PhVN zu Corona-Testung an Schulen: Medizinisch geschulte Testteams zwingend

    Zur gestern ad hoc verkündeten Bereitstellung von sogenannten Selbsttests für die Schülerinnen und Schüler an Niedersachsens Schulen erklärt der Vorsitzende des Philologenverbandes, Horst Audritz:

    „Wir begrüßen es ausdrücklich, dass das Land endlich Schnelltests an die Schulen bringt. Bereits die Wahrnehmung der Verantwortung zur Beschaffung von Schutzausrüstung an Schulen hat unnötig lang gedauert. Vor diesem Hintergrund ist die aktuelle Entscheidung des Kultusministers, die lange geforderten Tests zur Verfügung zu stellen, richtig. Die Organisation und Durchführung überwiegend an die Schulen zu delegieren, ist aber unter den gegebenen Bedingungen nicht akzeptabel. Hier wird einmal mehr den Schulen per Knopfdruck eine weitere Mammutaufgabe aufgebürdet, die in der Theorie entwickelt worden ist, aber der Praxis so nicht standhält. Das Ministerium muss schnellstens nachsteuern.

    Zur sicheren und verlässlichen Durchführung der Testung in den Schulen fordern wir professionell ausgebildete Testteams. Nur so ist der notwendige Gesundheitsschutz für Lehrkräfte und Schüler zu gewährleisten. Unter dem Deckmantel der Eigenverantwortlichen Schule darf die Gesamtverantwortung des Staates nicht einfach auf die Schulen abgeschoben werden. Der zusätzliche organisatorische und bürokratische Aufwand ist ohne die versprochene Entlastung der Koordinatoren an den Schulen nicht mehr zu leisten.

    Die Testung von Schülerinnen und Schülern und der Beschäftigten ist wichtig und entspricht unseren Forderungen. Sie muss allerdings mehr als einmal pro Woche erfolgen, wenn sie nicht eine Scheinsicherheit vorgaukeln soll. Die Übertragung der vollen Verantwortung für die Durchführung und Auswertung der Schnelltests an die Lehrerkollegien halten wir für falsch und fahrlässig. Die Lehrkräfte sind nicht geschult für eine Reihentestung der Schüler, zumal bei Schulgrößen von 500, 1000 und mehr Schülern. Es besteht darüber hinaus ohne entsprechende Schutzkleidung eine durch das Arbeiten mit Speichel oder Nasensekret erhöhte gesundheitliche Gefahr für die Lehrkräfte. Die Vorstellung, dass Lehrkräfte „nur“ zum Test anleiten sollen, ist insbesondere bei jüngeren Schülerinnen und Schülern unrealistisch und relativiert in einer unangemessenen Weise die gesundheitliche Gefährdungssituation für diejenigen Lehrkräfte, die diese Aufgabe übernehmen sollen. Auch, wenn es sich hier nicht um PCR-Tests handelt, ist die Anwendung der Selbsttests recht ähnlich. Ein echter Selbst- bzw. Laientest muss unter Einbeziehung der Erziehungsberechtigten vor dem Schulbesuch erfolgen.

    Die Testung vor Ort in der Schule ist darüber hinaus datenschutzrechtlich und im Sinne des Persönlichkeitsschutzes kaum tragbar. So werden die Schulen mit der Frage allein gelassen, was mit denjenigen Schülerinnen und Schülern zu tun ist, die keine Einwilligung (durch die Erziehungsberechtigten) erteilen bzw. sich nicht testen lassen möchten. Was passiert haftungsrechtlich, wenn Tests in den Schulen nicht sachgemäß durchgeführt werden, ein Fehler bei der Dokumentation auftritt oder sich Schülerinnen und Schüler verletzten?

    Die lapidare Einschätzung des Ministers, dass sicherlich nicht alles sofort „rund laufen wird“, ist in diesem sensiblen Rahmen unangebracht.

    Hier zeigt sich einmal mehr das Grundsatzproblem: Die Praktiker werden nicht frühzeitig genug in die Planungen des Ministeriums einbezogen. Die daraus resultierenden Probleme und Konflikte wären vermeidbar und unnötige Verzögerungen könnten verhindert werden. Angesichts der bedrohlichen Situation der dritten Corona-Welle ist schnelles und pragmatisches Handeln die erste Politikerpflicht.“

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