Gemeinsame Pressemitteilung des Realschullehrerverbands (RLV) und des Philologenverbands (PhV) Baden-Württemberg

    • Zwei neue wissenschaftliche Studien zeigen: Bessere Schülerleistungen werden dank passender Leistungsanreize durch homogenere Lerngruppen erreicht. Dies gilt für Schüler aller Niveaustufen, verstärkt aber gerade für die schwächeren Schüler.
    • Philologenverband und Realschullehrerverband bekräftigen deshalb ihre Forderung nach Verbindlichkeit der Grundschulempfehlung
    • PhV und Realschullehrerverband fordern eine Orientierung der Bildungspolitik an wissenschaftlichen Fakten statt an reinem Wunschdenken!

    Gleich zwei aktuelle wissenschaftliche Studien bestätigen, was erfahrene Lehrkräfte, aufmerksame Eltern und sogar Schülerinnen und Schüler schon lange wissen.

    1. Mithilfe von Daten aus der „National Educational Panel Study“ (NEPS) für die deutschen Bundesländer kommen die Soziologen Julian Seuring und Hartmut Esser zu dem Ergebnis, dass eine strikte Differenzierung nach Leistung beim Übergang auf die weiterführende Schule bei allen Schülerinnen und Schülern zu einem höheren Leistungsniveau führt. Die Studie weist nach, dass eine homogenere Zusammensetzung der Lerngruppen allen nützt – und zwar den Lernschwächeren noch mehr als den Lernstärkeren!
    https://www.degruyter.com/document/doi/10.1515/zfsoz-2020-0025/html

    2. Die aktuelle Studie des ZEW (Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung in Mannheim) zeigt, dass eine verbindliche Grundschulempfehlung Lernanreize setzt, die zu einer deutlichen Verbesserung der schulischen Kompetenzen um bis zu 20 % am Ende der vierten Klasse führen.
    Kein Wunder: Üben und Trainieren für ein angestrebtes Ziel legen den Grundstein dafür, dass man sich dann über eine bestandene Prüfung freut, stolz auf das Erreichte ist und neue Ziele motiviert angehen kann.
    https://www.zew.de/presse/pressearchiv/verbindliche-grundschulempfehlungen-fuehren-zu-besseren-leistungen-aber-auch-zu-mehr-stress

    Der nach der PISA-Studie entstandene Mythos, das gegliederte Schulsystem verstärke die Effekte der sozialen Herkunft auf den Bildungserfolg, ist mit diesen Studien widerlegt! Überholt sind damit auch die in der Vergangenheit angeführten Argumente für die Abschaffung der verbindlichen Grundschulempfehlung und für mannigfaltige Angriffe auf das differenzierte Schulsystem.

    Diese neuen wissenschaftlichen Ergebnisse belegen vielmehr deutlich das Gegenteil: Die besten Voraussetzungen für erfolgreiches Lernen bestehen genau dann, wenn Kinder und Jugendliche gerade die Schulart besuchen, die auf ihre individuelle Leistungsbereitschaft, Leistungsfähigkeit und kognitiven Begabung am besten zugeschnitten ist!

    Da sich Leistungsbereitschaft und Leistungsfähigkeit im Laufe der Entwicklung eines Kindes bzw. Jugendlichen verändern können, gilt in Baden-Württemberg seit Langem das Prinzip „Kein Abschluss ohne Anschluss“. Damit sind für alle Kinder – unabhängig von der Grundschulempfehlung bzw. der Wahl der weiterführenden Schulart nach Klasse 4 – alle Schulabschlüsse erreichbar. Die Behauptung, die weitere Schulbiografie sei mit einer verbindlichen Grundschulempfehlung unabänderlich (und ggf. in abträglicher Weise) vorgezeichnet, ist eine völlig irrige Vorstellung. Wer das baden-württembergische Schulsystem mit seinen verschiedenen Wegen kennt, wusste das schon längst.

    Es ist nun dringend geboten, die neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse dieser Studien in folgerichtige Maßnahmen für Baden-Württemberg umzusetzen! Nur so kann erreicht werden, dass das Land im Bildungsbereich wieder ‚spitze‘ wird. Höchste Zeit, da in den letzten fünf Jahren jede bundesdeutsche Bildungs-Vergleichsstudie Baden-Württemberg nur noch ‚Durchschnitt‘ attestieren konnte.

    Der Philologenverband und der Realschullehrerverband fordern nach diesen eindeutigen Ergebnissen der beiden wissenschaftlichen Studien übereinstimmend die Wende zu einer neuen, wissenschaftlich begründeten Schulpolitik!
    „Wir brauchen eine moderne, zukunftsorientierte Bildungspolitik in Baden-Württemberg. Dazu gehört, dass man der Unterschiedlichkeit der Kinder gerecht wird, indem man ihre individuelle Leistungsfähigkeit bestmöglich in den unterschiedlichen Schularten fördert und jeweils passende Leistungsanreize setzt. Ebenso wichtig ist ein professionell begleiteter, auf einer verbindlichen Grundschulempfehlung und ggf. zusätzlichen Tests basierender Übergang nach Klasse 4 in die weiterführende Schule. Von hier aus sind dann je nach Leistungsfähigkeit und Entwicklung der Schülerinnen und Schüler jederzeit Übergange in andere Schularten möglich. Das schafft die Bildungsqualität, die unsere Kinder und Jugendlichen verdienen“, betonen der Landesvorsitzende des Philologenverbands, Ralf Scholl, und die Landesvorsitzende des Realschullehrerverbands, Dr. Karin Broszat.

    Die beiden Landesvorsitzenden verleihen ihrer Hoffnung Ausdruck, dass die neue Kultusministerin sich in ihren Entscheidungen an den aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen sowie an Qualitätskriterien wie die ihres Herkunftsbundeslands Bayern orientiert, das in Leistungsvergleichen der Länder stets Spitzenplätze belegt.

    „Baden-Württemberg kann bei den Schülerleistungen nur dann wieder an die deutsche und internationale Spitze vorrücken, wenn eine Bildungspolitik auf Basis von wissenschaftlichen Fakten statt ideologischer Traumtänzerei betrieben wird“, sind Ralf Scholl (PhV B-W) und Dr. Karin Broszat (Realschullehrerverband) überzeugt.

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