Wann bekommt endlich jede Lehrkraft einen Laptop, Frau Karliczek?

    PROFIL-Interview mit der Bundesbildungsministerin

    Wann bekommt endlich jeder Lehrer einen Laptop, Frau Karliczek?

    Anja Karliczek ist Bundesbildungsministerin. (Foto: Marlene Gawrisch)

    von Karolina Pajdak

    PROFIL: Frau Karliczek, wir leben seit mehr als einem Jahr mit der Corona-Pandemie. Wo – Ihre Zuständigkeit betreffend – würden Sie sagen, ist im Großen und Ganzen nichts schiefgelaufen?

    Anja Karliczek: In der Pandemie hat sich mein Haus so stark wie nie zuvor für die Schulen engagiert. Die Hauptlast lag und liegt natürlich bei den Ländern, Kommunen und vor allem bei den Schulen. Für die Schulverantwortlichen  ist die Organisation von Unterricht seit Beginn der Pandemie eine Mammutaufgabe. Ich bin dankbar für das große Engagement, mit dem an vielen Stellen gearbeitet wird. Als Bund unterstützen wir natürlich gerade in der Pandemie, wo wir können – insbesondere beim Thema Digitalisierung der Schulen. Ich bin froh, dass wir auf dem DigitalPakt Schule aufbauen konnten und uns im vergangenen Jahr mit den Ländern rasch auf wichtige Zusatzhilfen einigen konnten: Jeweils 500 Millionen Euro für Schüler-Laptops, ein Administratorenprogramm und Lehrerlaptops. Ich glaube, dass diese Zusatzhilfen sehr hilfreich waren und insofern in diesem Zusammenhang von unserer Seite nichts schiefgelaufen ist. Natürlich müssen die Programme jetzt umgesetzt werden. Eines ist aber auch klar: Wir alle wären gerade jetzt in der Pandemie gern schon einen guten Schritt weiter gewesen in Sachen digitales Lernen. Das hätte in diesen Zeiten besonders geholfen.

    Die Ministerpräsidenten und Kultusminister der Länder sind ja verantwortlich und ringen um ein einheitliches Handeln. Das führt dazu, dass auch Schulen in Städten und Landkreisen geschlossen sind, in denen der Inzidenzwert unter 30 liegt. Wieso?

    Karliczek: Die Bundeskanzlerin und die Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder haben Anfang Februar ausdrücklich vereinbart, dass die Frage des weiteren Betriebs der Schulen in Pandemiezeiten ausschließlich von den Ländern bestimmt wird. Wir bieten als Bund dennoch unsere Hilfe an. Dazu zählt auch, dass wir ein Vorhaben unterstützt haben, in dem die medizinischen Fachgesellschaften Handlungsempfehlungen zur Prävention der Übertragung von SARS-CoV-2 formuliert haben. Wie vor Ort diese Handlungsempfehlungen in der Umsetzung genutzt werden, müssen nun Länder und Kommunen entscheiden.

    Wann sollten die Schulen wieder komplett für den vollen Präsenzunterricht geöffnet werden?

    Karliczek: Wir wünschen uns alle die vollständige Rückkehr zum Präsenzunterricht. In dieser Pandemie lassen sich aber keine Prognosen abgeben. Ich rechne jedoch mit einer Normalisierung spätestens im nächsten Schuljahr, sofern durch die Impfungen die Pandemie mehr und mehr unter Kontrolle gebracht worden ist. Das setzt natürlich immer voraus, dass die Impfstoffe voll wirksam sind. Bis dahin werden wir immer zumindest ganz strenge Schutzmaßnahmen gegen die Übertragung des Virus in den Schulen beachten müssen. Ich glaube, das ist selbstverständlich. Als Bundesbildungsministerin ist es mir natürlich wichtig, dass so viel Unterricht wie möglich stattfindet.

    Ist es richtig, wie die KMK es macht, bei den partiellen Schulöffnungen nach Altersgruppen zu unterscheiden?

    Karliczek: Es gibt in diesen Tagen nicht richtig oder falsch. Am Ende kommt es auf das Gesamtkonzept an. Die Handlungsempfehlungen der medizinischen Fachgesellschaften betonen die Bedeutung der Kohortenbildung. Das bedeutet, dass in den Schulen möglichst die Kontakte über bestimmte Altersgruppen oder Klassen oder Jahrgänge vermieden werden sollen. Ich will jetzt gar nicht auf die Frage der Schulschließungen von verschiedenen Altersgruppen eingehen. Es muss noch eine Weile darauf geachtet werden, dass Kontakte in Schulen reduziert werden, sofern sie nicht für das Unterrichtsgeschehen erforderlich sind. 

    Wann wird Unterricht wieder so sein wie früher?

    Karliczek: Vielleicht wird Unterricht nie wieder so wie früher, denn wir haben viel dazugelernt. Vor der Pandemie kam unsere Diskussion um digitale Bildung nicht so richtig in Gang. Jetzt ist der Umgang mit Lernmanagementsystemen und Videokonferenzen vertrauter. Und darauf werden die Schulen und Lehrerinnen und Lehrer in den nächsten Jahren aufbauen können, wenn es darum geht, den Unterricht weiterzuentwickeln.

    Das heißt, OnlineUnterricht sollte aus Ihrer Sicht weiter ein regulärer Bestandteil des Schulalltags bleiben?

    Karliczek: Das digitale Lernen sollte zunehmend eine Rolle auch zu normalen Zeiten spielen. Das heißt nicht, dass wir weiter das Distanzlernen wollen, so wie wir das aus diesen Tagen kennen. Die Kinder und Jugendlichen sollen in die Schulen gehen. Schule ist auch ein Ort des sozialen Miteinanders. Aber ich kann mir zum Beispiel vorstellen, dass man im Sprachunterricht Klassen online miteinander vernetzt. Eine deutsche Klasse, die Französisch lernt, trifft sich online regelmäßig mit einer französischen Klasse, die Deutsch lernt. Oder die Situation, dass eine Schülerin oder ein Schüler längere Zeit krank ist. Wir brauchen insgesamt eine Flexibilisierung des Unterrichts, und dabei kann uns das Digitale sehr helfen.

    Muss es mehr Fortbildungen – auch vom BMBF angeboten – für Lehrkräfte geben, was den Online-Unterricht betrifft?

    Karliczek: Die Fortbildung der Lehrkräfte ist Aufgabe der Länder. Aber es stimmt natürlich, dass der Ausbau des digitalen Lehrens und Lernens zusätzliche Fortbildungen erfordert. Deswegen ist es gut, dass sich die Länder mit unserer Zusatzvereinbarung zum Administratorenprogramm dazu verpflichtet haben, die Lehrerfortbildung zum digitalen Lernen auszuweiten. Zudem geben wir als Bund insgesamt 500 Millionen Euro für die „Qualitätsoffensive Lehrerbildung“. Auch hier haben wir zuletzt einen besonderen Schwerpunkt bei der Digitalisierung gesetzt.

    Wann bekommt jeder Lehrer – und zwar auch Teilzeit-Lehrer – endlich einen Laptop oder ein digitales Endgerät?

    Karliczek: In ihrer Aufgabe als Arbeitgeber müssen die Länder die Ausstattung der Lehrkräfte entscheiden und die Finanzierung regeln. Jedes Unternehmen, jede Behörde muss sein Personal ausstatten, damit es vernünftig arbeiten kann. Aber der Bund hat unterschiedliche Zusatzhilfen gerade in Sachen digitales Lernen geschaffen. Denn wir konnten hier auf dem bereits existierenden DigitalPakt Schule aufbauen. Zu den Zusatzhilfen im DigitalPakt Schule gehört auch, dass wir als Bund 500 Millionen Euro an die Länder geben, damit sie Laptops für Lehrkräfte beschaffen können. Wir haben uns dabei darauf geeinigt, dass alle Geräte, die seit dem 3. Juni 2020 angeschafft wurden, mit diesen Mitteln bezahlt werden können. Insofern kann es sein, dass viele Geräte schon angekommen sind und wir das noch gar nicht wissen. Ich höre aber auch, dass die Beschaffung nicht so einfach ist, weil die Hersteller nicht liefern können. Wir haben auch einen Engpass bei denen, die die Geräte dann einrichten und warten müssen. Das Geld aber ist da. Die Umsetzung geschieht in jedem Land unterschiedlich.

    Der Digitalpakt garantiert 3,5 Milliarde Euro bis zum Ende der Legislaturperiode in diesem Jahr. Es wurden aber erst einige hundert Millionen Euro abgerufen. Woran liegt das?

    Karliczek: Wir sehen, dass die Mittelabflüsse steigen. Aber die Länder handhaben die Umsetzung sehr unterschiedlich. Es gibt zum Beispiel Länder, die alles komplett vorfinanzieren und das Geld bei uns hinterher abrufen. Wir haben immer damit gerechnet, dass das Programm erst einmal anlaufen muss. Die Corona-Pandemie erschwert natürlich an dieser Stelle die Abläufe, weil viele Projekte aufgrund geltender Beschränkungen oder personeller Engpässe nicht umgesetzt werden können. Als Bund können wir den Ländern die Umsetzung vor Ort nicht abnehmen. Wir haben aber auch gesagt, dass die Medienkonzepte jetzt bis Ende 2021 nachgereicht werden können, und das Geld damit schon vorher fließen kann.

    Interview mit Bundesministerin für Bildung und Forschung Anja Karliczek
    Die Ministerin für Bildung und Forschung blickt von ihrem Büro direkt auf die Spree und das Kanzleramt. (Foto: Marlene Gawrisch)

    Viele Schulen warten auch auf ihren „digitalen Hausmeister“.

    Karliczek: Wir haben im Rahmen des DigitalPakts ein spezielles Programm aufgelegt, damit sich Administratoren vor Ort um die Technik kümmern können. Die Administratorenvereinbarung wurde schon im letzten Herbst unterschrieben. Die 500 Millionen Euro des Bundes stehen zur Verfügung. Jedes Land hat unterschiedliche Vorstellungen davon, wie professionelle Administratorensysteme aufgebaut werden müssen. Daran arbeiten die Länder aktuell.

    Der Philologenverband fordert den Einsatz „digitaler Helfer“ an den Schulen. Estland setzt sie als „Bildungstechnologen“ an den Schulen ein.

    Karliczek: Wie gesagt, wir haben kurzfristig ein Administratorenprogramm aufgelegt. Oftmals helfen sich die Lehrkräfte noch untereinander, da müssen wir realistisch sein. Der DigitalPakt läuft insgesamt bis 2024. Aber das Thema bleibt natürlich. An der Digitalisierung hängen einige strukturelle Änderungen, die die Länder mit ihren Schulträgern lösen müssen. Auch das wird in den Ländern unterschiedlich sein.

    Wie steht es um die Zusammenarbeit mit dem Verkehrsministerium und um den Wlan-Ausbau?

    Karliczek: Wir partizipieren gemeinsam mit dem Verkehrsministerium am Sondervermögen Digitale Infrastruktur – wir eben mit dem DigitalPakt Schule. Beim Breitbandausbau ist das Verkehrsministerium zuständig. Die WLAN-Ausleuchtung in den Schulen kann aus dem DigitalPakt finanziert werden.

    Was könnte der Bund unternehmen, um die Ungleichheit bei der Schulausstattung zu minimieren?

    Karliczek: Es gibt im Rahmen des Kommunalinvestitionsförderungsgesetzes des Bundesfinanzministeriums auch ein Schulsanierungsprogramm. Wie ich höre, läuft die Umsetzung mittlerweile gut – das Geld kommt also an den Schulen an. Aber es muss vor Ort auch in Zukunft mehr Geld in die Hand genommen werden. Hier haben wir leider einen ziemlichen Investitionsrückstand, auf den die KfW regelmäßig in ihrem Kommunalpanel hin. Alleine für die Schulen liegt dieser Rückstand nach den Zahlen des vergangenen Jahres danach bei über 44 Milliarden Euro.  Diskussionen um Schulsanierung werden häufig nur unter Kostenaspekten geführt. Richtig ist: es ist auch ein Zeichen dafür ist, wie Kinder und Bildung in unserer Gesellschaft wertgeschätzt werden.

    Wird noch mehr Geld fließen?

    Karliczek: Das Geld, das der Bund bereitgestellt hat, muss ja auch erst einmal ausgegeben werden. Wir müssen uns mehr vom Hier und Jetzt lösen. Die Zukunft unseres Landes hängt an gut ausgebildeten jungen Menschen. Dieser Blick ist gerade auch bei Alltagsentscheidungen in den Ländern und Kommunen wichtig. Denn nur vor Ort kann entschieden werden, was nötig und was sinnvoll ist. Für mich ist entscheidend, dass wir ein gemeinsames Ziel vor Augen haben.

    Im Zuge der Pandemie ist eine große Leistungsspreizung bei den Schülern zu befürchten.

    Karliczek: Diese Sorge teile ich. Aber aktuell hat der Gesundheitsschutz Vorrang – auch weil wir unser Gesundheitssystem stabil halten müssen. Es wird auch wichtig, Lernrückstände nachzuholen, sei es in einem Lernsommer oder Lernosterferien. Wir haben den Ländern bereits angeboten, sie dabei durch die Zusammenarbeit mit unserem Programm „Kultur macht stark“ zu unterstützen.

    Denn Lernrückstände sind ein Teil von Bildung, die in diesen Tagen zu kurz gekommen sind. Ich möchte aber auch den Fokus auf Persönlichkeitsentwicklung und soziales Miteinander lenken. Das ist mindestens ebenso wichtig.

    Was soll gut daran sein, dass sich die Referendar-Ausbildung von Land zu Land so stark unterscheidet?

    Karliczek: Wichtig ist, dass Lehrerinnen und Lehrer überall in Deutschland arbeiten können. Deshalb bin ich froh, dass sich die Länder im Rahmen unserer gemeinsamen „Qualitätsoffensive Lehrerbildung“ auch dazu verpflichtet haben, die jeweilige Lehramtsausbildung untereinander anzuerkennen. Damit können Lehrer sicher sein, dass sie als Lehrkraft auch in einem anderen Bundesland arbeiten können.

    Was spricht denn gegen ein Staatsexamen mit zwei vollen Fächern und 24 Monaten Referendariat, so wie es der Deutsche Philologenverband fordert?

    Karliczek: Die Organisation des Lehramtsstudiums und des Vorbereitungsdienstes liegt in der Zuständigkeit der Länder. Wir setzen mit der „Qualitätsoffensive Lehrerbildung“ einen starken Impuls insbesondere in der ersten Phase. Was wir letztlich wollen, ist eine „Lehrerbildung aus einem Guss“. Über die konkrete Ausgestaltung, und damit auch über Ihren Vorschlag, kann sicher im Kreise der Beteiligten gesprochen werden.

    Wie hat sich Ihr Arbeitsalltag in der Pandemie verändert?

    Karliczek: Die Taktung der Termine hat dadurch, dass man nur von einem auf den anderen Kanal umschalten muss, extrem zugenommen. Man hat dadurch noch weniger Zeitpuffer. Ich freue mich nach der Pandemie vor allem darauf, endlich wieder mehr Menschen treffen zu können. Das macht doch unseren Beruf aus.

    Das Interview wurde am 15. Februar geführt.

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