Auf ein Wort: Susanne Lin-Klitzing über das Referendariat in Corona-Zeiten

    Liebe Kollegen und Kolleginnen,

    warum ist der Alltag für Referendare in der Corona-Zeit besonders schwierig? Welche Folgen hat ein Referendariat unter Corona-Bedingungen für die angehenden Lehrkräfte? Und: Was sollte unternommen werden, um mögliche Nachteile für die jetzt betroffenen Referendare möglichst gering zu halten?

    Jetzt Referendare qualifiziert in den „Berufsalltag“ einzuführen, ist deshalb eine besondere Herausforderung, weil den Referendaren zur Zeit der regelmäßige Präsenzkontakt zu den Schülern wie auch zu ihren Ausbildern fehlt und sie dementsprechend auch nicht umfassend für den Präsenzunterricht ausgebildet werden können. Sie gestalten jetzt Videokonferenzen, bereiten Unterrichtsmaterial vor und werden diesbezüglich auch bewertet – das aber in nicht eingespielten Prüfungsformaten. Das erzeugt Unsicherheit – und spiegelt den späteren Berufsalltag nicht umfassend wieder. Dementsprechend umfasst die Ausbildung im Referendariat auch nicht alle Ausbildungsinhalte, insbesondere was die gute Vorbereitung für den Präsenzunterricht anlangt, wohl aber erlangen die Lehrkräfte im Vorbereitungsdienst bereits in der Ausbildung Kompetenzen für die digitale Unterstützung des Unterrichts in einem Maße, wie es zuvor nicht der Fall war.

     

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    Um mögliche Nachteile für die jetzigen Referendare möglichst gering zu halten, fordern unsere Jungen Philologen, dass die Referendare die Möglichkeit bekommen, ihr Referendariat freiwillig bei voller Besoldung um drei Monate zu verlängern und dass sie außerdem möglichst wenig eigenverantwortlichen Unterricht halten müssen und mehr begleiteten Ausbildungsunterricht bekommen. Und endlich muss das in fast allen Bundesländern gekürzte Referendariat wieder auf einen zweijährigen Vorbereitungsdienst angehoben werden, wie es allein noch in Bayern der Fall und in Hessen mit 21 Monaten fast der Fall ist. Das ist die Forderung der Philologen: Rückkehr zum zweijährigen Vorbereitungsdienst!

    Was zeichnet nun insbesondere diese beiden Bundesländer Bayern und Hessen  aus, die sich erfreulicherweise gar nicht oder kaum dem unsäglichen Kürzungsreflex des Referendariats unterworfen haben?

    Sie sind Staatsexamensländer! Sie haben das Staatsexamen für das Lehramtsstudium beibehalten! Etwas mehr als die Hälfte der anderen Bundesländer haben ihre Lehramtsausbildung auf Bachelor und Master umgestellt und damit die Studienzeit für alle Lehrämter auf mindestens fünf Jahre festgelegt. Fünf Jahre, wenn die Studierenden es in dieser neuen Regelstudienzeit schaffen, häufig dauert es noch länger. Eine Verlängerung des Studiums, nur um sich vermeintlich Bolognakriterien und vermeintlich unkomplizierteren potenziellen Studiengangswechseln anzudienen. Dabei ist dies über die – ebenfalls kritisch zu sehende, aber überall umgesetzte – Modularisierung der Studiengänge ohnehin möglich. Den Preis für die für sachfremde Ziele verlängerte Studienzeit musste in fast allen Bundesländern das Referendariat zahlen – es wurde weiter uneinheitlich gekürzt auf 18, 17, 16 und in Brandenburg im BA-MA-Lehramtsstudiengang sogar auf 12 Monate, also um die Hälfte des ehemals 24-monatigen Vorbereitungsdienstes. Ein fataler Schritt, der den Universitäten mehr finanzielle Mittel für die längere Studienzeit der Lehramtsstudierenden beschert, den Kultusministerien die Kosten für ein reguläres 24-Monatsgehalt Referendariat hingegen erspart und die Referendare einer für ihr Lehramtsstudium unzutreffenden Reform in Bachelor als angeblich erstem berufsqualifizierenden Abschluss und Master unterwirft. Das ist eine für das Lehramtsstudium unangemessene,  schlechte Reform, mit der Konsequenz einer grundsätzlich falschen Kürzung des Referendariats im Rahmen einer insgesamt sechsjährigen Soll-Lehramtsausbildungsdauer. Diese Kürzung des Referendariats rächt sich jetzt in der Corona-Zeit besonders  – und zwar sowohl für die Referendare als auch für die Lehrkräfte an den Schulen, die in besonderer Weise werden unterstützend kompensieren müssen, was in Präsenz  nicht vermittelt und ausprobiert  werden konnte.

    Zeit für den Aufbruch in den Staatsexamensstudiengang für das Lehramtsstudium – Zeit für den Aufruf an die Kultusministerinnen und -minister, sich dafür und für ein 24-monatiges Referendariat stark zu machen!

    Ihnen allen,  liebe Kollegen und Kolleginnen,vielen Dank für ihren großen Einsatz in dieser schwierigen Zeit — wir im Philologenverband treten für Sie ein!

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