kompetenz verbindlich einzuführen. Dadurch würden auch die Gruppendynamik, die Lernatmosphäre und das Demokratielernen gefördert. Auch eine Erhöhung der Stellen von Schulpsychologen, Schulsozialarbeitern und Beratungslehrkräften könnte zu diesem Ziel beitragen.

    „Uns ist bewusst, dass diese Maßnahmen nicht zum Nulltarif zu haben sind. Allerdings halten wir die zügige Aufarbeitung der durch Corona entstandenen Lerndefizite für eine zentrale und wichtige Aufgabe der Landespolitik, ebenso wie eine insgesamt möglichst hochwertige Bildungsqualität für alle Schülerinnen und Schüler.
    Daher appellieren wir an die Landesregierung und die Landtagsfraktionen, diese vom Philologenverband vorgeschlagenen Maßnahmen beim ohnehin geplanten Nachtragshaushalt vorrangig zu berücksichtigen“, so der PhV-Landesvorsitzende Ralf Scholl abschließend.

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